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Ganz große Holzklasse! by Henning Kober | 7. Juni 2019 | Offices

Das Hotel Bretterbude in Heiligenhafen vor Fehmarn ist frei von allem Ballast und bezahlbar für junge Leute. Es liegt direkt neben einem magischen Ort am Meer: einer Halbinsel, die den wilden Vögeln gehört. Für das Haus verantwortlich ist Jens Sroka, ein Pionier, der mit dem „Beach Motel“ in Sankt Peter-Ording bekannt wurde und dabei ist, die Hotellerie an beiden deutschen Küsten zu erneuern.

Mein Ziel ist die Deutsche Ostsee – es beginnt eine kleine Europareise. Früh am Morgen steige ich in Berlin in den tschechischen Intercity, in Hamburg geht es weiter mit dem dänischen Zug nach Kopenhagen. Draußen zieht Lübeck vorüber, wenig später blitzt zum ersten Mal die graublaue See auf. Nach einer guten Stunde ist Oldenburg in Holstein erreicht. Dann ist es nur noch eine kurze Busfahrt bis Heiligenhafen. Nicht Heiligendamm, nicht Sylt, nicht Timmendorfer Strand oder sonst ein wohlklingender Name, sondern Heiligenhafen vor Fehmarn – eine Entdeckung. Vorbei an Backsteinhäusern laufe ich in Richtung Meer. Über eine schmale Passage führt die Straße auf zwei vorgelagerte Landzungen hinaus. Der Yachthafen klimpert, geradeaus geht es zur Seebrücke. Rechts stehen dreistöckige Häuser in verschiedenen Holztönen – bei genauer Betrachtung ergeben sie eine große Einheit.

Das Hotel „Bretterbude“ erinnert an die US-amerikanische Ostküste, an Maine, an Montauk oder an Martha’s Vineyard. Auch französische Skistationen fallen mir ein. Das Versprechen des im Spätsommer 2016 eröffneten Hauses ist schlicht und bestechend: gutes Design, direkt am Meer, günstige Preise. An der Rezeption im Untergeschoss wird geduzt, die Formalitäten sind rasch erledigt. Mir wird eine klein gefaltete Karte überreicht, darauf ist alles Wichtige eingezeichnet und aufgelistet. In einer Ecke in der Lobby skaten zwei Kinder, die Wände sind unverputzt, auf einer Leinwand läuft eine Szene aus dem Film „Avatar“. Große Ledersofas laden ein, es sich bequem zu machen, im Regal warten hochwertige Coffee-Table-Bücher.

„Ich wollte ein junges Publikum ansprechen“, sagt Jens Sroka später im „Strandschuppen“, dem Hotelrestaurant. Der 43-jährige Unternehmer kommt aus einer Hoteliersfamilie; er hatte schon mit seinem vor gut fünf Jahren eröffneten „Beach Motel“ in Sankt Peter-Ording großen Erfolg.

Nun also die Ostsee, das Potenzial von Heiligenhafen hat er früh erkannt. Die Vergabe des Grundstücks in bester Lage – gegenüber der 2012 neu erbauten Seebrücke – war in der Lokalpolitik umstritten, aber Sroka konnte sich durchsetzen und bauen: So entstanden die „Bretterbude“ und gleich nebenan eine Variante seines bewährten „Beach Motels“. Rund 50 Millionen Euro hat er in beide Projekte investiert. „Jedes meiner Hotels beginnt mit einer Idee und mit einem Namen, daraus entwickelt sich ein roter Faden“, sagt er. Die „Bretterbude“ sollte ein Haus für Kitesurfer, für Skater und für Individualisten werden. Für die ganz Mobilen gibt es ein Dutzend Bulli-Stellplätze mit Duschen und einem Neoprentrockenraum in einem Extragebäude.

