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Vielleicht ein Hirst gefällig? by Nana Gilbert | 20. Oktober 2014 | Personalities

Der Brite Damien Hirst ist einer der erfolgreichsten Künstler seiner Generation. Seine Bilder und Skulpturen werden für Millionen verkauft. Als Mitbegründer der Ladengalerie Other Criteria will er seine und die Werke anderer Künstler als limitierte Editionen und Serienproduktionen für jedermann erschwinglich machen. Wir besuchten seine gerade neue eröffnete Galerie in New Yorks Stadtteil SoHo.

Es dauerte keine 24 Stunden und die erste Edition war komplett ausverkauft. Auf der Eröffnungsparty von Damien Hirsts Galerie-Boutique Other Criteria in New York überschlugen sich die Gebote für seine Mickey Mouse schon in der ersten Stunde. Im Nu war die limitierte Auflage von 50 Stück weg. Zwölf bunte Punkte in verschiedenen Größen. Sehr abstrakt, aber eindeutig Mick­ey Mouse. Und eindeutig Damien Hirst. 9.400 Dollar kostete ein signierter Siebdruck anfangs, am Ende des Abends lag der Preis bei 18.700 Dollar. Kein Schnäppchen, aber für einen „echten“ Hirst durchaus erschwinglich. Und nur ein Bruchteil dessen, was man für die Gemälde und Skulpturen des britischen Künstlers hinblättern muss, der mit seinen bunten Pillen- und Punktbildern und in Formaldehyd konservierten Tierleichen mittlerweile Millionenpreise erzielt und als Popstar der Kunstwelt gilt. Der Wert seines legendären diamantbesetzten Totenkopfes wird auf etwa 50 Millionen Pfund geschätzt.

„Wir wollen mit Other Criteria Kunst zugänglich machen“, erklärt Creative Director Jason Beard, der schon seit über 20 Jahren eng mit Hirst zusammenarbeitet. „Wir sind uns im Klaren, dass auch ein paar Hundert Dollar für viele Leute viel Geld ist, aber wenigstens ist die Kunst im Gegensatz zu den herkömmlichen Galerien in Reichweite. Wir wollen auch Leute einladen, die sich von einer normalen Galerie eingeschüchtert fühlen.“ Statt den Wert zu verschleiern steht bei Other Criteria neben jedem Werk eine eindeutige Preisangabe. Wer sich eine Fotografie von Hirsts berühmten Medikamentenschränkchen für 26.700 Dollar nicht leisten kann, kann sich einen Porzellan-Katzenkopf von Kiki Smith für 800 Dollar gönnen oder auf jeden Fall für 40 Dollar eine Rolle Toilettenpapier der Künstler Tim Noble & Sue Webster mit nach Hause nehmen. Bedruckt mit einem Selfie des Duos und natürlich handsigniert.

Der zweigeschossige Showroom in SoHo ist die erste Other-Criteria-Location außerhalb Englands und mit 280 Quadratmetern weit größer als die Galerien in London und Ilfracombe. Hier wird das komplette Sortiment ausgestellt. Ein Besuch der Laden-Galerie gleicht einer kulturellen Entdeckungsreise. In dieser Fundgrube verbirgt sich Großes und Kleines von 35 internationalen Künstlern, eine Menge Ironie, Witz und auch Tiefsinniges, das sich oft erst beim zweiten Hingucken erschließt.

Was genau sind eigentlich diese „anderen Kriterien“, die der Name der Galerie verspricht? „Ach, der Name, der ist Damien so aus dem Stehgreif eingefallen. Er wollte einfach Dinge kreieren, die außerhalb seiner üblichen Tätigkeit liegen. Diese anderen Kriterien sind also alles, was uns gefällt und interessiert. Damals fing alles mit Büchern an“, erinnert sich Beard. Damals, das war 2005. In dem Jahr gründete Damien Hirst Other Criteria ursprünglich als Verlagshaus, mit Hugh Allen und Frank Dunphy. Hirst wollte unabhängig und in eigener Regie Bücher veröffentlichen. Seine eigenen Werke, aber auch die von anderen Kollegen, die er, selbst ein leidenschaftlicher Kunstsammler, schätzt. Sowohl von jungen unbekannten als auch etablierten Kollegen. Vier Jahre später eröffnete das Kreativ-Gespann dann seine erste Galerie in London, ein zweiter UK-Store folgte in Ilfracombe. Mittlerweile verlegen die drei Auflagenkunst in allen möglichen Ausführungen und Formen von Künstlern wie Cindy Sherman, Kehinde Wiley und Jeff Koons: limitierte Drucke, Möbel, Skulpturen, T-Shirts, Geschirr, Skateboards und andere Kuriositäten. Und natürlich immer noch jede Menge Bücher.

