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Benzin im Blut by Michaela Cordes | 6. September 2015 | Personalities

Bei seinem Anblick werden die coolsten Männer zu nervösen Jungs. In diesen Tagen lädt Lord March wieder zum Goodwood Revival auf seinen Familiensitz im Süden Englands. Wie der ungewöhnliche Aristokrat sein Zuhause in ein erfolgreiches Mekka für Motorsport-Fans verwandelte, was er von Stanley Kubrick lernte, und warum er heute von Formel-Eins- und Hollywood-Stars verehrt wird.

Glamouröse Gäste haben sich da im Londoner Mayfair versammelt. Tim Jefferies, der mit seiner Hamiltons Gallery zu den wichtigsten Galeristen für Fotografie gehört, hat zur Vernissage für seinen Freund geladen: Charles Gordon Lennox, Earl of March and Kinrara. Auch Tom Cruise, Nick Mason, der Drummer von Pink Floyd, und Mega-Designer Marc Newson sind gekommen und bestaunen die Fotografien des sympathischen Lords, der mit seiner kühnsten Vision weltberühmt geworden ist: Goodwood!

Das Mekka für Autofreaks im Süden Englands, das jährlich bis zu 300.000 Fans aus aller Welt in seinen Bann zieht. Reich und arm, jung und alt, berühmt und unbekannt – sie alle pilgern zweimal im Jahr auf das prächtige 48 Quadratkilometer große Familienanwesen – zum Festival of Speed im Juni und, wie in diesen Tagen im September, zum berühmten Goodwood Revival.

Einige Wochen später sind wir zum Interview auf Goodwood House verabredet. Hier sind 13 verschiedene Unternehmen der Familie und auch das Hauptquartier von Rolls-Royce untergebracht. Lord March hat schnell einen Business Lunch beendet. Der Händedruck ist warm und herzlich, der Anzug klassisch. Er lacht echt und häufig, am liebsten über sich selbst. Vielleicht wird er deswegen gern mit dem Schauspieler Hugh Grant verglichen.

Schon seine Kindheit verbrachte Lord March auf Goodwood. Was sind seine eindrucksvollsten Erinnerungen? „Als kleiner Junge kam ich früher zweimal im Jahr zu Besuch zu meinen Großeltern. Ich liebte diese Besuche. Das Pferderennen Glorious Goodwood im Juli war besonders aufregend, weil die Königin für eine Woche bei uns wohnte. Ich erinnere mich an all die Menschen in roten Uniformmänteln und blankgeputzten Schuhen (lacht). Sie landete in ihrem großen roten Hubschrauber im Garten! Wenn ich früh aufwachte, konnte ich all ihre 150 wunderschönen Pferde beim Training bewundern. Ein fantastischer Anblick!“ Aber nicht Pferde, sondern schnelle Autos wurden zu seiner Leidenschaft. „Mein Großvater Freddie (Frederick Gordon Lennox, der 9. Duke of Richmond, Anm. d. Red.) war vor dem Krieg ein erfolgreicher Rennfahrer und Ingenieur, der sich seine Autos und Flugzeuge selbst baute. Aber eigentlich war es meine Großmutter, die diese Leidenschaft für schnelle Autos in mir weckte. Sie sah es gern, wenn ich mit meinem Großvater Zeit verbrachte, und kaufte ihm Bücher und Magazine über Rennwagen, damit er sie mir schenkte (lacht).“

„Die Leidenschaft habe ich von meinem Großvater Freddie. Er war ein begnadeter Rennfahrer!“
Lord March

Im Jahr 1966, als der kleine Charles gerade zehn Jahre alt war, beendete sein Großvater das Kapitel Autorennen auf Goodwood. Ein Moment, den Lord March bis heute erinnert: „Es brach mir das Herz, als mein Großvater die Rennstrecke schloss, aber die Autos waren zu schnell geworden, Unfälle passierten, Freunde meines Großvaters verletzten sich.“ Wurde seine Vision von Goodwood heute damals geboren? „Nicht wirklich. Die Idee, die Rennstrecke wieder zu eröffnen, kam mir erst 1991, kurz bevor ich nach Goodwood zog. Ich brauchte frische Ideen, um höhere Einnahmen zu generieren. Ich dachte mir: In den 50er-Jahren war Goodwood berühmt. Ist es möglich, diese Begeisterung wieder wachzurütteln? Das war allerdings komplizierter als gedacht. Es gab Widerstand aus den lokalen Behörden. Deswegen begann ich erst mit dem Festival of Speed. Da konnte man mir nicht reinreden, weil wir hier in England das Recht besitzen, auf dem eigenen Grundstück 28 Tage lang zu machen, was wir wollen. Das Problem mit der alten Rennstrecke war, dass sie 1980 eine Lärmminderung aufgedrückt bekam, weil sie für Formel-Eins-Tests genutzt wurde. Sieben Jahre lang haben wir verhandelt, Lärmschutzwände gebaut, bis wir sie 1998 wieder eröffnen durften.“

