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Ian Schrager by Michaela Cordes | 20. August 2014 | Personalities

The King is back! In den 70er-Jahren feierte er mit Andy Warhol und Bianca Jagger in seinem Club Studio 54, in den 90ern erfand er mit Andrée Putman und Philippe Starck die schicksten Hotels. Jetzt ist Ian Schrager zurück. In London eröffnete gerade Schragers zweite Kooperation mit Marriott. Im GG-Interview spricht der König der Boutique Hotels über alte Zeiten, neue Ideen und seine fünf Kinder.

Im neuen Hotspot von London geht die Sonne silbern und eiförmig auf. Von der Decke der Lobby des Hotels The London Edition hängt eine riesige, auf Hochglanz polierte Metall-Kreation des Lichtdesigners Ingo Maurer. An einem überdimensionalen Tisch aus schwarzem Walnussholz, der an Werke von Donald Judd erinnert, sitzen einige Hotelgäste an aufgeklappten Laptops. Warme Farbtöne und ein charmanter Mix aus bewahrtem Alten – die ehemalige Residenz von King Edward VII. und später des russischen Juweliers Carl Fabergé steht seit 1835 – und raffiniertem Neuen. Willkommen im neuesten Werk von Ian Schrager – dem King of Boutique Hotels, der im Laufe seiner Karriere nur eine Regel befolgte: always think out of the box!

Weltberühmt wurde der gebürtige New Yorker mit dem Studio 54, dem legendären Nachtclub, den er zusammen mit Steve Rubell erfand. In einem alten TV-Studio ließ er Abend für Abend die Puppen tanzen, umjubelt von seinen Stammgästen Bianca Jagger, Andy Warhol und Calvin Klein oder Diane von Furstenberg. Nach 13 Monaten im Gefängnis wegen Steuerhinterziehung stieg Schrager auf Hotels um und gründete die ersten Boutique Hotels, die vor allem durch ihr Design bestachen und weit mehr waren als ein Bett für die Nacht. Er engagierte Designer wie Andrée Putman oder Philippe Starck, Personal, das schönen Models glich, und baute das Morgan, das Royalton, das Paramount, das Mondrian in Los Angeles, Miami und San Francisco. Als sein Businesspartner und bester Freund Rubell 1989 an Aids starb, sattelte Schrager auf das luxuriösere Hotelgeschäft um. Gemeinsam mit dem Künstler Julian Schnabel schuf er in New York City das Gramercy Park Hotel. Und heute? Mit 67 Jahren überrascht Ian Schrager wieder einmal die Hospitalitybranche. 2009 schloss er sich mit der Hotelgruppe Marriott zusammen. Zwei Edition Hotels sind in New York City geplant, ein weiteres soll noch in diesem Jahr in Miami eröffnen. Wir sitzen in der ruhigen Zen-Atmosphäre der Penthouse Suite des Londoner Hotels. Ian Schrager spricht mit dem typischen New Yorker Akzent, lispelt charmant. Er lächelt viel, wirkt gelassen.

„Ich kam aus der Provinz und war auf einmal der Gastgeber der berühmtesten Designer der Welt. Es war fantastisch!“ Ian Schrager

Ihr Leben klingt unendlich spannend. Inwieweit haben die wilden Studio-54-Zeiten Sie geprägt – als Unternehmer und auch als Persönlichkeit? Einen Nachtclub zu erfinden, erfordert nicht nur Wissen in einer Disziplin. Ich habe alle Richtungen verfolgt: das Licht, die Mode, die Musik, Theater und Film. Ich kannte mich mit nichts aus, war ein junger Mann mit null Erfahrung und musste mir alles selbst beibringen. Das war eine unglaubliche Ausbildung und enorme Gelegenheit! Ich nahm einfach das, was sich anbot. Ich wusste ja nichts über die Mode. Ich kam aus der Provinz und auf einmal war ich der Gastgeber der berühmtesten Designer der Welt. Das war fantastisch!

