Filter View All InterviewPlaygroundPersonalitiesTravelOfficesPrime Properties
Allgemeine GeschäftsbedingungenWiderrufsbelehrungE-MagazineGG AbonnementAboutMediadaten

Weniger ist eben doch mehr by Uta Abendroth | 2. März 2018 | Offices

Minimalistische Verpackungen, keine Werbung, dafür ein hoher visueller Wiedererkennungswert: Das australische Kosmetiklabel Aesop hat mittlerweile über 100 Stores in Städten wie Kuala Lumpur, Kyoto und Köln, Melbourne, Macao und Mailand. Jeder Shop ist einzigartig, gestaltet von angesagten Architektenbüros und Designstudios. Die Idee dahinter? Das vollkommene Eintauchen in die jeweilige Stimmung vor Ort.

Im Aesop Store in Singapur hängen unzählige Kokosschnüre von der Decke. Eigentlich verwenden Mitarbeiter diese dünnen Kordeln, um Geschenke zu verpacken. Satte 30 Kilometer hat das Designstudio March unter der Decke untergebracht – wie eine auf den Kopf gestellte Strohwiese schaut das Ganze aus. Der Effekt ist einzigartig: Jeder noch so kleine Hauch bringt die Schnüre in Bewegung. Im Pariser Le Marais verwandte das Architekturbüro Ciguë 427 in der Aesop-Filiale Stahlschalen; diese verschließen üblicherweise Abwasserrohre in der Kanalisation der französischen Hauptstadt. Geschwärzt oder poliert zieren sie nun die Ladenwände als Konsolen für Pflegeprodukte oder dienen, in einer größeren Ausführung, als Waschbecken. In New York wiederum schuf Architekt Jeremy Barbour in der Nähe der Bowery einen Laden, der ebenso originell wie nachhaltig ist: Alte Ausgaben der „New York Times“ bilden die Wände und den Verkaufstresen – eine Referenz an das geschriebene Wort und andererseits an die speziellen Qualitäten von Recyclingpapier in der Architektur. Die Beschreibung der geistreich-kreativ gestalteten Shops ließe sich endlos fortsetzen, immerhin hat die australische Beautymarke schon weit über 100 Locations in Australien und Asien, Europa und Amerika gestaltet. Um die 40 sollen in Zukunft jährlich dazukommen. Wie bei jedem global agierenden Konzern gibt es einen Wiedererkennungswert, allerdings beschränkt der sich eher auf die Verpackung der Haar- und Körperpflegeprodukte im Apotheken-Look: Flaschen, Pipettenfläschchen und Tiegel aus Glas, wobei der braune Farbton den Inhalt vor Licht schützen soll, sowie minimalistische Tuben in cremigem Weiß, gedecktem Orange, blassem Blau und erdigem Grün. Die schwarz-weißen Etiketten sind grafisch perfekt gestaltet und enthalten Zitate von Marcel Proust – „Die Linien auf unserem Gesicht sind nichts mehr als Gesten, die sich eingeschrieben haben“ –, von Salvador Pániker – „Jung bleibt man nicht dank einem Facelift, sondern dank einem Zustand permanenter Neugierde“ – oder von Joseph Joubert – „Das Genie beginnt die schönen Werke, aber nur die Arbeit vollendet sie“. Die philosophischen Sätze sind eine Art Hommage an den Namensgeber des Labels: den griechischen Dichter Äsop, der vermutlich im 6. Jahrhundert vor Christus gelebt hat.

