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Die Lebensretterin by Michaela Cordes | 27. November 2015 | Personalities

Als ihre Mutter vor 25 Jahren an Blutkrebs erkrankte, gründete ihr Vater die DKMS. Gerade mal 15 Jahre alt, flüchtete sich Katharina Harf damals mit ihrer Trauer in eine akademische Eliteausbildung, die sie über Harvard zu ihrer wahren Bestimmung führte. Seit 13 Jahren kämpft die DKMS-Botschafterin und Mitgründerin von DKMS USA nun selbst mit bedingungsloser Hingabe für den weiteren Ausbau der heute größten Stammzellenspenderdatei der Welt.

Das „Greenwich Hotel“ in New York City. Auf dem sonnigen Patio beendet Katharina Harf gerade ein Meeting. Plötzlich rauscht Bradley Cooper im Trainingsanzug an ihr vorbei. Alle anwesenden Damen schauen dem berühmten Schauspieler und Frauenschwarm sehnsüchtig hinterher. Bis auf Katharina. Sie hat eine ganz andere Idee. „Interessiert dich Charity?“, fragt sie ihn, als ein gemeinsamer Freund die beiden einander vorstellt. Katharina: „Er lächelte und fragte: ,Wie kann ich helfen?‘“ Nur wenige Wochen später sitzt der Hollywoodstar für die DKMS bei einem der größten TV-Networks, ABC, in der News-Show „Good Morning America“ vor der Kamera. 4,6 Millionen Menschen schauen zu, als er neben sich auf der TV-Couch den 29 Jahre alten Anthony Daniels vorstellt, einen am Lymphdrüsenkrebs Hodgkin-Lymphom erkrankten Sportler, der nach dem vierten Rückfall dringend einen Stammzellenspender sucht. Noch am selben Tag melden sich dank der Aktion des Schauspielers 4.000 freiwillige Spender bei der US-Dependance der DKMS.

„Durch meine Arbeit lebt meine Mutter weiter.“ Katharina Harf

„Das war ein unglaublicher Moment!“, sagt Katharina Harf, immer noch ergriffen von der Vielzahl der neu registrierten Stammzellenspender. Seit 13 Jahren kämpft die junge Mutter mit Charme, bedingungsloser Hingabe und kreativen Ideen für Blutkrebspatienten, die dringend auf eine Stammzellenspende warten. Erst brachte sie die Organisation aus Deutschland in die USA, seit letztem Jahr reist sie auch als internationale DKMS-Botschafterin um die Welt. „Berühmte Menschen für den Zweck unserer Organisation und damit für das Thema Blutkrebs zu interessieren, ist nicht so einfach. Aber wenn sie verstehen, dass sie uns damit helfen Leben zu retten, sind die meisten sehr engagiert.“ Kontakte knüpfen, Gelder sammeln, in Ländern für Aufmerksamkeit sorgen, wo man sie gerade am meisten braucht – all das macht die außergewöhnliche Lebensretterin ehrenamtlich und mit einer Leidenschaft, die sie seit ihrer Kindheit von ihrem Vater, dem erfolgreichen Unternehmer Dr. Peter Harf, vorgelebt bekam. „Angefangen hat alles mit dem Schicksal meiner Mutter, die vor 24 Jahren an Blutkrebs starb“, erzählt Katharina beim Milchkaffee auf demselben Patio in Tribeca und wird dabei etwas nachdenklich. „Ich erinnere mich noch genau an die Zeit damals. Ich war 14 Jahre alt, ein sehr schüchternes Kind, als meine Mutter mit 45 an Krebs erkrankte. Und an meinen Vater, wie er ihr weiterhin das Gefühl gab, die schönste Frau der Welt zu sein, auch ohne Haare. Meine Eltern kannten sich seit der Tanzschule. Sie hatten sich mit 16 getroffen. Wir waren gerade in den Sommerferien in Griechenland, als meine Mutter merkte, dass etwas nicht stimmte. Sie war trotz starker Sonne blass, hatte dauernd eine leicht erhöhte Temperatur und am ganzen Körper blaue Flecken, was schon ein Anzeichen für schlechte Blutwerte ist.

Laut DKMS erhält alle 16 Minuten ein Mensch in Deutschland diese Diagnose. Jedes Jahr erkranken mehr als 917.000 Menschen weltweit an Blutkrebs. Die DKMS sucht und vermittelt Stammzellenspender für Menschen mit Blutkrebs und anderen Erkrankungen des blutbildenden Systems. Mit weltweit mehr als 5,5 Millionen Registrierten und über 50.000 ermöglichten Stammzellentransplantationen ist die DKMS die größte Stammzellenspenderdatei der Welt, die zurzeit mit Büros in Deutschland, USA, Polen, Spanien und Großbritannien vertreten ist. Blutkrebspatienten können die Krankheit oft nur mithilfe einer Stammzellspende eines passenden Spenders besiegen. Aber nur ein Drittel aller Patienten findet innerhalb der Familie seinen genetischen Zwilling. Die Wahrscheinlichkeit, einen passenden Spender außerhalb der eigenen Familie zu finden, liegt bei eins zu 20.000 bis zu eins zu mehreren Millionen. Jeder fünfte Blutkrebspatient sucht immer noch vergeblich einen passenden Spender.

