Molto Elegante! by Uta Abendroth | 28. August 2015 | Personalities
In Mailand wird Guglielmo Miani nicht nur für sein attraktives Aussehen und seine elegante Erscheinung bewundert. Der Enkel des berühmten Gründers der exquisiten Schneiderei Larusmiani führt das Familienunternehmen als CEO und Präsident in eine neue Dimension und macht das Label nun auch mit einer Damenkollektion international bekannt.
Ich war noch ein Kind, als ich den ersten Anzug aus unserem Shop bekam, von Hand gearbeitet mit der ganzen Expertise und der Leidenschaft unserer Schneidermeister“, erinnert sich Guglielmo Miani. Der 39-Jährige ist CEO und Präsident von Larusmiani, einer Marke, die sein Großvater gleichen Namens 1922 gegründet hatte. Er führt ein Erbe fort, das ebenso viel Traditionsbewahrung wie Innovationswillen von ihm verlangt. Er scheint das mit leichter Hand zu beherrschen. Als Absolvent des in Wellesley nahe Boston gelegenen Babson Colleges startete Guglielmo Miani zunächst in Amerika eine Karriere im Finanzwesen. Doch im Jahr 2000 kehrte er nach Italien zurück und stürzte sich in die Textilbranche, um schließlich die Leitung des Familienunternehmens zu übernehmen.
Im goldenen Dreieck von Via Montenapoleone, Via Sant’Andrea und Via della Spiga nördlich des Doms befinden sich die Flagship-Stores der italienischen Top-Modemarken. Mittendrin der Showroom und das Atelier des Labels Larusmiani, Hüter all der Werte, die man mit „Made in Italy“ in Verbindung bringt. Man taucht ein in eine Art Salon, in dem die Farbe Blau dominiert, ruhige Musik umgarnt den Kunden – der Lärm der Straße ist schnell vergessen. In diesem Ambiente, wo Stoffproben auf raffinierte Art und Weise an den Wänden präsentiert werden, entstehen Anzüge und Hemden noch genauso wie in den Zwanzigerjahren, als Guglielmo Miani Senior sich als Schneider selbstständig machte. Er avancierte schnell zum Liebling der milanesischen Gesellschaft. „Mein Großvater pflegte den Kontakt zu vielen bekannten Persönlichkeiten, Musikern, Schriftstellern und Politikern, in der legendären Aperitivo-Bar ,Camparino‘ am Domplatz“, sagt Guglielmo Miani. „Er erwarb damals die Lizenz, und die Bar wird bis heute von unserer Familie geführt. In einer Ecke steht immer noch eine kleine Skulptur mit seinen Gesichtszügen.“
„Drei Teile gehören in den Schrank eines Mannes: ein Smoking, ein blauer Blazer und ein weißes Leinenhemd.“ Guglielmo Miani
Was Guglielmo Senior damals den Durchbruch bescherte, waren – ausgerechnet in Italien – Regenmäntel. 1936 kamen die englischen Trenchcoats in Mode und in diesem Stil schneiderte der gebürtige Apulier seine wetterfesten Überzieher. Am Ende war dieser Mantel sogar die Inspirationsquelle für das Firmenlogo. Die Möwe heißt auf Lateinisch Larus und ist einerseits mit ihren wasserabweisenden Federn eine Art Sinnbild für die Regenmäntel, andererseits mit ihrem Nimbus von Unabhängigkeit und Ungebundenheit ein Motto der Marke. In Kombination mit dem Familiennamen Miani wurde daraus Larusmiani. Das Label war so erfolgreich, dass es bald fünf Schneiderateliers im Zentrum Mailands betrieb und Persönlichkeiten wie den Herzog von Edinburgh, Ehemann der englischen Königin, den wohl bekanntesten italienischen Komödianten Totò, Buster Keaton, Charlie Chaplin und viele andere zu seinen Kunden zählte.