Das Kosmetiklabel Aesop wurde 1987 von Dennis Paphitis in Melbourne gegründet. Der Nachkomme einer ursprünglich aus Griechenland stammenden Friseur- und Barbierfamilie begann damals in seinem Salon „Armadale“ duftende Öle in die Haarfärbemittel zu mischen, um den strengen Ammoniakgeruch zu mildern. In der Folgezeit begann er mit einer Chemikerin an der Entwicklung einer ganzen Produktfamilie zu arbeiten. Es dauert schon mal vier oder fünf Jahre, bis ein neues Erzeugnis auf den Markt kommt, aber dafür darf es dann auch lange bleiben, das Sortiment wechselt so gut wie nie. Dafür setzen die Stores umso mehr auf Abwechslungsreichtum und einen Faktor, den man Erlebnis-Shopping-Kultur nennen könnte. Aesop tut alles dafür, nicht als seelenlose Kette wahrgenommen zu werden, die sich mit ihrer beliebigen Corporate Identity über den ganzen Globus ausbreitet. Vielmehr ist jeder Store ein kleines architektonisches Juwel, oft genug gestaltet von international gefragten Architekten oder angesagten Designern aus der jeweiligen Stadt, wie etwa Philipp Mainzer in Frankfurt, Snøhetta in Oslo oder CJ Studio in Taipeh. Es versteht sich von selbst, dass die jeweiligen Läden schon kurz nach ihrer Eröffnung in einschlägigen Designmagazinen vorgestellt werden und als Tipp in keinem trendigen City Guide fehlen dürfen. Der Kult um die Läden geht sogar so weit, dass Interessierte sich auf einer eigenen Website – www.taxonomyofdesign.com – ausführlich über die Gestaltungsidee informieren können, über die Designer, die verwendeten Materialien, die Möblierung und jedes noch so kleine Detail. Fragt man die Kreativen selbst, so schwärmen sie, wie etwa Hannah Plumb vom Studio JamesPlumb, die mit ihrem Partner den Shop im Londoner Stadtteil Bloomsbury entwarf: „Wir haben in der Zusammenarbeit mit Aesop die Erfahrung gemacht, dass ein Briefing kurz, klar und präzise sein kann, dass es uns als Designern aber einen großen Freiraum zugesteht und erlaubt, unsere vielleicht experimentellsten und aufregendsten Ideen auszuleben.“ So ist der Clou in der Lamb’s Conduit Street, dass Wasser durch die Regale an der Wand fließt. „Die haben nicht mit der Wimper gezuckt, als wir das vorgeschlagen haben“, so Hannah Plumb, „dabei war das schon ein kühner Einfall.“

Den Mittelpunkt jedes Aesop Stores bildet ein Waschbecken. Das kann aus den unterschiedlichsten Materialien sein: In Brisbane ist es aus Fiberglas, in Genf aus Kupfer, in München aus Beton und Marmor, in Portland steht ein Vintage-Modell aus Eisen und Porzellan. In Kombination mit den charakteristischen Düften ätherischer Öle ist es das Wiedererkennungsmerkmal der Marke. An dieser zentralen Anlaufstelle werden nicht nur Hände gewaschen, sondern Aesop-Mitarbeiter machen den Kunden hier durch Waschen, Ölen und Cremen die Produkte zugänglich, die sich zum Teil aus pflanzlichen, zum Teil aus in eigenen Labors gewonnenen Inhaltsstoffen zusammensetzen (auf Zusätze wie Parabene, Silikone oder Farbstoffe wird allerdings verzichtet). Die uniformen Tiegel, Flaschen und Tuben, die sich in ebenfalls stets eigens designten Regalen fein säuberlich aneinanderreihen, wirken wie ein Teil der Inszenierung – dabei sind sie das eigentliche Produkt. Kate Forbes, Chefentwicklerin bei Aesop in Melbourne, beschreibt die Philosophie der Marke, die den Markt in den letzten dreißig Jahren ganz schön aufgemischt hat, mit den drei Begriffen Einfachheit, Integrität und Authentizität. Wenn es einen gemeinsamen Nenner gebe, so sei das der Hang zum Minimalismus. Für die Produkte bedeutet das, schwere Düfte sind ein No-Go. Vielmehr dreht sich alles um natürliche Aromen wie aus Omas Kräutergarten: Nelken, Anis, Salbei, Petersilie, dazu Geranien, Grapefruit, Zitronen, Mandarinen oder Sesam. Die Shops sind bewusst unaufdringlich und ohne jeden Schnickschnack ausgestattet, es dominieren klare Linien und sanfte, natürliche Farben gepaart mit typischem Lokalkolorit. Ein schönes Beispiel dafür ist der Store am Frankfurter Kaiserplatz. Philipp Mainzer hat dort hinterleuchtete Regale in Dunkelgrün installiert, zu deren Farbe, sagt er, ihn der deutsche Wald inspiriert hat. Gepaart mit mattgrauen Keramikfliesen, die die Optik des traditionellen hessischen Steinkrugs aufnehmen, sowie Drahtglas, typisch in der Frankfurter Architektur der Moderne, hätte dieses Designkonzept nirgendwo sonst funktioniert. Unternehmensgründer Dennis Paphitis hat das Erlebnis Aesop Store einmal so erklärt: „Ich vergleiche die unterschiedlichen Läden gern mit den alten Bettelarmbändern. Da ist ein Band, und daran hängen individuelle Stücke.“

IssueGG Magazine 02/18
City/CountrySingapore
Photography