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Kelly Rutherford – Die sanfte Matriarchin by Michaela Cordes | 1. September 2011 | Personalities

Elegant, bildschön und immer kontrolliert. In der erfolgreichen Serie „Gossip Girl“ spielt Kelly Rutherford die moderne Version einer starken Frau. Die gebürtige Kalifornierin über ihr neues Leben an der Upper East Side und was sie von ihrem TV-Charakter für ihre Lieblingsrolle lernte – als Mutter von Hermes (5) und Helena (2).

Begegnet man Kelly Rutherford im wahren Leben, muss man genauer hinschauen. Ist sie das wirklich? Die stets perfekt gestylte, etwas unterkühlt wirkende Matriarchin aus der Erfolgsserie „Gossip Girl“, dem „Sex & the City“-Hit für Teenager? Tatsächlich sieht die gebürtige Kalifornierin und Tochter eines Models für Bill Bass und eines Immobilen-Unternehmers mindestens zehn Jahre jünger aus! Ungeschminkt, fröhlich und herrlich unprätentiös erscheint die Schauspielerin zum Fotoshooting im „The Surrey Hotel“. Einer ihrer Lieblingsspots an der Upper East Side in Manhattan, dem neuen Zuhause der zweifachen Mutter, die extra für die Serie von Los Angeles nach New York umsiedelte. „Das war ein großer Schritt für uns drei, den ich mir sehr genau überlegen musste. Heute bin ich heilfroh. New York ist eine großartige Stadt für Kinder. In LA ist man auf ein Auto angewiesen, hier klappe ich einfach die Karre auf und rolle mit meinen Kindern los. Das ist wesentlich praktischer und ich fühle mich viel verbundener mit meinen Kindern. Die vielen Angebote dieser bunten Stadt, die unterschiedlichsten Eindrücke vom Leben – ich hoffe, allein durch unseren Alltag werden sie beide einen größeren Horizont bekommen.“

Nannys und Babysitter – ein essenzielles Accessoire besonders an der Upper East Side – hat Kelly Rutherford gemieden, bis ihr Sohn zwei Jahre alt war. „Als ich für die Rolle in ‚Gossip Girl‘ vorsprach, habe ich meine Freundin Francine angerufen und sie gebeten mitzukommen, um auf meinen sechs Monate alten Sohn aufzupassen. Bis Helena kam, wollte ich absolut keine Hilfe.“

„Ich habe so viel Spaß mit Hermes und Helena. Da verblasst so manche Partyeinladung …“   Kelly Rutherford

Wenn man Kelly Rutherford zuhört, fällt es zunächst schwer, Parallelen zwischen ihrer verwöhnten Film- und der wahren, sehr bodenständigen Persönlichkeit zu finden. Und doch: Mit derselben Eleganz, mit der sie als Lily van der Woodsen die Missgriffe ihrer TV-Tochter Blake Lively handelt, erwähnt Kelly im Laufe des Interviews mit keinem Wort den Scheidungskampf mit ihrem deutschen Ex-Ehemann, der sie bis heute begleitet. Als sie sich vor zwei Jahren, hochschwanger mit ihrer Tochter, trennte, antwortete der Vater der Kinder mit Gerichtsprozessen. Statt die Schlagzeilen zu kommentieren, bittet Kelly um Verständnis, ihn nicht erwähnen zu wollen, und schwärmt von den schönen Zeiten, als sie während ihrer zweijährigen Ehe Deutschland besuchte und sogar zeitweise in Hamburg wohnte. „Ich habe selten so gut angezogene Frauen gesehen. Eine wunderschöne Stadt, die Alster, die hübschen Häuser! Mir gefiel auch Sylt, die Hamptons der Deutschen.“ Vielleicht auch die geordneten, hohen traditionellen Werte der Hansestadt – wieviel Lily van der Woodsen steckt tatsächlich in dem California Girl? „In mir schlummert sicher eine Mischung aus beiden Welten. Einerseits liebe ich die Spiritualität der Angelenos, die Natur, das dynamische grüne Denken – ich habe schon vor Jahren begonnen, biologisch abbaubare Reinigungsmittel zu benutzen und bin in LA einen ‚Prius‘ gefahren. Andererseits habe ich eine große Sehnsucht nach den alten und guten Werten wie Manieren, Zuverlässigkeit und Integrität, die in unserer heutigen Zeit schnell verloren gehen und die für ein Zusammenleben in einer verantwortungsvollen Gesellschaft so wichtig sind.“