In der Zwischenzeit fand 1993 das erste Festival of Speed statt. Das einzige Event weltweit, das alle Genres des Motorsports miteinander verbindet. Mit Bonhams, Honda und Aston Martin als Sponsoren an Bord lud Lord March zu seinem ersten Auto-Festival, das weniger als 100.000 Pfund kostete. Heute liegen die Kosten bei mehr als zehn Millionen. „Das zeigt, wie sehr wir gewachsen sind. Zu der Zeit warben wir in Zeitungen und im Radio und erwarteten nicht mehr als 2.000 Besucher. Als wir eröffneten, strömten 20.000 Gäste auf unser Grundstück! Wir waren total überrascht und wussten nicht, wohin mit den vielen Autos.“

Was macht seine Events so sexy? „Es ist der Zugang. Jeder kann mit jedem reden, auch mit den größten Stars. Nichts passiert hinter verschlossenen VIP-Türen. Zu uns kommen Sammler, Autoliebhaber und Fanatiker. Von den reichsten Menschen der Welt bis zu denen, die für ein Ticket hart sparen müssen. Es ist die Begeisterung für Autos, die sie alle verbindet. Hier geht es nicht um Geld. Zum Revival kommen unsere Gäste sogar herausgeputzt in Originalkostümen aus den 50er- und 60er-Jahren. Für manchen mag das merkwürdig klingen, aber es ist faszinierend. Bei uns ist es nicht so, als ob man sich ein Fußballspiel anschaut. Hier sind alle Gäste Teil des Ganzen.“ Auch echte Formel-Eins-Stars. Welche waren denn noch nicht dabei? „Es fällt mir schwer, das zu sagen, aber Michael Schumacher ist außer Nico Rosberg der einzige Weltmeister, der noch nicht in Goodwood war. Jean Todt hatte eigentlich vor, ihn dieses Jahr mitzubringen. Eine schreckliche Sache, sein Unfall. Davon abgesehen hatten wir hier schon sämtliche Formel-Eins-Teams. Sie lieben die alten Autos. Jenson Button hat hier einige Runden in Prosts McLaren gedreht. Hinterher erzählte er mir, dass er sich noch daran erinnern kann, als sechsjähriger Junge Alain Prost im Fernsehen gesehen zu haben, wie er den McLaren fuhr. Das sind magische Momente!“

„Als Jenson Button bei uns den alten McLaren von Prost fuhr – solche Momente sind magisch!“
Lord March

Jay Leno, Nick Mason, Tim Allen, Ralph Lauren oder Jerry Seinfeld – sie alle sind besessene Autosammler. Bei der Vernissage in London konnte man beobachten, wie Tom Cruise auf Lord March zuging und ihn herzlichst umarmte. „(Lacht) Auch Tom ist ein großer Sammler! Er liebt seine Autos und Flugzeuge. Manchmal kommen berühmte Menschen mit dem Wunsch, ein bestimmtes Auto fahren zu wollen. Und den versuchen wir ihnen dann zu erfüllen.“ Was vielleicht vielen Jugendlichen Mut gibt, ist die Tat­sache, dass Lord March mit 16 Jahren seine Schulausbildung in Eton abbrach, um Fotograf zu werden. Aber bevor er dafür nach London ging, musste er sich von einem schweren Autounfall erholen. „Ich war 16 und liebte die Fotografie und Autos. Eines Tages nahm ich mir heimlich das Auto meiner Mutter und fuhr den Hügel, den wir heute für das Festival of Speed nutzen, hoch, ging in die Kurve – und verunglückte. Vier Monate musste ich auf dem Rücken liegen, beide Beine verletzt. Ein Jahr lang konnte ich mich kaum bewegen. Als es mir besser ging, folgte ich der Liebe wegen meiner Freundin nach London und zog an die Kings Road.“ Nur kurze Zeit später arbeitete Lord March für den legendären Regisseur Stanley Kubrick. Wie ergattert man einen so begehrten Job? „Durch einen Freund, der mir erzählte, dass Kubrick nach einem Standfotografen für den Film ,Barry Lyndon‘ suchte. Der Job selbst war nicht so wichtig. Aber ich lernte viel, wenn Kubrick sich abends meine Fotos anschaute. Diese Momente haben mich gelehrt, an der Vision der Perfektion festzuhalten und niemals mit Kompromissen zu starten.“

