Filter View All InterviewPlaygroundPersonalitiesTravelOfficesPrime Properties
Allgemeine GeschäftsbedingungenWiderrufsbelehrungE-MagazineGG AbonnementAboutMediadaten

Kengo Kuma by Uta Abendroth | 20. Juni 2015 | Personalities

Klare Linien, Ein- und Durchblicke sowie traditionelle japanische Baustoffe, Kengo Kumas Gebäude verschmelzen mit ihrer Umgebung. Die meditative Atmosphäre überzeugt auch in Europa. Das jüngste Projekt des Architekten ist das V&A Museum of Design im schottischen Dundee. Und das direkt am Wasser, dem Element, das den Japaner inspiriert.

Nichts ist so mächtig wie frühe Erinnerungen, die sich – nicht bewusst gedacht und gesteuert – in unserem Kopf einnisten. Im Fall von Kengo Kuma dreht sich alles um Gerüche, genauer: um den Duft von Hinoki-Holz und Tatami-Matten. Der japanische Architekt wurde in der Hafenstadt Yokohama geboren und wuchs in einem Haus auf, das noch vor dem Zweiten Weltkrieg gebaut worden war. In diesem alten Gebäude dominierten die Materialien Holz und Reisstroh, sie gaben ihre Aromen an die Umgebung ab. Kengo Kuma sagt, dass diese bis heute zu seinen persönlichsten Erinnerungen zählen und er einen entscheidenden Zusammenhang zwischen den Gerüchen und der Atmosphäre eines Hauses sieht.

„Was innen ist und was außen, ist eine Frage der Definition, das Verhältnis kann sich umkehren. Ein wenig wie bei Yin und Yang.“ Kengo Kuma

Die japanische Architekturtradition ist stark mit diesen Faktoren verwoben. Auch wenn es uns Westlern merkwürdig vorkommen mag, es geht in Japan weniger um visuelles Design oder das möglichst spektakuläre In-Szene-Setzen eines Gebäudes. Vielmehr spielen die Integration eines Hauses in die Landschaft, die Erschaffung von Raum und eben traditionelle Materialien, verbunden mit vertrauten Gerüchen, eine entscheidende Rolle. Und natürlich der Aspekt des „Shakkei“. Nach dieser Gestaltungsphilosophie wird weit Entferntes optisch in die Gartengestaltung einbezogen, durch die Fenster in das Innere eines Bauwerks geholt und somit zu einem Teil der gesamten Komposition. In Japan bezeichnet man diese Methode als „geborgte Landschaft“. Kuma arbeitet oft mit diesem Stilmittel. Seine Fassaden setzen sich entweder aus schachbrettartig versetzten Paneelen zusammen oder sie sind so raffiniert durchbrochen, dass stets ein Blick nach draußen möglich ist, sei es auf die dahinter liegende Natur oder Wasser oder andere Gebäude in der Umgebung. Für den Architekten ist es entscheidend, dass Räume miteinander kommunizieren – und das ist nur möglich, wenn Wände nicht kompakt sind. „Ich mag es, offene und geschlossene Flächen nebeneinanderzustellen“, sagt der 60-Jährige. „Durch die gleichzeitige Wahrnehmung von Materialität und Immaterialität überlagert sich ein Gebäude mit der Natur, die es umgibt. Dieser Aspekt ist sehr wichtig: Wenn es gelingt, einen kontinuierlichen Übergang zwischen einem Gebäude und seiner Umgebung herzustellen, haben wir etwas richtig gemacht. Die Qualität von Architektur entsteht für mich durch dieses Zusammenspiel.“

Ausgangspunkt für jedes von Kumas Projekten ist jedoch das Material. Während viele Architekten die Frage der Baustoffe auf einen späteren Zeitpunkt ihres kreativen Prozesses schieben, ist sie bei dem zwischen Ost und West, zwischen seinen Studios in Tokio und Paris Pendelnden das A und O. Er lässt sich Hölzer unterschiedlichster Qualitäten oder Fliesen in seine Büros bringen und prüft ihre Fähigkeit, einem seiner Entwürfe einen besonderen Look zu verleihen. Das allerdings vor dem Hintergrund, dass regionale Besonderheiten, klimatische Bedingungen und Traditionen berücksichtigt werden. So konzipierte Kuma etwa in Yusuhara, einem Ort, der rund 340 km südwestlich der Stadt Kobe in einer wunderschönen, grünen Berglandschaft liegt, den Yusuhara Markt. Der dreigeschossige Baukörper mit Markthalle und Hotel dient als Ort der Begegnung und bezieht sich mit den Materialien Stroh und Holz auf die historischen Raststätten „Cha Do“. In einem Wald nahe der Großen Mauer errichtete Kuma ein Haus aus Bambus, einem Material, das ursprünglich von Japan nach China eingeführt wurde und in diesem Kontext für eine Art von kulturellem Austausch steht.

„Die Architektur des 20. Jahrhunderts hat ihre Form durch Beton gefunden. Im 21. Jahrhundert sollten wir uns weicherer Materialien bedienen.” Kengo Kuma

Die Raffinesse seiner Entwürfe kommt so gut an, dass der Japaner auch in Europa zu einem gefragten Architekten und Interior-Designer avanciert ist. Mit seinem 2007 eröffneten Teehaus im Garten des Frankfurter Museums für Angewandte Kunst realisierte Kengo Kuma sein erstes Gebäude in Deutschland und überraschte mit einer weichen Hülle aus transluzentem Kunststoff. In Mailand verkleidete er das Innere des Camper-Shops vom Boden bis zur Decke mit gerasterten Sperrholzregalen. Im Pariser Showroom von Shang Xia reihen sich 10.000 glänzend weiße Fliesen in einer Art Backsteinmuster an den Wänden. Das Konservatorium in Aix-en-Provence erhielt eine Fassade aus Aluminiumplatten, deren „gefaltete“ Oberfläche nicht nur ein interessantes Licht- und-Schattenspiel hervorruft, sondern auch an Origami, die japanische Kunst des Papierfaltens erinnert. Ein Projekt, das noch im Entstehen begriffen ist, ist das Victoria and Albert Museum of Design im schottischen Dundee. Kuma hatte den Wettbewerb für das Museum 2012 gewonnen, 2017 soll die Eröffnung sein. Der Entwurf erinnert an ein Schiff, dessen Seitenwände von Riefen durchzogen werden, die aber durchlässige Streifen sind, durch die Licht in die Ausstellungsräume fallen kann, und die gleichzeitig für die Ventilation sorgen.

Wie der Bug eines Schiffes ragt eine Ecke des Baus über den Fluss Firth of Tay in Craig Harbour und schafft damit eine Verbindung zu dem Element, das für Kengo Kuma von entscheidender Bedeutung ist: Wasser. Im japanischen Atami hatte der Architekt 1995 das bis heute viel kopierte „Water/Glass House“ errichtet. Durch den Einsatz künstlicher Wasserbecken gehen der Wohnraum und ein von Glasflächen umschlossener Tisch optisch fast nahtlos in den dahinter liegenden Ozean über. Kuma ist fasziniert von Wasser, da es wie ein Sensor auf seine Umgebung reagiere und die Wolken sowie das Sonnenlicht reflektiere. Und viele seiner Ideen, so sagt er, kämen ihm, wenn er ein Bad in einer heißen Quelle nähme … ua

IssueGG Magazine 03/15
City/CountryTokio/ Japan
PhotographyPress Images Kengo Kuma