Genau diese Rolle – die Bewahrerin der guten alten Welt – ist ihr Auftrag in „Gossip Girl“. In der ursprünglich sehr männlich dominierten Upper East Side von Manhattan spielt Rutherford eine Frau, die nicht nur ihren Kindern ein strenges Vorbild ist, sondern außerdem die Geschicke einer mächtigen Familie leitet. Die auch mal stolpert, wenn auch höchst elegant. „Das macht die Serie wahrscheinlich gerade so menschlich und sympathisch. Wer von uns ist schon ohne Fehler? Ich kann beruflich sehr stark sein, aber im Privaten bin ich doch eher ein Softie. Von meiner Natur her würde ich meine Kinder  höflich fragen, ob sie jetzt eventuell baden möchten. Statt zu sagen: Ab in die Wanne, jetzt wird gebadet!“

„Starke Frau? Beruflich bin ich sehr fokussiert. Aber privat kann ich ein ganz schöner Softie sein.“ Kelly Rutherford

Ist ihre Rolle als mächtige Matriarchin vielleicht auch ein kleiner Wink der Produzenten, dass sich die Gesellschaft Amerikas verändert und immer mehr Frauen in Positionen rücken, in denen früher nur Männer denkbar waren? Sogar die traditionelle „New York Times“ wird erstmals in ihrer Geschichte von einer Frau geleitet, folgt nun auch die Entzauberung der erzkonservativen Upper East Side? Denn – mit Verlaub – ihr TV-Ehemann (gespielt von Matthew Settle) wirkt sogar auf Teenager eher wie ein nettes Accessoire, aber seltsam schwach neben ihr. „Oh nein“, lacht Kelly und man merkt, dass ihr die Frage zunächst ein wenig unangenehm ist. „Ich hoffe, ich wirke nicht wie eine knallharte Feministin! Es ist meine absolute Überzeugung, dass die beste Kombination von allen eine starke Frau mit einem starken Mann ist! Wir können nun einmal nicht ohne einander. In ‚Gossip Girl‘ arbeite ich mit jungen Autoren. Und habe die Wahl, die Person als Opfer erscheinen zu lassen oder als Kämpferin. Für mich war sehr früh klar, dass ich diese Frau stark erscheinen lassen möchte. Was ironisch ist, da meine Rolle anfangs sehr im Kontrast zu meinem Leben nach Drehschluss stand. Über die Zeit – und das ist rückblickend erstaunlich – habe ich durch meine Rolle der starken Lily van der Woodsen viel Kraft für mein Leben und für mein Dasein hinter der Kamera als allein erziehende Mutter von zwei kleinen Kindern gewonnen.“

„In mir lebt beides. Das lässige California Girl und die Old School Traditionen der Upper East Side.“ Kelly Rutherford

Die größte Übereinstimmung finden beide Frauen in ihrer absoluten Priorität: Die Kinder kommen immer an erster Stelle. Sogar die Schwangerschaft mit der heute 2-jährigen Helena, für viele Produzenten oft ein Desaster, war für die „Gossip Girl“-Macher kein Problem und sie unterstützten die Schauspielerin gern auch in anderen Umständen: Mithilfe von großen Birkin-Bags kaschierte Kelly ihren wachsenden Babybauch. „Vielleicht bin ich durch meine Kinder für meine Co-Stars noch viel glaubwürdiger geworden, weil sie mich mit meinen Kindern am Set als echte Mutter erleben“, sagt Kelly, setzt ihre Tochter in die Karre und nimmt ihren Sohn an die Hand, um nach Hause zu gehen. „Kein Job hat mich bisher so glücklich gemacht, wie das Erlebnis Kinder zu bekommen. Ich habe so viel Spaß mit den beiden, dass ich Einladungen auch gern mal sausen lasse. Alberne Kung-Fu-Panda-Kissenschlachten in meinem Bett oder vorlesen, bis beide eingeschlafen sind – das sind Momente, die ich später erinnern werde und die mich weitaus zufriedener machen als so mancher Smalltalk auf einer weiteren Cocktail-Party.“

IssueGG Magazine 04/11
City/CountryNew York/ U.S.
PhotographyMark Seelen