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La vie en Rosé by Michaela Cordes | 2. September 2022 | Personalities

Auswandern und noch einmal ganz neu beginnen – elf Jahre lang träumten Jeany und Stephen Cronk, die mit ihren drei Kindern in London lebten, von einer romantischen Zukunft als Weinbauern in der Provence. Bis zu einem heiteren Abend, an dem ein Freund sie herausforderte – der Startschuss für das erfolgreiche Rosé-Wein-Label Maison Mirabeau.

Am dramatisch gefärbten Abendhimmel geht die Sonne unter und taucht die „Domaine Mirabeau“ und alles drum herum in ein fast unwirkliches, aber passendes, rosarotes Licht. Das laute Singen der Zikaden wird nur vom leisen „Plopp“ eines Weinkorkens unterbrochen. Stephen Cronk und seine Frau Jeany haben zum Sundowner auf ihre Terrasse gebeten.

„Je länger wir hier lebten, desto mehr wollten wir es schaffen, um bleiben zu können.“ JEANY CRONK

Nur 45 Minuten entfernt von Saint-Tropez, im Herzen der schönen Provence, umgeben von vielen weltberühmten Rosé-Herstellern, mischt eine neue Marke mit deutsch-englischen Wurzeln nicht nur die etablierte, traditionelle Weinszene auf. Mittlerweile vertreibt das sympathische Ehepaar – Jeany Cronk, geboren am Tegernsee, und Stephen, ihr englischer Mann – mit seinem Label Maison Mirabeau sieben verschiedene Rosé-Sorten und exportiert seine gefragte Ware in über 50 Länder. Vor zwölf Jahren schien diese Realität noch ein fast unerreichbarer Traum. Damals lebte die Familie Cronk noch in London. Jeany kümmerte sich nach einer Karriere in der Marketingabteilung bei Energis um die drei kleinen Kinder, ihr Mann Stephen arbeitete für eine Telekommunikationsgesellschaft und musste für den Job lange Reisen in Kauf nehmen. Aber das Herz des Weinliebhabers schlug schon damals für einen Lebenstraum, der in weiter Ferne schien: als erfolgreicher Winzer in der Provence zu leben.

Erst ein Abend unter Freunden brachte den Stein ins Rollen. Ein amerikanischer Freund, der in der Schweiz lebt, war zu Besuch und gab den entscheidenden Anstoß, erzählt Stephen: „Wir hatten uns damals viele Jahre nicht gesehen. An diesem Abend fing ich – wie immer – nach ein paar Gläsern Rosé an zu fantasieren und erklärte lautstark: ,Eines Tages werden Jeany und ich in der Provence leben und unseren eigenen Rosé-Wein machen.‘“ Der Freund, der dieses Statement schon seit Jahren kannte, ließ an diesem Abend nicht locker. „Wann?“, fragte er. „Schreib es auf.“ Und so malte Stephen Cronk, nicht mehr ganz nüchtern, das Datum „Mai 2006“ an die Küchentafel. „Ich machte einen Kringel um das Datum und erklärte selbstbewusst: ‚Genau zu dem Zeitpunkt werden wir dort leben!‘“ Brillant, sagte der Freund und dokumentierte den Moment, indem er ein Foto von dem Datum an der Tafel machte. Das war 2004.

Im Mai 2006 schickte derselbe Freund das Foto an Stephen per SMS und fragte: „Wo lebst du?“ „Natürlich wohnten wir zu dem Zeitpunkt immer noch in London, und nichts hatte sich seit dem Besuch unseres Freundes verändert. Ich schämte mich. Aber genau dieses Gefühl gab uns den Anstoß, den wir brauchten. Mir wurde klar: Ich rede seit Jahren, ohne aktiv zu werden“, berichtet Stephen mit Blick auf seinen Weinberg, in dem die Cronks heute die Trauben für ihre eigene Hausmarke „La Réserve“ regenerativ an- bauen – aber dazu später mehr (siehe Inter- view Seite 46).