Das Konzept „Kunst für Jedermann“ ist nicht neu. Schon Marcel Duchamp ließ seine Kunstobjekte als Multiple herstellen. Die serienmäßige Auflage von Objekten, die den breiten Konsum von Kunst ermöglichen sollte, revolutionierte in den Sechzigerjahren die bis dato elitäre Kunstwelt. Auch der deutsche Künstler Joseph Beuys verewigte sich mit diesem Ansatz. „Wenn ihr all meine Multiples habt, dann habt ihr mich ganz“, sinnierte er. Zeitgenössische Kollegen wie Gerhard Richter, Takashi Murakami und Tracey Emin produzieren ebenfalls gelegentlich Editionen ihrer Arbeiten. In Hamburg versucht Siegfried Sander in seiner Galerie „Multiple Box“ schon seit 1998 Kunst anhand von limitierten Drucken der breiten Masse zugänglich zu machen. Und der New Yorker Mega-Galerist Larry Gagosian eröffnete vor ein paar Jahren eine eigene Boutique für bezahlbare Kunstobjekte und limitierte Editionen. Damien Hirst jedoch ist der erste berühmte Künstler, der diese Philosophie eigenhändig als Kurator mit einem selbst gegründeten Verlag und Laden umsetzt.

Ausgerechnet Hirst, dessen Werke dazu beitragen, den aufgeheizten Kunstmarkt der letzten Jahre immer weiter aufzublähen. Bei Auktionen jagt ein Spitzenpreis den anderen. Letztes Jahr versteigerte Christie’s Francis Bacons Triptychon „Three Studies of Lucian Freud“ für 142,4 Millionen Dollar. Das teuerste Werk, das bisher je unter den Hammer kam. Auf der anderen Seite feiern Museen weltweit mit ihren Blockbuster-­Ausstellungen Rekordbesucherzahlen. Verwässert Kunst zum Konsumartikel und Statussymbol? Und tragen Läden wie Other Criteria dazu bei, wenn sie Kunst auf Strandhandtüchern und Kaffeetassen verkaufen? „Wir sind nicht wie Museen, die die berühmtesten Werke ihrer Sammlung als Souvenir auf Kühlschrankmagnete oder Postkarten drucken. Wir kollaborieren mit den Künstlern und geben ihnen die Möglichkeit zu machen, was sie wollen. Gerade bekannte Künstler haben oft den Wunsch, ihre Werke mit Menschen zu teilen, die ihre Arbeit schätzen, sich die Unikate aber nicht leisten können. Und manche wollen eben gern ein T-Shirt bedrucken“, verteidigt sich Beard. Sie haben Other Criteria nicht gegründet, um reich zu werden, fügt er mit einem Ausrufezeichen in der Stimme hinzu. Sondern: „Wir wollen nur machen, was wir lieben – mit Künstlern, die wir lieben.“

Die Künstler, die Other Criteria verkauft, werden von Damien Hirst handverlesen. Dann haben sie Narrenfreiheit. „Wir verfolgen kein striktes Programm, sondern lassen die Künstler entscheiden, wonach ihnen ist. Wir setzen sie auch nicht mit einer Deadline unter Druck. Wenn es fertig ist, ist es fertig“, so Jason Beard. Konzeptionell lässt Other Criteria den Künstlern freie Hand, stellt ihnen aber Produk­tionsmöglichkeiten zur Verfügung. Ohne die wären solche limitierten Sonderprojekte finanziell nicht zu stemmen. „Wir legen großen Wert auf die Herstellung und Qualität, suchen für jedes Projekt die passenden Kunsthandwerker und Traditionsmanufakturen und lassen meistens noch alles per Hand anfertigen“, so Beard. Don Brown paarten sie zum Beispiel mit der Münchner Porzellanmanufaktur Nymphenburg. Mit deren Know-how verwirklichte der Bildhauer 20 zarte Porzellanskulpturen von dem Ebenbild seiner Frau Yoko, nackt. Die lebensgroßen Love-Rettungsringe aus Wolle von John Isaacs fertigte eine Schneiderin aus London an. „Wir wollen die Künstler ermutigen, ganz neue und ungewohnte Sachen auszuprobieren“, sagt Beard, „und freuen uns jedes Mal wieder aufs Neue auf das Ergebnis.“ NG

IssueGG Magazine 04/14
City/CountryNew York/ U.S.
PhotographyOther Criteria