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Symphonie in Grün by Uta Abendroth | 16. Juni 2017 | Personalities

Er wird als Staudengott bezeichnet, als Rockstar der Gartengestaltung, als Größe des Naturalismus: Piet Oudolf ist einer der berühmtesten Gartendesigner der Welt. Er hat einen Teil des Battery Park angelegt und die stillgelegte Bahntrasse High Line in New York; ebenso private und temporäre Gärten, etwa während der Biennale in Venedig. Was Oudolf wie kein Zweiter schafft, ist die Kunst des Pflanzen-Arrangements.

Piet Oudolf komponiert. Mit Prärielilien und Zierlauch, mit Astern, Pfingstrosen und Seidenpflanzen, Indianernessel, Wiesenraute, Pfeifengras, Vergissmeinnicht und Natternkopf. Der Niederländer gilt als der derzeit beste und einflussreichste Gartendesigner der Welt. Wie kein anderer versteht er es, Bäume, Gräser, Hecken, Stauden, Ein- und Mehrjährige zueinander in Beziehung zu setzen, sodass sich durch Muster und Wiederholungen einzigartige Arrangements ergeben: „Ich setze Pflanzen zusammen, die sich miteinander wohlfühlen“, sagt der 73-Jährige. „Das ist vor allem eine Frage der Ästhetik, denn Gärten sind eine Art lebendes Bild.“ Gärtnern als Kunst, dieses Metier haben in der Vergangenheit vor allem die Engländer kultiviert. Dass Piet Oudolf einmal Generationen von Landschaftsarchitekten und Gartendesignern beeinflussen und Besucher mit Grünanlagen in seinen Bann ziehen würde, das hat er selbst wohl am wenigsten geglaubt. In seinen frühen 20ern hatte er alles Mögliche ausprobiert, im Lokal der Eltern gekellnert, als Barkeeper, Stahlarbeiter, Fischhändler und Architekt gearbeitet. Nichts davon fand er wirklich befriedigend. Mit 25 fiel ihm ein Buch der englischen Gartengestalterin Beth Chatto in die Hände. Oudolf reiste in die Grafschaft Essex, sah sich die Gärtnerei der Britin an und entdeckte sein Faible für Pflanzen. Zurück in den Niederlanden eröffnete er 1982 gemeinsam mit seiner Frau Anja eine Gärtnerei in Haarlem und begann mit der Züchtung von Pflanzen, die bis dahin in den Niederlanden nur schwierig oder gar nicht zu haben waren. Später zog die Familie in das Dorf Hummelo und legte rund um ein altes Farmhaus einen Garten an. Das 10.000 Quadratmeter große Areal – öffentlich zugänglich von Mai bis Oktober (bis auf Juli) – ist Experimentierfeld, Schaugarten und Pflanzen-Kinderstube in einem. Und für Oudolf der Ort, an dem er den Grundstein für seinen internationalen Erfolg als innovativer Garten-Trendsetter gelegt hat.

Am Anfang, als ich begann, mich mit dem Thema zu beschäftigen, mochte ich vor allem englische Gärten“, sagt Oudolf. „Durch den Einfluss von Mien Ruys (eigentlich Wilhelmina Jacoba Moussault-Ruys, eine der ersten niederländischen Landschaftsgärtnerinnen – Anm. d. Red.) und Freunden habe ich dann aber mehr und mehr begonnen, dynamischere und natürlichere Gärten zu mögen. Das hat dazu geführt, dass ich bei meinen Entwürfen immer öfter Wildpflanzen und sehr viele verschiedene Gräser verwendet habe, die zuvor nie in Gärten eingesetzt worden waren.“ Für den Mitbegründer der sogenannten Dutch Wave – einer Strömung, bei der es darum geht, die Pflanzen und ihre Ästhetik in den Mittelpunkt zu rücken – gilt nicht mehr die Farbe einer Pflanze als das entscheidende Kriterium, sondern ihre Struktur. Für Oudolf gehören zu einem gelungenen Garten nicht nur Blumen, sondern auch Bäume und Büsche. Und langweilig sollte es nie werden: „Ein guter Garten ist das ganze Jahr über interessant. Es geht um die Komposition einer Landschaft, die über die Kombination von einzelnen Pflanzen hinausgeht. Selbst Pflanzen im Verfall, im Sterben, sind schön, Blumenskelette und Samenstände. Es muss schließlich nicht alles zur gleichen Zeit blühen.“ Mit seiner Kunst, naturnahe Gärten zu kreieren, wurde der Niederländer ab Mitte der Neunzigerjahre weltweit bekannt. Damals kombinierte er im Drömparken im Zentrum der schwedischen Stadt Enköping 200 verschiedenen Staudenarten und -sorten. Betörend ist dabei vor allem das blaue Blütenmeer der Salbeiart Salvia nemorosa, die zwischen Juni und August blüht. Oudolfs Karriere nahm Fahrt auf, Architekten baten um Entwürfe für Gärten, die ihre Bauten einrahmen sollten. Private Kunden, Gartenbesitzer, Kunstgalerien und Museen folgten. Mal sind es kleinere Projekte, mal sehr große – wie die Gestaltung der High Line in New York. Zwischen 2006 und 2014 wurde die stillgelegte Hochbahntrasse in Manhattan zu einem Park umfunktioniert. Auf 2,3 Kilometern Länge und in neun Metern Höhe erstreckt sich die spektakuläre Grünanlage, für deren Gestaltung Oudolf vor allem solche Pflanzenarten aussuchte, die sich zuvor schon ganz allein auf dem verlassenen Hochbahn-Viadukt breitgemacht hatten – nur eben nicht strukturiert und im Wechsel mit Stauden und Gehölzen.