Woher kommen Sie genau? Aus Brooklyn. Ich war damals ein junger Anwalt, früh vom Erfolg verwöhnt und schnell gelangweilt. Ich hatte schon ganz zu Beginn meiner Karriere einen wichtigen Fall gewonnen. Der Erfolg kitzelte in mir die Sehnsucht nach mehr hervor. Das waren die 70er-Jahre, die Zeit der sexuellen Revolution. Es war dazu die Zeit der Homosexuellen, die sich als eine Art wegweisende Kulturbewegung auftat. Und dies alles spielte sich in New York City ab. Es war eine gesetzlose Zeit, unglaublich aufregend. Damals kamen mein Kumpel Steve (Rubell) und ich auf die Idee, ins Restaurant-Business einzusteigen. Ich erinnere mich noch genau an die Nacht der Eröffnung unseres ersten Clubs: Steve hing an der Bar rum und ich blieb beim DJ und spielte mit den Scheinwerfern. Das setzte sozusagen den Ton für unsere Zusammenarbeit. Um zu überleben, waren wir gezwungen, uns immer wieder neue Szenarien und außergewöhnliche Effekte auszudenken, Mottopartys zu schmeißen. Mit jedem Projekt wuchsen wir und wurden besser und professioneller. Ich wusste nicht, dass ich zu all dem fähig wäre …

Woher kam denn Ihre Leidenschaft für solche besonderen Partys – waren Ihre Eltern gute Gastgeber? Mein Vater starb, als ich 19 Jahre alt war. Meine Mutter vier Jahre später. Ich war 23. Wären sie beide nicht so früh gestorben, wäre ich niemals ins Nachtclubgeschäft eingestiegen. (lachend) Mein Vater schneiderte Mäntel und meine Mutter war Hausfrau. Mein Bruder wurde Arzt, ich Anwalt und meine Eltern waren selig vor Glück. Das hatten sie sich immer erträumt! (lächelt) Aber ja – sie waren großartige Entertainer! Sie hatten einen sehr guten Geschmack. Bescheiden, aber geschmackvoll. Meine Eltern gaben dolle Partys, nicht sehr oft, aber wenn, dann waren sie sehr lustig. Ja, diese Erinnerungen hatten sicher Einfluss auf mich. Es ist witzig, wie man sich dessen nicht bewusst ist, bis man älter wird, zurückschaut und die Dinge miteinander verbindet.

„Meine Eltern waren großartige Gastgeber. Erst wenn man älter wird, versteht man die Zusammenhänge.“ Ian Schrager

Was waren die größten Herausforderungen während der Studio-54-Zeiten? Wir unterschrieben den Mietvertrag im Januar ’77 und hatten nur sechs Wochen Zeit bis zur Eröffnung. Damals gab es nur wenige Menschen, die sich mit Licht und Sound auskannten. Die besten von ihnen kamen vom Theater. Also stellten wir sie ein. Bis heute bin ich der Überzeugung, dass Leute vom Theater die talentiertesten und hochbegabtesten überhaupt sind. Leider sind sie auch die teuersten. Denn es gibt da kaum Raum für Fehler. Wir machten völlig verrückte Dinge, flogen ganze Sets ein, veränderten die Räume immer wieder komplett. Gäste wollen überrascht werden!

Das klingt so, als hätten die spektakulären Studio-54-Abende mehr gekostet als eingebracht? Na klar! (lacht) Aber das erkläre ich heute auch meinen Kindern. Das Geheimnis ist doch, dass man das Negative immer in etwas Positives wandeln muss.

Was geschah dann? Träumten Sie damals schon davon ein Hotel zu eröffnen? Es ist witzig. Es war sozusagen die logische Evolution. Das Nachtclubgeschäft ist im Grunde der unzivilisierteste Teil des Hospitalitygeschäfts, der kultivierteste Teil ist das Hotelgeschäft. Zu der Zeit gab es in NYC eine Art Krieg, den die Presse zwischen Donald Trump, einem aus der neuen Generation von Hoteliers, und Harry Helmsley, aus der alten Garde, befeuerte. Und ich stand mittendrin und dachte mir: Boy, I should do that!