Von der eigenen Scham zur Aktion getrieben, erkannte das Ehepaar Cronk: Viel Zeit bleibt uns nicht. „Unser jüngster Sohn war gerade geboren, die beiden Großen waren sie- ben und acht Jahre alt“, erinnert sich Jeany. „Wegen des englischen Schulsystems hatten wir nur ein kleines Zeitfenster, das uns nicht mehr als zwei Jahre gewährte, die richtige Schule und damit den richtigen Ort für unser neues Leben zu finden.“ Stephen aktivierte alte Kontakte aus dem Wein-Business, die er schon als junger Mann geknüpft hatte, als er sich bereits einmal in dem Metier versucht hatte. „Ich hatte in meinen 20ern in London als Weinhändler gearbeitet, mit einem Lieferwagen hatte ich Weine an Restaurants geliefert, aber dann schon nach nicht allzu langer Zeit wieder aufgegeben, weil das Geschäft sich damals nicht wirklich rentierte.“

Jetzt erwiesen sich diese Kontakte als extrem hilfreich, so Stephen: „Einer meiner wichtigsten Ratgeber wurde Matthew Stubbs, der auch als ,Master of Wine‘ bezeichnet wird. Er erklärte uns: Das Weingeschäft teilt sich in drei Vs auf. 1. Viticulture: den Anbau des Weins, 2. Vinification: die Herstellung und 3. Vendre: den Verkauf. Matthew erläuterte mir, es gäbe eine Besessenheit in dem Geschäft, die gesamte Lieferkette zu besitzen und zu kontrollieren. Aber, so erklärte er uns, Weinbauern gibt es in der Provence genug. Ihr solltet euch nur auf die Assemblage (also Zusammenstellung) und den Verkauf konzentrieren und eine starke Marke aufbauen.“ Für das Power-Couple war diese Ansage wie maßgeschneidert. Jeany, die mit ihren Eltern viel nach Cannes gereist war und daher et- was Französisch sprach, übernahm das Marketing, Stephen ist bis heute für den Verkauf verantwortlich.

„Wie wertvoll der Rat war, uns auf diese Bereiche zu fokussieren, lernten wir erst im Laufe der Jahre. Wir kennen mittlerweile zu viele, oft sehr traurige Geschichten von hoch motivierten Einsteigern, die aufgrund der falschen Strategie ihren Traum wieder aufgeben mussten, weil ihnen auf dem Weg das Geld für Investitionen verloren ging.“

2010 wurde Maison Mirabeau geboren, eine Familienmarke, die heute für außergewöhnlich gute Rosé-Weine steht. Jeany Cronk sagt: „Was wir heute machen, ist auch das typische Vorgehen anderer großer Marken in unserer Nachbarschaft. Für die Weine, die man aber im großen Stil vertreibt, sucht man sich pas- sende Trauben von bestehenden Weinbauern aus der Region aus und stellt den Wein so zusammen, wie man sich den Geschmack wünscht.“ Im Fachjargon heißt dieses Vorgehen „Assemblage“. Aber warum gerade die Leidenschaft für Rosé-Wein?

„Jeany und ich waren schon immer extrem leidenschaftliche Rosé-Fans“, sagt Stephen. „Hinzu kam, dass wir damals die Anfänge des Trends spürten. War in den 70er- Jahren das Thema Rosé noch kaum verbreitet und ein Wein, der von echten Kennern belächelt wurde, nahm das Interesse an Rosé in den 2000ern weltweit immer mehr zu.“ Bis heute ist es so, dass nur wahre Kenner über die Qualität von gutem Rosé Bescheid wissen und das erfrischende Getränk vor allem mit Lust auf Sommer, guter Laune und einem gewissen Leichtigkeitsgefühl verbunden ist. „Technisch“, so erklären mir die Cronks, „ist Rosé am schwersten von allen Weinsorten herzustellen.“ Warum das? „Da die Farbe bei einem guten Rosé so ausschlaggebend ist, bedarf es modernster Kühltechnik“, sagt Jeany. „Denn schon ein bisschen zu viel Wär- me im falschen Moment oder Druck auf die Traube – und die rote Farbe wandert von der Traubenhaut in den Most. Und der Wein wird zu gefärbt.“