Ohne die detaillierteste Planung wird ein Garten nichts, egal, ob es sich um eine öffentliche oder private Anlage handelt. Es geht um den Wechsel von optischen Bezugspunkten im Beet, um das Spiel mit Größen und Proportionen, um Rhythmus. Darum, dass die Pflanzen zum Klima, den Temperaturen und den Niederschlagsmengen passen. Der Entwurfsprozess ist komplex und zeitaufwendig. Oudolf sitzt dafür im Atelier in seinem Dorf, vor sich die einzelnen Beete auf langen Rollen aus Transparentpapier. Dabei entspricht keineswegs ein Blatt einem Garten. Vielmehr ist auf mehreren durchscheinenden Bögen jeweils der Umriss des gleichen Beetes aufgemalt, doch die Markierungen, runde Kringel in verschiedenen Farben, unterscheiden sich. Auf einem Blatt sind Sträucher und Bäume eingezeichnet, auf einem anderen die Stauden, einem dritten die Gräser, einem weiteren die saisonalen Pflanzen.Übereinandergelegt ergibt sich das finale Schema. Geht es an die Umsetzung, das Pflanzen, werden die Kreise mit Farbe wirklich auf die Erde gesprüht. So kann Oudolf sicher sein, dass die Gärtner seinen Entwurf 1:1 übertragen.Überhaupt hängt von diesen Personen viel ab. Piet Oudolf arbeitet allein – zeitweise an über 15 Projekten gleichzeitig –, macht seine Pläne und gibt dann alles in fremde Hände. Ein Risiko. „Meine Arbeit ist immer nur dann erfolgreich, wenn sich später verantwortungsvolle Menschen um das Ganze kümmern“, sagt er. „Ich muss mir die Bedingungen vor Ort ganz genau anschauen, denn Pflanzen sind empfindlich und können leicht Schaden nehmen. Ich muss mir der Voraussetzungen bewusst sein und nicht nur das Budget beachten, sondern auch an den Unterhalt und die Pflege denken, an die Fertigkeiten derjenigen, die den Garten, nachdem er angelegt ist, in die Zukunft begleiten.“ Piet Oudolf ist ein ruhiger, bedächtiger Mann, kreativ und sehr geduldig. Und wie ein Architekt, der seinen ganz eigenen Stil hat, versucht auch der Niederländer Projekte so zu gestalten, dass sie jedes Mal neu sind und sich besonders anfühlen. Selbst wenn er die gleichen Pflanzensorten wählt, das jeweilige Konzept unterscheidet die einzelnen Gärten voneinander. Stolz ist Oudolf vor allem auf die öffentlichen Gärten wie die High Line, seinen Teil des New Yorker Battery Parks und den Leuvehoofd Park in Rotterdam, weil er damit ein breites Publikum erreicht und ein größeres Feedback bekommt. Es bestätigt ihm, mit seiner Arbeit richtig zu liegen und einen Nerv zu treffen: „Die Menschen haben ein großes Bedürfnis nach Natur. Dass sie meine Arbeit mögen, macht mich sehr zufrieden.“

IssueGG Magazine 03/17
City/CountryNew York/ U.S.
Photography2017 Piet Oudolf
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