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Going Global by Michaela Cordes | 28. Oktober 2006 | Personalities

Bora Bora, New York, St. Barth, Knokke, Paris – es ist fast unmöglich, Christian Liaigre auf den Reisen zu seinen weltweiten Projekten einzufangen. Für GG ist der rastlose Franzose kurz gelandet und spricht im Exklusivinterview über seine neuesten Projekte, wie die Kindheit auf der Ile de Ré seinen Stil prägte, was Pferdezüchter und Designer miteinander verbindet und warum Frauen romantischer einrichten als Männer. Liaigres spannender Werdegang zum – wie sogar die „Financial Times“ schwärmt – „wichtigsten, auf jeden Fall am häufigsten kopierten Interior-Designer unserer Zeit“.

„Minimieren! Konzentrieren!“ Christian Liaigre

Sehen Sie heute einen Zusammenhang zwischen dem Pferdezüchten und dem Entwerfen von hochwertigen Möbeln? 

Absolut! Der professionelle Anspruch. In beiden Berufen ist es unbedingt erforderlich, dass alles stimmt, jedes Detail. Man darf sich mit einem Pferd keinen einzigen Fehler erlauben. Genauso ist es mit dem Interieur eines Raumes, mit dem Fertigen von einem Möbelstück oder der Qualität eines Materials.

Müssen Sie sich heute ähnlich instinktiv in die Wünsche und Persönlichkeiten Ihrer Kunden einfühlen wie früher in die empfindlichen Seelen der Dressurpferde? 

Instinkt ist in meinem heutigen Beruf sehr wichtig. Und man muss seiner Intuition folgen. Andererseits gilt aber auch immer wieder das, was Le Corbusier einmal sagte: „Schwieriger, als das Projekt zu finden, ist der richtige Auftraggeber.“ Ich sage Ihnen, es ist nicht leicht. Jedes Mal, wenn ich einen neuen Auftrag annehme.

Wie meinen Sie das?

Es ist schwer, wenn nichts da ist, keine Vergangenheit, keine Geschichte. Lassen Sie mich Ihnen etwas zeigen. Christian steht auf und holt zwei Mappen mit Fotos von Projekten, die nicht veröffentlicht werden dürfen. Die erste enthält Fotos von einem komplett neu gebauten Haus an der Côte d’Azur. Alles in hellen Tönen, viel Glas, Rot, Weiß – schön, aber seltsam leer. In einem weiteren Ordner zeigt er mir ein anderes Haus, man sieht sofort, mit Geschichte. An den Wänden hängen Familienporträts in goldenen Barockrahmen, in einem anderen Raum moderne, ausgesuchte Kunst. Neben einer mit hochglänzendem Ebenholz verschalten Wendeltreppe sieht man wertvolle Antiquitäten. 

Welches Projekt hat Ihnen mehr Spaß gebracht? 

Es ist immer eine größere Herausforderung, wenn so viel Historie, Kunst und Substanz mitgebracht werden. Dieses Projekt habe ich gerade für ein Ehepaar in Genf abgeschlossen. Sie besitzen eine unwahrscheinlich schöne Kunstsammlung. Außerdem alte Familienporträts, die nun an Wänden aus tiefschwarz oxidiertem Kiefernholz hängen, ein starker Kontrast. Das Ergebnis ist fantastisch. Ein Haus mit Persönlichkeit. Das gelingt bei einem Neubau natürlich nicht, dort kann ich mich lediglich von der Kultur der Umgebung inspirieren lassen.

Welche Interior-Ideen versetzen Sie ins Staunen?

Ich erinnere mich an meine aristokratischen Freunde von früher, die in sehr einfach eingerichteten Schlössern nahe meiner Heimat lebten. Da stand z. B. eine französische Kommode, und darüber hingen zwei afrikanische Masken, die jemand von einer der vielen Reisen mitgebracht hatte. Es ist die fast zufällige Art, wie Dinge kombiniert wurden. Der Mix des gelebten Lebens, den sich kein Interior-Designer ausdenken kann, geschweige denn kopieren.

Müssen Sie auch mit Trends umgehen – wie in der Modewelt?

Ich finde es sehr schwer, über Trends zu sprechen, wenn es um das eigene Zuhause geht. Ich versuche daher, den Trend immer zu minimieren. Denn was ist, wenn zehn Jahre vergangen sind und Sie verdammt viel Geld ausgegeben haben? Mein Anspruch ist Zeitlosigkeit. Minimize! Concentrate! Das ist nicht einfach, denn meine Kunden wollen immer mehr, mehr. Dann muss ich sagen: Stop! Als ich für mein Buch „Maison Christian Liaigre“ einige meiner Projekte wieder besuchte, habe ich für die Fotos ganz viele Objekte wieder entfernt.

Heißt das, Sie haben Ihr eigenes Zuhause hier in Paris nur einmal eingerichtet und werden es nicht mehr verändern?

(lacht) Nein, das geht leider nicht. Denn nun lebe ich mit Deborah (seiner Ehefrau, arbeitet mit ihm zusammen. Anm. der Red.). Und natürlich stellt sie viel mehr kleine Objekte auf als ich.

Warum dekorieren Frauen eigentlich so ganz anders als Männer?

Erst einmal, weil sie viel romantischer sind als wir und mit kleinen Souvenirs schöne Erinnerungen verbinden. Genauso Blumen – sehr feminin. Ich brauche nur ein besonders schönes Gemälde, eine Antiquität wie z. B. den sehr seltenen Buddhakopf aus Terrakotta, den ich vor kurzem in Bangkok gefunden habe. Dazu ein großes Sofa, auf dem ich liegen kann wie ein Hund. Es ist fatal, aber jedes Mal, wenn ich ein neues Sofa entwerfe, wird es riesig, weil ich darauf nicht nur sitzen, sondern leben möchte.

Sie haben fast alles mit Ihrem Design verwandelt – Häuser, Möbel, zuletzt gerade eine Segelyacht – gibt es noch etwas, das auf Sie wartet?

Ja, ich werde zu meinen Wurzeln zurückkehren. Ich möchte ein Gestüt entwerfen. In Spanien, Andalusien. Es ist sehr minimal dort. Die Häuser sind weiß und einfach. Ich habe ein kleines Haus in St. Barth, aber das ist zu weit weg fürs Wochenende. Ich möchte zur Erde zurückkehren. Ich bin zu weit davon entfernt.

IssueGG Magazine 04/06
City/CountryParis/ France
PhotographyMark Seelen