Was Sie dann taten, war komplett gegen die Norm: „out of the box“ – niemand hatte je daran gedacht, so etwas wie Boutique Hotels ins Leben zu rufen… Für uns fühlte es sich völlig normal an. Aber für das Publikum war es neu, denn das Hotelgeschäft war vor allem ein Kapital-getriebenes, sodass es keinen Raum und Mut für neue Ideen gab. Jeder machte das, was es immer schon so gab, nur in einer anderen Farbe.

Waren Sie müde vom Geschäft mit dem Nachtleben – weil Sie ­alles gesehen hatten? Das Nachtclubgeschäft frisst dich auf. Du musst daraus entfliehen, aussteigen und dich weiterentwickeln.

„Das Nachtclubgeschäft frisst dich auf, wenn du nicht irgendwann aussteigst. Hotels waren für mich die logische Folge.“ Ian Schrager

Was ist daran so anstrengend? Dass man jede Nacht dabei sein muss? Steve war sehr viel mehr anwesend, oft bis spät in die Nacht. Ich ging immer dann, wenn ich feststellte, dass alles lief. Steve blieb zu lang. Ich ging zu früh. Wenn du nicht aufpasst, konsumiert dich dieses Business. Es ist schwer gesund zu bleiben, wenn alles um dich he­rum trinkt und Spaß hat, inmitten der immer lauten Musik.

Im selben Moment sind Sie als Gastgeber die Seele des Ganzen. War es so, dass Sie eines Tages entschieden: Das war’s, ich muss hier raus, um zu überleben? Ich hatte nichts Neues mehr anzubieten. Ich hatte das gegeben, was ich zu geben hatte. Hätte ich etwas Neues gehabt, hätte ich vielleicht weitergemacht. Es ist lustig: Nach all den Jahren habe ich in diesem Hotel meinen ersten Nachtclub unten im Keller eröffnet.

Wirklich? Wie heißt er? The Basement. Ich wollte ihn eigentlich Crazy Box nennen, aber nun heißt er Basement und ist ein echter Dance Club, nicht um rumzusitzen, wie es heute üblich ist, sondern hier geht’s nur um eins: Tanzen! Für einen Freund schuf ich vor ein paar Jahren das Studio 54 noch einmal für eine Nacht und nahm meine Töchter mit. Sie sind 19, 17, 16 und 15 und waren begeistert! Das gab mir den Anstoß und die Idee, dass es eventuell wieder Zeit ist für echte Tanzclubs. Daher werde ich
jetzt ein paar davon in unseren Hotels etablieren.

Es klingt, als würden Sie sich leicht langweilen, sobald Sie entdecken, dass eine Idee funktioniert. Müssen Sie dann schnell eine neue He­rausforderung finden? Natürlich! Als ich begann, war alles, was Hotels anging, eintönig und glich sich mehr oder weniger. Eine Art Massenmarktmodell. Man dachte sich: Okay – das funktioniert, jetzt lass uns das Konzept von New York nach London, Paris und bis nach Kalifornien ausrollen. Aber das funktioniert so nicht. Ich habe kein Interesse daran, in Paris bei McDonald’s zu essen. Ich versuche immer etwas Innovatives und Provokatives zu machen. So kam ich auch dazu, das Gramercy Park Hotel zu übernehmen, das damals komplett bank­rott war. Es war nicht mein persönlicher Stil, aber ich wollte etwas anderes machen. Das war vielleicht mehr ein intellektueller Ansatz.

