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Hippie Tycoon by Steffi Kammerer | 6. März 2017 | Personalities

John Mackey ist Gründer und CEO der Supermarktkette Whole Foods. Er verkauft nicht bloß Lebensmittel, sondern das Versprechen auf Gesundheit. Seit 35 Jahren zeigt er, dass Bioessen ein sinnliches Vergnügen sein kann – Tofu und Grünkohl wurden dank ihm zum letzten Schrei. Heute sind organische Lebensmittel in jedem Supermarkt zu finden. Für den Chef heißt das auch: Er hat ein Problem.

Gesundheit macht Spaß, Öko ist sexy. Mit dieser Botschaft hat er die Lebensmittelindustrie revolutioniert, mit Bio-Tempeln auf Tausenden Quadratmetern. John Mackey ist der Erfinder und CEO von Whole Foods; ein Hippie mit abgebrochenem Philosophiestudium, der ein börsennotiertes Imperium schuf. Mit mehr als 400 Supermärkten in den USA und Dependancen in Großbritannien und Kanada. Mackey, der erst Vegetarier wurde und dann Veganer, verkauft mehr als bloß Waren. Ein gutes Gewissen nämlich und das Versprechen auf Gesundheit. Die Kunden: Gutverdiener, die nach dem Yoga bei Whole Foods stoppen; mit Glück in Gesellschaft von Angelina Jolie oder Charlize Theron. In den Regalen Hanf- oder Kamelmilch, Chia-Samen, Tofu und Quinoa, Früchte drapiert und ausgeleuchtet wie Kunstwerke, präsentiert auf großer Bühne. WholeFoods hat einen Spitznamen, der darauf anspielt, wie schnell man dort Hunderte von Dollar loswerden kann: Whole Paycheck, also „ganzes Gehalt“. Im Internet finden sich Beweisfotos: ein Emu-Ei für 34,99 US-Dollar. Trüffel für 93 US-Dollar. Organische Mandelbutter für 23,99 US-Dollar. Die Krönung: eine Spicy Tuna Roll für kühne 491,59 US-Dollar. Mackey und seine damalige Freundin eröffneten ihren ersten Bioladen im Erdgeschoss eines alten Hauses in Austin, der Hauptstadt von Texas. Das Geld für den Laden hatten sie sich von Freunden und Verwandten geliehen, Mackey war da 25 Jahre alt. Im ersten Stock führten sie ein kleines Restaurant, im zweiten lebten sie. Und weil es im Haus keine Dusche gab, wuschen sie sich, so erzählt Mackey es gern, mit dem Schlauch der Spülmaschine. Das junge Paar tat sich mit zwei anderen zusammen und eröffnete 1980 ein Geschäft unter dem heutigen Namen Whole Foods. Das war schon kein kleines Lädchen mehr, sie operierten auf 1.000 Quadratmetern mit 19 Angestellten. Und es gab nicht nur freudloses Körnerfutter, sondern Fleisch, exquisite Schokoladen, Bier und Wein, ein völliger Bruch mit bis dahin üblichen Öko-Kooperativen, wie „The New Yorker“ richtig schreibt. Dem US-Magazin sagte Mackey, Whole Foods sei sein „Kind“; und er der Daddy seiner Angestellten. Schon 1984 begann Whole Foods über Austin hinaus zu wachsen. Erste Läden öffneten in Houston und Dallas, ein paar Jahre später ging es an der Westküste weiter. Die Unternehmenszentrale steht noch immer in Austin, der Stadt, in der Mackey mit seiner heutigen Frau lebt. Der Chef zahlt sich seit 2006 nur ein symbolisches Gehalt von einem US-Dollar.