Daher wird auch nur nachts geerntet, An- fang September, wenn die Luft in der Provence tagsüber noch bis zu 30 Grad warm wird, aber nachts auf 10 bis 15 Grad abkühlt. Auf dem Weg zum Keltern werden die Trau- ben in Anhänger gefüllt und schon beim Transport mit Trockeneis heruntergekühlt, um Oxidation zu vermeiden. Jeany zeigt auf die Landstraße, die sich in der Ferne durch die Landschaft schlängelt: „Um die Erntezeit sind die Straßen um uns herum voll mit Traktoren, weil alle Weingüter zur gleichen Zeit ernten.“ Stephen ergänzt: „Wenn die Trauben dann gepresst werden, geschieht auch dies auf sehr moderne Weise. In Weinpressen, die von außen wie riesengroße Metallzylinder aussehen, in denen jeweils eine übergroße Blase eingebaut ist. Das ist eine pneumatische Presse, die den Wein auf sanfteste Weise aus der Frucht drückt, da auch zu übermäßige Kraft Einfluss auf die Helligkeit der Farbe haben kann.“

Anders als bei Weiß- oder Rotwein muss Rosé nicht viele Jahre lagern und sollte sogar ganz jung getrunken werden. Vor allem in England, der ehemaligen Heimat der Cronks, sind die Rosé-Weine von Maison Mirabeau beliebt, aber mittlerweile kommen auch aus anderen Ländern der Welt Einkäufer, die Interesse an dem neuen Label zeigen. Um die Marke noch stärker zu positionieren, Besucher zu empfangen und zu unterhalten, hat das Ehepaar vor drei Jahren in ein 20 Hektar großes Anwesen investiert, auf dem die Domaine Mirabeau heute ihren Firmensitz hat. Zu dem dynamisch wachsenden Sortiment gehört mittlerweile auch ein hellrosa Gin – verpackt in einer dekorativ geschliffenen Flasche, die an einen wertvollen Parfumflakon erinnert.

Was war rückblickend das Geheimnis des großen Erfolgs? „Dass wir durch immer neue Herausforderungen erkannt haben, wie resilient wir tatsächlich sind“, lacht Jeany und erzählt, wie bunt und ereignisreich allein die letzten zwei Jahre verlaufen sind. Mit der Covid-Krise kam das für Maison Mirabeau wichtige Restaurantgeschäft erst einmal zum Erliegen, wurde dann aber durch überraschend hohe Bestellungen des Einzelhandels und von Privatkunden über den eigenen Onlineshop auf der Homepage ausgeglichen.

Dass kurz darauf, im vergangenen Sommer, das gerade erst gekaufte Weingut in Flammen stand und alle Nachbarn halfen, eines der historisch größten Feuer in der Provence zu bekämpfen, gehört jetzt zu einem der vielen Abenteuer, die die Cronks mit einem Lächeln erzählen. Aber der beste Tipp, der Maison Mirabeau und der Familie Cronk half, in der Provence tiefe Wurzeln zu schlagen, kam vom ehemaligen Inhaber des heute berühmten Weingutes Miraval, nachdem der gerade sein Chateau an Brad Pitt und Angelina Jolie verkauft hatte. „Aufgrund seines Rates haben wir kurz vor unserem Umzug aus London noch mal alles umgeworfen“, sagt Stephen. „Statt wie geplant nach Aix zu ziehen und unsere Kinder auf eine internationale Schule zu schicken, entschieden wir uns für ein französisches Dorf mit einer kleinen, lokalen Schule. Denn das war die Empfehlung gewesen: ‚Eure Kinder werden weinen, und es wird schwer – aber nur so werdet ihr euch hier wirklich eines Tages zu Hause fühlen und in der Nachbarschaft voll integriert sein.‘“ Jeany schüttelt bei den Erinnerungen an die Anfangszeit den Kopf: „Unser großer Sohn bettelte anfangs täglich darum, zurück nach England gehen zu dürfen – heute ist er französischer als mancher Franzose!“

