Valentino by Ingeborg Harms | 20. April 2014 | Personalities
Wie kein anderer hat es der Couturier Valentino verstanden, Beruf und Privatleben zu verbinden. Nun hat Giancarlo Giammetti, ehemaliger Lebenspartner des Modeschöpfers und Geschäftsführer des Modehauses, einen kommentierten Fotoband über 50 glanzvolle Jahre an der Seite Valentinos publiziert.
Das 20. Jahrhundert war die Ära der Couturiers, der Schneidergenies, die den Glamour erfanden und ihre ausgewählte Kundschaft königlich ausstaffierten. Doch nur Valentino brachte das Kunststück fertig, in der eigenen Inszenierung mitzuspielen und die Jetset-Existenz selbst zu leben. Als er im Juli 2007 in der Villa Borghese mit fürstlicher Grandezza seinen Abschied von der Mode feierte, plauderten wir, die Presse, mit Uma Thurman an der Bar, mischten uns auf der Terrasse unter Caroline von Hannover, Claire Danes und Sarah Jessica Parker, schlenderten im Tross von Mick Jagger durch den mondbeschienenen Park und begannen zu ahnen, was unter dem legendären „Valentino Clan“ zu verstehen war.
Dass der Couturier neben seiner Arbeit Zeit für die Pflege von Freundschaften, Reisen, Festen, Dinners und Oscar-Partys fand, verdankt er Giancarlo Giammetti. Aus Liebe und Bewunderung für das Genie Valentinos verwand der das Ende ihrer zwölfjährigen Lebenspartnerschaft und blieb dem Modehaus als Geschäftsführer fünfzig Jahre treu. In all dieser Zeit verband die beiden Männer eine Freundschaft, die nicht nur von der Sorge um die gemeinsame Marke, sondern auch vom gemeinsamen Freundeskreis inspiriert wurde. Nun hat Giammetti einen Lebensrückblick mit einer Fülle eigener Fotografien publiziert, der erstmals dokumentiert, in welchem Maße Valentino die Stars der Film- und Musikbranche, den europäischen Adel, Musen und Models um sich zu scharen vermocht hatte.
Alles begann 1960 an der Via Veneto in Rom, als Valentino im überfüllten Café de Paris darum bat, sich an Giammettis Tisch setzen zu dürfen. Damals wurde die Paradestraße internationaler Cinecittà-Schauspieler von Paparazzi umschwärmt. Schnappschüsse, die Fotografen von der Vespa aus ergaunerten, duldete man, das Sehen und Gesehenwerden war ein Sport, dem eine ganze Stadt und auch Giammetti, der sein Architekturstudium abgebrochen hatte, huldigte: „Ich habe immer gedacht, dass mein Leben mit Valentino begann.“ Als rechte Hand des Modeschöpfers entdeckte er nicht nur die eigene wirtschaftliche Begabung, er kreierte auch eine zweite, private Via Veneto mit sich selbst als Paparazzo. Wenn Valentino Jackie Onassis auf Capri ausführt oder Lady Diana und Claudia Schiffer von Valentinos „TM Blue One“ in die Fluten springen, drückt Giammetti auf den Auslöser, und wenn Elizabeth Hurley, Hugh Grant, Gwyneth Paltrow, Rosario von Sachsen-Coburg und Elle Macpherson in der karibischen Sonne schmoren, fotografiert er vom Oberdeck auf sie herab. Die Sommer verbringen sie, oft mit der Yacht als Stützpunkt, in Tanger, Rio, auf Bali, Delos oder Phuket, und immer sind sie von schönen Menschen umgeben, die bei jedem Klick eine gute Figur machen. „Ich nenne sie unseren Stamm, denn wo Valentino und ich hingehen, dahin kommen alle.“
Wer ins Gstaad-Château eingeladen wurde, nach Cetona ins toskanische Landhaus oder in Valentinos römischen Palast, der durfte mit aufregenden Bekanntschaften rechnen, und alle, alle kamen. Cat Stevens, Liz Taylor und Rudolf Nurejew stiegen während der römischen Modewoche bei ihnen ab, Madonna, Prinzessin Mette-Marit, das niederländische Prinzenpaar und Denise von Thyssen erholten sich mit ihren Kindern im Park von Wideville, Aretha Franklin, Placido Domingo und Bette Midler sangen Valentino bei einer New Yorker Gala zum Geburtstag ein Ständchen. Andy Warhol revanchierte sich mit einer Factory-Party, und die langjährige „US-Vogue“-Chefin Diana Vreeland gab den Italienern ein Dinner mit Barbra Streisand. Einmal bittet Visconti den Couturier auf seinen Liebhaber Helmut Berger aufzupassen. Doch der fängt in Valentinos Entourage prompt eine Affäre mit Marisa Berenson an. „Was soll ich sagen“, kommentiert Giammetti, „das waren die siebziger Jahre …“
Wer „Private“ durchblättert, gewinnt den Eindruck, dass Valentino das traditionelle Verhältnis eines Schneiders am Thron der Mächtigen umkehrte. Denn er ist es, der seinen Kunden den Kontakt zur großen Welt vermittelt. Gwyneth Paltrow beichtet ihm bei einem Essen, dass sie keinen Plan für ihren 30. Geburtstag hat. Er schlägt vor, ihn in seinem Landhaus zu feiern. Natürlich sind sie und ihre Freundin Stella McCartney auch dabei, als Giammetti seinen Geburtstag ins tief verschneite St. Petersburg verlegt. Selbst philanthropisch gesinnte Gesellschaftsdamen wie Lynn Wyatt, Nan Kempner und Brooke Astor freuten sich über eine Einladung ihres Couturiers zum Skilaufen oder Cruisen. Kein Zweifel, Valentino war ein Prominentensammler. Besonders liebte er Supermodels und den Adel, doch was ihm mehr als alles andere entgegenkam, waren spektakuläre Hochzeiten. Elizabeth Hurleys Eheschließung in Indien, Marisa Berensons in Kalifornien und David Bowies Bund mit Iman feierten immer auch den Genius, der hinter dem Hochzeitskleid steckte. Als Anne Hathaway 2012 in Giammettis New Yorker Apartment ihr Kleid anprobierte, war seine Kamera dabei. Man ahnt die Tränen in den Augen der elfenhaften Braut, als sie neben Valentino in den Spiegel schaut.
Giammetti verschweigt nicht die Krisen, die sich hinter den glanzvollen Kulissen und oft auf der Bühne abspielten: Liz Taylor, die im Restaurant ihre Begleiter nötigt, auf Knien nach ihrem Diamantring zu suchen, oder Lauren Huttons Wutanfall darüber, dass man sie nicht neben ihrem Freund platzierte. Desaster von gestern. Was für Giammetti und Valentino bleibt, ist ein Leben, das wie kaum ein anderes seinen Stil gesucht und gefunden hat. IH