Seine Entscheidung begründete er in einem Brief an die Mitarbeiter damit, er habe mehr verdient, als er für seine persönliche Sicherheit oder sein Glück brauche: „Ich bin nun 53 Jahre alt. Ich bin an einem Punkt im Leben angekommen, wo ich nicht länger für Geld arbeiten möchte, sondern nur noch für die Freude an der Arbeit. Und um so dienen zu können, wie ich es in meinem Herzen spüre.“ Außerdem, fuhr er fort, werde Whole Foods nun jedes Jahr 100.000 USDollar für Mitarbeiter in Not zur Verfügung stellen. Den Brief unterschrieb der CEO: „Alles Liebe, John.“ Bereits da galt die Regel, dass im Top-Management von Whole Foods keiner mehr als das 19-Fache eines durchschnittlichen Mitarbeiters verdienen dürfe, Mackey meint seine Sache ernst. Er fliegt Economy, steigt in günstigen Hotels ab und fährt einen Honda-Hybrid. Wirtschaft sei die „größte Kraft für Gutes auf diesem Planeten“, sagte er vor ein paar Jahren. Damals tourte er durch die USA, um seinen Bestseller „Conscious Capitalism“ zu bewerben.

Unternehmen, so argumentierte er, könnten zwar nicht existieren ohne profitabel zu sein, hätten aber doch eine höhere Bestimmung. So hätten etwa Google, Nordstrom, Southwest und Patagonia einen sozialen Mehrwert geschaffen, der sich positiv in der Bilanz niederschlage. „Die wenigsten Menschen finden es inspirierend, nur Profit zu maximieren“ so Mackey. Vor über 30 Jahren verfasste er ein entsprechendes Manifest, es bestimmt bis heute die Leitlinie von Whole Foods. Neben schwarzen Zahlen müsse es um mehr gehen: um das Wohl der Mitarbeiter (bei Whole Foods heißen sie Team-Mitglieder), Kunden, Lieferanten, der Umwelt und der Gemeinde. Er spendet großzügig, seine Aktienoptionen hat er Stiftungen und Tierschutzorganisationen übertragen. Whole Foods hat drei gemeinnützige Stifungen gegründet: „Whole Planet“, „Whole Kids“ und „Whole Cities“. Bei all dem bleibt Mackey überzeugter Kapitalist. Vor Jahrzehnten hat er mal gesagt, Gewerkschaften seien wie Herpes. Er vergaloppiert sich manchmal, legt seine Sätze nicht auf die Goldwaage. Er macht vieles anders als andere Chefs: Vor einigen Jahren nahm er ein fünfmonatiges Sabbatical, um mit Freunden den Appalachian Trail zu wandern, von Georgia bis Maine. Ökonomisch hat er recht republikanische Ansichten. Auch deshalb ist er umstritten. 2009 schrieb er einen Kommentar im „Wall Street Journal“, die Gesundheitsreform Obamacare sei völlig unnötig, später setzte er noch einen drauf und nannte sie „faschistisch“. Liberale liefen Sturm, riefen zum Whole-Foods-Boykott auf. Es gab allerlei Skandale und Klagen. Etwa darum, dass in New Yorker Filialen systematisch zu viel abgewogen, die Kunden also an der Kasse betrogen wurden. Oder dass die Produkte gar nicht so gesund waren wie angepriesen, nämlich doch Zucker enthielten oder krebserregende Stoffe. Die wohl größte Krise kam, als sich herausstellte, dass Mackey acht Jahre lang auf einer Webseite, die sich um die Whole-Foods-Aktie drehte, unter Pseudonym einen Wettbewerber verunglimpft hatte. Gleichzeitig lobte er Whole Foods und sogar sich selbst: „Ich finde, er sieht süß aus“, schrieb er unter falschem Namen. Die Whole-Foods-Aktie fiel nach den peinlichen Enthüllungen. Das Unternehmen kämpft außerdem mit dem Umdenken, das Whole Foods auch bei seinen Wettbewerbern herbeigeführt hat: Denn heute hat fast jeder Bioprodukte im Sortiment, selbst Walmart. Mackeys großer Verdienst: Er hat Ökolebensmittel aus der Nische geholt, wurde attraktiv für den Mainstream. Die Verkaufszahlen von Whole Foods gehen dabei zurück, erst im Herbst 2015 wurden 1.500 Mitarbeiter entlassen. Seit Kurzem gibt es einen Billigableger von Whole Foods: 365. Diese Läden wenden sich an Millennials, an die Zukunft also. Erste Geschäfte haben an der Westküste eröffnet. Ein wirklich guter CEO spürt den Zeitgeist und plant voraus.

IssueGG Magazine 02/17
City/CountryAustin/ U.S.
PhotographyDan Winters Photography, Whole Foods Market®
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