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Das Haus mit dem Namen 101 by Glenn O'Brien | 14. März 2015 | Prime Properties

Glamourös wie die Menschen, die es bewohnten, zeitlos entworfen von einem der berühmtesten Architekten der USA. Glenn O’Brien über das einzige Townhouse in Manhattan mit einem Spitznamen, das dem US-Designer Halston gehörte, der es mit seinen Partys in eine Legende verwandelte. Und in das schließlich Gunter Sachs einzog.

Im 19. Jahrhundert gab es in New York City jede Menge private Wohnhäuser, und über das Leben, das in ihnen herrschte, berichteten die Romane und Erzählungen von Edith Wharton. Doch als sich das 20. Jahrhundert seinem Ende zuneigte, waren solche privaten Domizile nur noch versprengt zu finden: Die typischen New Yorker „Brownstones“ – diese in Reihe gebauten Stadthäuser –, aber auch die großen Herrenhäuser der Upper East Side waren in Apartments aufgeteilt worden.

Gunter Sachs sagte, dass das Konzept hinter 101 stets absolute Avantgarde gewesen sei – und immer bleiben werde.

In den frühen Siebzigern bekam ich einen Einblick in den Wohnstil der Elite vergangener Zeiten, als ein Freund von mir, damals Student an der Rockefeller Universität, die Gastfreundschaft von Bobo Rockefeller genoss. Sie lebte zu der Zeit in einem palastähnlichen Domizil von 930 Quadratmetern und mit 5,80 Meter hohen Decken in der 13 East 67th Street; ein Swimmingpool und ein Squash-Court gehörten auch dazu. Heute besitzt dieses Stadthaus der Künstler Jeff Koons. Schon damals wirkte solch ein Heim wie ein Anachronismus, wie auferstanden aus Edith Whartons Roman „Das Haus der Freude“. Historische Privathäuser in Manhattan galten als außergewöhnlicher Luxus. Und auch von Neubauten war praktisch nichts zu hören, aber es gab sie. 1974 kaufte Amerikas prominentester Modeschöpfer Halston ein außergewöhnliches Stadthaus, das der Architekt Paul Rudolph 1966 für den Anwalt für Liegenschaftsrecht Alexander Hirsch und seinen Partner Lewis Turner entworfen hatte. Und dieser Entwurf war so ungewöhnlich für Manhattan, dass es wirkte, als sei das Gebäude da eingeschwebt und nicht einfach gebaut worden.

Damals war ich ein Mitglied von Andy Warhols umfangreichem Hofstaat und besuchte Partys in dem großen, aber geradlinig wirkenden Haus, das sowohl den visionären Modernismus des Architekten Rudolph als auch den klassizistischen Minimalismus des Designers Halston widerspiegelte. Gelegen in der 101 East 63rd Street stellte es einen mutigen Kontrapunkt in einem Block historischer Stadthäuser dar. Es wirkte eher wie eine Bauhaus-Skulptur als wie ein Herrenhaus, eine Komposition aus braunen Glasrechtecken, eingefasst von schwarzen I-Trägern aus Stahl – ein Mondrian in gedämpftesten Schattierungen.

Paul Rudolph schwärmte, dass sich trotz der einfachen Materialien allein wegen der Großzügigkeit ein Gefühl von Luxus einstellen würde.

Nach dem Eintreten passierte man eine Galerie, dann ging es über stufenförmig angelegte Plattformen hinunter zum riesigen, abgesenkten Wohnbereich mit dreifacher Deckenhöhe. Halston hatte diesen Raum als die perfekt-modernistische Party-Location gestaltet, er war elegant möbliert, passend für den freizügigen Lebensstil, von dem man annahm, dass ihn der Jetset pflegte: dunkelgrauer Teppichboden und mit Mikrofaser bezogene Sofas – die weißen Wände und die Schattierungen von Anthrazit brachten die lebhaften Andy-Warhol-Farben der Porträts von Halston und Liza Minnelli zum Leuchten. Es war ein Platz zum Relaxen, um sich in Szene zu setzen, zum Tanzen und Posieren. Es war von einem ultimativ eleganten und clubartigen Chic, so als sei das Studio 54 für die erlesenste Auswahl von VIPs neu gestaltet worden. Die komplette Wand zum Norden hin bestand aus Glas und bot einen Ausblick auf den Gewächshausgarten im japanischen Stil. Ursprünglich war er mit tropischen Gewächsen bepflanzt worden, die wie eine Fortsetzung der Palmen im Innenraum wirkten. Später wurden diese Tropenpflanzen durch ein Bambusdickicht ersetzt.

Halston behauptete, dass man als Erstes alles ändern wolle, wenn man in so ein Haus zieht. Aber das Haus sei wie ein Kunstwerk und am Ende ließe man alles, wie es ist.