Riccardo Miani, Sohn des Firmengründers, lag die Schneiderkunst weniger. Stattdessen konzentrierte er sich in den Sechzigerjahren auf die Entwicklung und Herstellung von Stoffen. „Ihm waren die englischen Stoffe, die mein Großvater im großen Stil importiert hatte, zu ,old-fashioned‘“, erinnert sich Guglielmo Miani. „Der Trend ging zu neuen, innovativeren Textilien, die insgesamt weniger schwer und weicher sind.“ Denn die fließenden Stoffe sind ein Teil des ebenso eleganten wie lässigen italienischen Anzugs, der eine eher weiche Silhouette formt. Typisch ist der figurnahe Schnitt, der die Taille und die Schultern betont.
„Es geht um die richtige Balance von Tradition und Innovation.“ Guglielmo Miani
Dass die verwendeten Stoffe durch ihre Softness, ihre Geschmeidigkeit oder Elastizität ein wichtiger Faktor in Sachen Wohlfühlen sind, ist klar. Aber sogar die Art der Herstellung beeinflusst den Tragekomfort. „Die Qualität des ,fatto a mano‘ liegt auch darin, dass eine Naht, die mit der Hand ausgeführt wird, im Gegensatz zu einer, die mit der Maschine genäht wird, viel flexibler ist“, erklärt Guglielmo Miani. „Die Stiche sind nicht so stramm und so passt sich ein handgenähtes Kleidungsstück den Bewegungen seines Trägers ganz anders an.“
Rund 40 Schneider beschäftigt Larusmiani heute für seine Made-to-measure-Kunden. Um ein Jackett zu fertigen, sind 21 Arbeitsschritte vom Anfertigen des Papierschnittmusters über den Zuschnitt mit der Schere, das Nähen mit der Hand und das Bügeln bis zum Einsticken des Firmenlogos und dem mindestens zweistündigen „Ruhen“ des Kleidungsstücks nötig. Das dauert alles in allem rund 24 Stunden. Allein das Nähen eines Knopflochs mit mindestens einem halben Meter Garn beansprucht rund 14 Minuten. Ein Hemd entsteht in 17 Arbeitsschritten, eine Hose in 18. Es steckt echte Leidenschaft in dieser Tätigkeit – und Können. Ein Larusmiani-Kleidungsstück steht für italienische Handwerkskunst ebenso wie für einen zeitlos klassischen Stil.
Doch nicht alle Kunden haben den Wunsch nach Bespoke-Anzügen und -Hemden, Damenmode war über Jahrzehnte kein Thema. Seit 2010 aber gibt es – ergänzend zu der seit Jahren etablierten Herrenkollektion, die Creative Director Gianluigi Di Nino verantwortet, der bei Brioni und später bei Tom Ford tätig war – eine Damenkollektion. Alice Etro, die Nichte von Guglielmo, verwendet für ihre Entwürfe oft Stoffe, die aus der Herrenkollektion stammen, gibt den Outfits aber einen eigenen, sehr femininen Touch. „Die Idee, zusätzlich zu der Prêt-a-Porter-Kollektion für Männer auch Mode für Frauen anzubieten“, so Guglielmo Miani, „entstand eigentlich nur deshalb, weil Frauen sich in unseren Geschäften immer wieder eingekleidet haben.“ Eine wichtige Marktlücke für die Traditionsmarke und eine Chance für den Firmenerben, seine Ideen einzubringen.
Die Boutique im Herzen Mailands ist das Aushängeschild der Marke. Doch längst ist Larusmiani auch in anderen Ländern vor Ort, wo außergewöhnliche Qualität und eine gewisse Einzigartigkeit geschätzt werden. In New York beispielsweise ist das Label bei Bergdorf Goodman vertreten. Es soll weitere Dependancen unter anderem in Dallas, San Francisco, Atlanta und Miami geben. In Russland, Saudi-Arabien und im Takashimaya in Tokio ist Larusmiani schon präsent, der erste Shop in China soll Ende des Jahres eröffnen. Dass Larusmiani auf eine ganz andere Art schon längst ein Global Player ist, liegt an dem Firmenzweig, der Textilien produziert. Rund zwei Millionen Meter Tuch verlassen in jedem Jahr die Manufakturen. Zu den Abnehmern zählen unter anderem Gucci und Prada, die „Made in Italy“ längst als Synonym für Stil in aller Welt etabliert haben. ua