Ein Jahr später begleitete der 18-jährige Lord eine Gruppe von Ärzten als Fotojournalist durch Somalia und Kenia. Zurück in London, feierte er über die nächsten Jahrzehnte Erfolge mit Kampagnen als Werbefotograf für angesehene Marken wie De Beers, Benson & Hedges, Silk Cut und Glenfiddich. 22 Jahre später, als sein Vater ihn bat, das Familienanwesen zu übernehmen, musste der dynamische Aristokrat swinging London und eine erfolgreiche Karriere zurücklassen. Hat es je Momente gegeben, in denen er mit seiner zukünftigen Rolle haderte? „Nicht wirklich, weil ich ja damit aufgewachsen war und immer wusste, dass dies meine Verantwortung ist. Es gibt viele Menschen, die dieses System – der älteste Sohn erbt alles – für unfair halten. Ich halte es für gut, weil man nur so gewährleisten kann, dass der gesamte Besitz überlebt. Aber es ist lustig, wenn ich heute zurückschaue und sehe, wie viele Menschen ich damals als Fotograf traf, die mir später mit meiner Arbeit hier halfen. Zum Beispiel mit der Frage der Platzierung von Goodwood als Marke.“

Mit der wachsenden Popularität seiner Veranstaltungen erfährt der Classic-Car-Markt zurzeit einen ungeahnten Boom. Im Juni 2013 wurde ein W 196 Mercedes Grand Prix für 19,6 Millionen Pfund versteigert – der höchste Preis, den je ein Auto auf einer Auktion erzielte. Und Sotheby’s gab gerade bekannt, man habe sich mit 25 Prozent am Auto-Auktionshaus RM Auctions beteiligt. Wie stark hat Lord March auf solche Rekordpreise und Entwicklungen Einfluss? „Wir beobachten, dass der Wert eines bestimmten Typs massiv in die Höhe schießt, wenn wir ein Rennen veranstalten. Zuletzt haben wir das bei unserem Ford-GT40-Rennen gesehen. Anschließend sind die Preise für diesen Typ durch die Decke gegangen. Sammler kommen zu uns, um ihre Autos mit einem großen Publikum zu teilen. Diese geteilte Freude macht das Sammeln natürlich noch viel attraktiver.“

Lord March schaffte mit seinem Goodwood auch einen blühenden wirtschaftlichen Erfolg. Als er den Besitz übernahm, machte man acht Millionen Umsatz. Heute generieren 650 Mitarbeiter 70 Millionen Pfund pro Jahr, wozu seine Auto-Events den größten Teil bei­tragen. Luxusfirmen wie Bonhams, Cartier, Veuve­ Clicquot, Rolls-Royce, Rolex und Ferrari stehen Schlange, um die eleganten, beliebten Veranstaltungen als Sponsoren zu unterstützen. „Man braucht für all das einen höchst geschäftstüchtigen Grips, der nicht notwendigerweise in der Aristokratie zu finden ist“, schwärmte jüngst die britische Ausgabe des Magazins „Town & Country“. Was ist das Geheimnis? „Es ist kein Geheimnis, dass wir profitabel sein müssen, um zu überleben. Ich schaue mir täglich an, was wir schon haben und was wir daraus machen können. Seit Jahrhunderten ist es unsere Tradition, die Leidenschaften der Familie mit der Welt zu teilen. Alle Aktivitäten, die wir hier anbieten, sind authentisch mit Goodwood gewachsen. Der erste Duke kaufte das Anwesen 1607 für die Fuchsjagd. Sein Sohn liebte das Cricketspiel, daher findet man bei uns die ältesten Cricketregeln der Welt. Der Duke und der König von England gründeten 1802 das Pferderennen. Natürlich gibt es auch Geschäftszweige, die niemals profitabel sein werden, wie zum Beispiel unsere Biofarm, aber wir würden sie niemals weggeben. Sie ist ein wichtiger Teil der Geschichte von Goodwood, war die große Leidenschaft meiner Mutter und ist es jetzt von meiner Frau. Unsere Milch zum Beispiel, so hat sich gerade herausgestellt, schmeckt besonders gut im Kaffee, daher schicken wir täglich einen Tankwagen nach London und beliefern dort unabhängige Coffeshops.“

Was wünscht sich der Lord für Goodwoods Zukunft? „Mein ältester Sohn ist 20 und studiert noch in Oxford Theologie. Ich wünsche ihm, dass er seine eigene Karriere macht, bevor er übernimmt. Meine nächste Herausforderung wird es sein, herauszufinden, wie wir eine Milliarde Menschen virtuell erreichen können, die nicht nach Goodwood kommen können. Ich denke, es gibt viele Möglichkeiten, wie wir unsere Inhalte digital nutzen können. Ich möchte es schaffen, dass jeder, der sich leidenschaftlich für Goodwood interessiert, auch daran teilhaben kann.“ MC

IssueGG Magazine 04/15
City/CountryWesthampnett/ United Kingdom
PhotographyUli Weber
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