Eine einigermaßen schwindelerregende Treppe, die ohne Geländer an der Wand emporlief, führte zu den oberen Geschossen, während ein kleineres Set von vertikalen Stufen zu einem Arrangement von Bücherborden und der Tür zum hinteren Garten aufstieg. Eine andere elektrisierende Besonderheit stellte ein Laufsteg im oberen Bereich des Wohnraums dar: Auf Höhe des zweiten Geschosses führte er zu einem hinteren Schlafzimmer, und ihn zu begehen, verursachte wohl bei allen bis auf die Unerschrockensten Schwindelgefühle. Ein Foto von Bob Colacello zeigt die furchtlosen Models Sterling St. Jacques und Pat Cleveland mit Bunny-Masken und -Ohren, wie sie dort wagemutig entlangtänzeln. Die ursprünglichen Bewohner des Hauses waren, wie auch Halston und der Architekt, bekennende Junggesellen, und die risikoträchtige Gestaltung schien zu sagen: „Nur für Erwachsene!“ In späteren Jahren wurden beiderseits der Gangway Glasplatten angebracht, um den Zugang zum hinteren Schlafzimmer weniger abschreckend zu gestalten. Von einem den Wohnbereich überblickenden Mezzanin ging es durch einen Flur entlang an Wandschränken zu Halstons privater ­Suite mit Decken in doppelter Geschosshöhe. Dieses minimalistisch gestaltete Reich wurde dominiert von einem Kingsize-Bett mit Mikrofaserdraperien vor einem großen Spiegel – die sonstige Dekoration beschränkte sich auf gestapelte Bücher und Blumen. Im Jahr 1990, kurz vor seinem Tod, verkaufte Halston sein 101 – so benannt nach der Hausnummer – an die Industriellen Gunter Sachs und Gianni Agnelli. Später übernahm Sachs Agnellis Anteil und nutzte das Haus häufig als Fotostudio. Im Wesentlichen beließ er es, wie es war, allerdings entfernte er den dunklen Teppichboden und legte den Boden aus polierter Eiche frei. Und während Halston gegenüber dem Bett des Hausherren einen riesigen Spiegel hatte anbringen lassen, ersetzte Sachs ihn durch ein Warhol-Porträt von Brigitte Bardot, dem ultimativen Sex-Idol der Sechziger und Sachs’ zweiter Ehefrau.

Ich hatte das Glück, noch zwei weitere Häuser von Paul Rudolph in New York besuchen zu können: das Stadthaus von Paul Rudolph und Ernst Wagner in der 246 East 58th Street, entworfen und erbaut von 1989 bis 1994, das heute die Paul-Rudolph-Stiftung beherbergt; und das Stadthaus am Beekman Place 23, das aus vier Apartments besteht, darunter Rudolphs eigenes Penthouse. Auch wenn keine dieser Immobilien an die Maßstäbe des Hauses 101 heranreichen, demonstrieren sie doch Rudolphs Meisterschaft, urbanen Lebensraum zu schaffen, besonders seinen Einsatz von natürlichem Licht und natürlicher Belüftung. Rudolph wird wegen seiner dramatischen Betongebäude oft als Brutalist bezeichnet, doch sein frühes Schaffen in Florida, wo er Domizile und öffentliche Gebäude entwarf, hat dazu geführt, dass ihn Kritiker als Wegbereiter der „grünen Architektur“ preisen. 

Rolf Sachs erinnert sich, dass das 101 für seinen Vater ein besonderes architektonisches Juwel war.

In der 57th Street und am Beekman Place flutet Licht und Luft durch die Räume, bringen das Draußen nach drinnen. Ausgiebiger Einsatz von Glas und Plexiglas, selbst für Böden, schafft eine ausgedehnte Weiträumigkeit, die Partys einen zusätzlichen Reiz verleiht. Das „101“ bietet auf der Vorder- und Rückseite Fenster für natürliche Belüftung, ist rückwärtig ganz aus Glas und bewahrt doch vollständig die Privatsphäre. Auch wenn Rudolph das Haus sieben oder acht Jahre vor Halstons Einzug entworfen hatte, trug es in seinem zweiten Leben doch ganz den Stempel von Halstons Persönlichkeit – schließlich hatte er Rudolph engagiert, um es, nun ja, stärker zu halstonisieren.
Rudolphs Handvoll von urbanen Stadthäusern leiten den Dialog mit der Umwelt, ein Leitmotiv seiner ganzen Karriere, in einen urbanen Kontext über – ganz so wie seine berühmte Milam-Residenz in Jacksonville, Florida, oder die vielen Domizile, die er in der Gegend von Sarasota schuf, ihre tropisch-maritime Umgebung auf den Punkt brachten. Ob er nun für sonnige Strände oder die Canyons von Manhattan entwarf: Rudolph stellte die Harmonie zwischen einem Domizil und seinem Standort her, ohne die Integrität des Bauwerks anzutasten; er maximierte natürliches Licht und Luft, ohne die Privatsphäre einzuschränken oder die Flexibilität zu vermindern. Als wahrer Vertreter der Moderne und zeitgenössischer Architekt verstand Rudolph den Vorrang von Form vor Formalismus und die Bedeutung, einem freien und unbeschwerten Leben einen anpassungsfähigen Raum zu geben. Rudolph nahm den Lebensstil der Zukunft voraus – den Mix von Arbeit und Spielerischem, das Multitasking, das Verschmelzen von Tag und Nacht; es ging ihm um das Schaffen von Räumen für das Improvisierte, das Unerwartete und für den kreativen Funken. Er wusste: Manche Gebäude inspirieren zu Freiheit, zu Kühnheit – und möglicherweise sogar zu einem gewissen Hang zu Partys. GOB

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IssueGG Magazine 02/15
City/CountryNew York/ U.S.
PhotographyMark Seelen
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