Aber vor allem war es doch ein visionärer Ansatz – Kunst und Hotelleben zusammenzubringen. Es ging mir nicht bloß darum, die Kunst an die Wände zu hängen. Sie sollte zur Szenerie gehören und zugänglich sein, ohne dass man dafür ins Museum gehen muss – die gleichen in den USA sowieso eher vollen U-Bahn-Stationen. Schon im Morgans haben wir damals 150 Drucke von Robert-Mapplethorpe-­Fotografien an die Wände gehängt. Ein anderes Mal bat ich Giorgio Armani die Uniformen zu entwerfen. Ich hörte damit auf, als alle anfingen mich zu kopieren. Wenn du einen Hit landen willst, musst du immer wieder neu daherkommen.

Ein weiterer provokativer Schritt in Ihrer Karriere war das Loslassen vom Gramercy Park Hotel und die Bekanntgabe, mit der Marriott Gruppe eine Anzahl von Hotels eröffnen zu wollen. Ich habe nie an meinen diversen Projekten geklebt. Ich liebe es, sie zu kreieren. Aber ich mache zum Beispiel auch nie Fotos, während ich an ihnen arbeite. Vergessen Sie nicht, ich habe an 15 Hotels gearbeitet und fühlte mich langsam wie der Süßigkeitenladen für alle anderen. Ich gehöre nicht zu den Menschen, die sich geschmeichelt fühlen, wenn sie kopiert werden.

Wie kam der Deal zustande? Ich habe Bill Marriott immer schon bewundert und fand es reizvoll, sein systematisiertes Unternehmen mit meinen Ideen zu kombinieren und gemeinsam etwas richtig Großes zu starten.

Wie leben Sie in New York City? In meinem sehr schönen Apartment mit all meinen Kindern. Ich bin eines Tages aufgewacht und habe mir gedacht: Meine Arbeit geht in diese tollen Hotels, aber nie in mein eigenes Zuhause. Einige meiner Freunde lebten damals schon in spektakulären Apartments, also dachte ich: Ich brauche auch ein schönes Zuhause. Es ist sehr schön geworden, mithilfe von Christian Liaigre und John Pawson.

Sammeln Sie Kunst? Ja, ich mag Anish Kapoor, Andy Warhol, Julian Schnabel – all diese Künstler der Achtzigerjahre, ich habe einige Zeichnungen von Picasso. Ich gehöre aber nicht zu den Industriekapitänen, die Kunst sammeln, um ihren Erfolg damit zur Schau zu stellen. Ich kaufe das, was mir gefällt.

Sammeln Sie vor allem Künstler, die Sie persönlich kennen? Ja, genau. Einige gaben mir sogar ein paar Kunstwerke. Andy Warhol zum Beispiel war oft im Studio 54 und gab mir immer wieder etwas. Gott sei Dank habe ich sie alle aufbewahrt … (lachend)

Es muss ein lustiges Gefühl sein, dass viele von Ihren Stammgästen zu großen Ikonen geworden sind? Ich sehe sie nicht als Ikonen. Weil ich all ihre Verwundbarkeiten und ihre menschliche Seite zu sehen bekam. Aber manchmal muss ich schon schmunzeln, wenn einer meiner Freunde, ein bekannter New Yorker Sammler, Andy Warhol zu den wichtigsten Künstlern der letzten 500 Jahre erklärt, was ihn eigentlich auf eine Stufe mit Michelangelo stellt. Na ja, vielleicht stimmt es ja. Aber ich werde mich immer an den Mann erinnern, der morgens um 3 Uhr durchs Studio 54 streunerte.

Sie sind Vater von vier Töchtern und einem dreijährigen Sohn – wie muss man sich Ian Schrager als Vater vorstellen? Die verstehen sich alle prima. Aber meine Töchter sind jetzt im Dating-Alter. Und ich habe nun mal alles gesehen und getan … Wenn die dann abends ausgehen und mir noch einen Kuss geben, schicke ich sie meistens noch mal zum Umziehen zurück in ihre Zimmer, weil mir das alles zu extrem ist – zu eng, zu kurz und zu tief ausgeschnitten! (lacht) mc

IssueGG Magazine 03/14
City/CountryNew York/ U.S.
PhotographyMark Seelen