Das Hotel ist übereck gebaut, es hat 180 Betten verteilt auf 81 Zimmer. Die nennen sie hier Butzen, klug und schlicht sind sie eingerichtet. Es gibt drei verschiedene Größen, hinzu kommen geräumige Suiten. Los geht es bei einer Fläche von knapp dreizehn Quadratmetern – inklusive Bad. Das Bett schließt direkt ans große Fenster an, aber von dort hat man einen Logenblick auf die Ostsee. Buchbar ab 39 Euro, im Sommer ab 89 Euro. „Bei unserer Sprache – die Gäste etwa nennen wir Halunken – könnte man denken, wir sprechen sehr kantige Leute an.“ Tatsächlich kommen auch viele ältere Gäste. „Wenn ein 70-Jähriger kein Problem hat damit, dass wir ihn duzen und unsere Mitarbeiter Knechte heißen, ist das für uns total in Ordnung“, sagt Sroka und lacht. „Am Wochenende stehen hier teure Autos. Die Gäste wollen das Image, die haben Lust, sich mit einer Welt zu umgeben, die wir ihnen bieten.“

In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sich für viele das Reisen verändert, an die Stelle eines großen Sommerurlaubs sind mehrere kürzere Auszeiten getreten. Damit haben sich auch die Gewohnheiten gewandelt, sagt er. „Wir merken, für den Gast ist es nicht mehr entscheidend, wie viele Sterne ein Hotel hat, sondern welchen Lifestyle er dort erlebt.“ In der „Bretterbude“ hat er die tägliche Zimmerreinigung abgeschafft – zu teuer. Wer sie möchte, bezahlt extra oder fegt selbst mit Utensilien, die auf jeder Etage zu finden sind. Das klappt. Das Selbstbedienungsrestaurant dagegen ist gescheitert und Geschichte. „Die Leute wollen im Urlaub nicht Schlange stehen.“ Sauna und Dampfbad kosten extra, auch Massagen werden gegen Gebühr angeboten. Kinder und Gruppen sind im Haus willkommen, ebenso Hunde.

Gleich im ersten Betriebsjahr wurde die „Bretterbude“ zum Hotel des Jahres gewählt: vom Hotelforum in München, einer hochkarätigen Fachkonferenz, die jährlich am Rande der Expo Real stattfindet, Europas größter Immobilienmesse. „An dem Abend, als wir gewonnen haben, war das lustig: Da haben alle erst mal gegoogelt – wo liegt denn Heiligenhafen?“

„Ich war auf Helgoland, sah die Hummerbuden und wusste, so soll mein neues Hotel aussehen.“ Jens Sroka

Am Nachmittag spaziere ich an der Ostsee entlang. Am Ende der Seepromenade führt ein Weg auf den Graswarder hinaus, eine lang gezogene Halbinsel. Bald eine Schranke, Durchfahrt verboten, Naturschutzgebiet. Das Land wird schmal, keine hundert Meter breit, rechts Wiesen, dahinter Wasser und der Fischereihafen. In der Ferne spannt sich weit die Fehmarnsundbrücke. Am Ende des Wegs wartet eine weitere Schranke, die im Sommer, verbunden mit einer Führung, passiert werden darf. 230 Hektar umfasst das riesige Gebiet. Graugänse fliegen in großer Gruppe. Austernfischer, Bachstelzen und Feldlerchen leben hier und brüten auf den Salzwiesen.

Sroka selbst kommt nur einen Tag pro Woche aus Hamburg, wo er lebt, nach Heiligenhafen. Er vertraut seinen beiden Direktoren. Und er verfolgt weitere Ideen. In Zukunft vielleicht sogar in den Bergen. Außerdem sondiert er ein Projekt in Hamburg, nah am Hauptbahnhof. Im April hat er an der Nordsee in Wilhelmshaven das Boutique- Hotel „Fliegerdeich“ eröffnet, mit nur 13 Zimmern. Im nächsten Jahr soll hier das Haus „Friesland“ folgen, mit über 80 Zimmern und Suiten. Erst einmal eröffnet er im August in Büsum ein Vier-Sterne- Haus mit 500 Betten, das „Lighthouse Hotel & Spa“ heißen soll. Das alles bündelt Sroka heute unter der Dachmarke „Heimathafen Hotels“. Mit dem Start in Büsum wird er über 500 Mitarbeiter beschäftigen.

Einen neuen Ort zu entdecken und den roten Faden zu finden, die richtige Mischung auszuknobeln und die Details festzulegen, das alles bereitet ihm deutlich Vergnügen. Der zentrale Einfall für die „Bretterbude“ kam ihm beim Zelten, erzählt er. „Ich war auf Helgoland, und als ich dort die Hummerbuden sah, hab ich meinem Architekten Fotos gegeben: Ich wusste, so soll mein neues Hotel aussehen.“

IssueGG Magazine 03/19
City/CountryHeiligenhafen, Germany
PhotographyAndrea Flak
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