Mit dem Ankauf der „Domaine Mirabeau“ lernten die Cronks unfreiwillig über die schädlichen Folgen des Monokulturanbaus. Um auf die viel gesündere Weise des Weinanbaus aufmerksam zu machen, rief Stephen Cronk gerade die Regenerative Viticulture Foundation ins Leben. Mithilfe eines internationalen Expertenteams möchte sie Weinbauern auf der ganzen Welt die Vorteile von nachhaltigem Weinanbau nahebringen. Wie wurde Ihr Interesse für dieses Thema geweckt?

Wir haben fünf Jahre nach einem passenden Anwesen gesucht. Als es dann darum ging zu entscheiden, wie bauen wir unseren eigenen Wein an, merkte ich: Das ist eine große Verantwortung. Ich fing an, mich intensiv mit dem Thema zu beschäftigen. Mir war von Anfang an klar, wir wollen das Feld und die Pflanzen nicht mit synthetischen Sprays behandeln. Aber Bio-Anbau würde das Pflügen erlauben. Was bedeutet, dass auch ein Traktor zum Einsatz kommt, was wiederum heißt: Ich produziere nicht CO2-neutral.

Der US-Schauspieler Woody Harrelson macht mit dem aufrüttelnden Dokumentarfilm „Kiss The Ground“ auf die Folgen kommerziellen landwirtschaftlichen Anbaus aufmerksam. Inwiefern ist auch der kommerzielle Weinanbau betroffen?

Immer mehr Bauern merken, dass unsere herkömmliche Art des Weinanbaus dem Boden alle Nährstoffe entzieht und fruchtbare Erde auf Dauer in trockenen Staub verwandelt. Da- her muss es auch beim Weinanbau ein maßgebliches Umdenken geben.

Regenerativ angebaute Weinberge sehen ganz anders aus. Zwischen den Weinreben sieht man bei Ihnen bunte Blumen wachsen, und auch der Pflug bleibt in der Scheune stehen – warum?

Die Bepflanzung zwischen den Reben zieht CO2 aus der Luft und transportiert es in die Erde, um es dort zu halten. Außerdem bleibt der Wasserpegel in der Erde aufrecht. Insofern unterstützen die Blumen das organische Leben in der Erde. Baut man regenerativ an, muss man den Wurzeln der Weinpflanze erst einmal beibringen, sehr viel tiefer zu wachsen. Ist die Erde dann regeneriert und die Weinpflanze bereit, braucht man irgend- wann auch keinen Pflug mehr.

Warum sind Pflug und Traktor so schädlich für gesunde, fruchtbare Erde?

Wenn man sich bewusst macht, dass alleine in einem Teelöffel Erde über acht Milliarden Mikroben leben, dann kann man sich vorstellen, wie sehr das Pflügen eines Feldes gesunde Kulturen im Boden zerstört. Das ist auch genau die Absicht des klassischen Weinbauern. Denn er befürchtet, dass andere Pflanzen der Weinpflanze die Nährstoffe stehlen. Das aber ist ein Irrtum, denn mit den richtigen Pflanzen existieren die Reben in Harmonie, diese Pflanzen bereiten sogar Nährstoffe vor, die der Weinstock perfekt verwerten kann. Insgesamt gibt es zu dem Thema derzeit noch viel zu viel Desinformation und Verwirrung. Daher arbeiten wir mit der Stiftung daran, Studien zu veröffentlichen und nachweisbare Fakten zu verbreiten, die langfristiges Umdenken fördern. Denn Sie können sich vorstellen, wie ich hier in der Provence angeschaut werde, wenn ich als Engländer einem alten Franzosen erklären will, wie er seinen Wein besser anbauen sollte (lacht).

IssueGG Magazine 04/22
City/CountryDeutschland
PhotographySophie Bellard
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