„Als meine Mutter starb, gab es 3.000, heute vermittelt die DKMS weltweit fünf Millionen Spender.“ Katharina Harf

„So ähnlich war es auch bei meiner Mutter. Nachdem es ihr nach der Chemotherapie zuerst gut ging, bekam sie einen Rückfall und dann gab es nur noch eine Hilfe: die Knochenmarkstransplantation. Obwohl sie sechs Geschwister hatte, fand sich unter ihnen kein genetischer Zwilling. Also musste ein Spender außerhalb der Familie gefunden werden. Aus dieser Not ist damals die DKMS entstanden. Denn vor 24 Jahren gab es in Deutschland gerade mal 3.000 regis­trierte Stammzellenspender.“

Dr. Peter Harf, der damals seine erfolgreiche Karriere als CEO bei dem Reinigungsmittelkonzern Benckiser begonnen hatte, ließ erstmals in seiner beruflichen Laufbahn alles stehen und liegen, trommelte Freunde, Ärzte und Familie zusammen, startete Spenderaktio­nen in ganz Deutschland von Frankfurt über Köln bis nach Berlin und konnte schließlich 68.000 Fremdspender aktivieren.

„Für meine ältere Schwester Viktoria und mich war das damals keine leichte Zeit. Auch weil wir für diese Spenderaufrufe auf Flugblättern erschienen, im Fernsehen gezeigt wurden und unsere Geschichte öffentlich bekannt wurde. Aber meine Mutter verwandelte sich – und das habe ich später mit vielen Patienten erlebt – durch die Krankheit in eine sehr starke Persönlichkeit und ließ sich vor uns Kindern keine Schwäche anmerken.“

Doch nach 12 Monaten Kampf stirbt Mechthild Harf. „Mein Vater musste meiner Mutter versprechen, weiterzumachen für all die anderen Patienten, die weltweit auf einen Spender warten.“ Während sich die DKMS in den folgenden Jahren als Institution in Deutschland etabliert, zieht Katharina Harf – damals gerade 15 Jahre alt – mit ihrem Vater, ihren Großeltern und der Schwester von Frankfurt nach New York und flüchtet sich in den Jahren danach in eine akademische Eliteausbildung. „Ich war schon seit früher Kindheit eine sehr ehrgeizige Schülerin und ging erst auf ein Internat, die Exeter Academy in New Hampshire, und anschließend nach Harvard, wo ich Philosophie studierte.“

„Mein Motto? Der kürzeste Weg zum Glück ist es, anderen zu helfen. Ich möchte meiner Tochter Eva ein Vorbild sein, so wie mein Vater es stets für mich war.“ Katharina Harf

Bei Louis Vuitton folgte ein Traineeprogramm. Eine Kombina­tion aus dem Arbeiten in den Shops und in deren Büros. Auf der Fifth Avenue in New York City arbeitet sich Katharina Harf innerhalb von zwei Jahren bis zum Junior Manager hoch und steigert die Umsätze um 30 Prozent. „Das war der härteste Job! Ich war gerade mal 25, hatte ein Team von acht Mitarbeitern und musste täglich Unmengen von Schuhkartons balancieren – ich, wo ich doch ohnehin so ungeschickt bin! Seitdem habe ich einen ungeheuren Respekt vor Menschen, die im Dienstleistungsgewerbe tätig sind.“ Aber immer öfter stellt Katharina Harf ihren Beruf infrage. „Dass ein Job hart sein muss, Diszi­plin und Verantwortungsgefühl erfordert, all das hatte mir mein Vater ja immer vorgelebt. Für eine Non-Profit-Organisation zu arbeiten, das wäre mir damals nicht in den Sinn gekommen!“ Als Katharina sich kurz darauf für einen Master of Business-Programm an der Columbia Universität anmeldet, wird sie sich plötzlich ihrer Sinnkrise immer mehr bewusst. „Ich spürte auf einmal, dass mich dieser Karriereweg nicht begeisterte. Dass ich wirklich alles versucht hatte, um eine große Businesskarriere hinzulegen. Nach nur drei Vorlesungen verließ ich die Universität und buchte spontan ein Ticket zu meiner Schwester nach München, die schon immer eine Art Mutterersatz für mich war. Dort verbrachte ich fast fünf Wochen, weil es mir so miserabel ging. Und natürlich kroch dazu auch der Verlust meiner Mutter wieder in mir hoch.“ Es ist ihr Vater, der plötzlich die rettende Idee hat. „Eines Tages während dieser Wochen des Zweifelns sagte er zu mir: ,Warum bringst du DKMS nicht nach Amerika?‘“

Das war 2003. „Seitdem weiß ich, dass die DKMS meine Bestimmung ist. Wenn ich heute zurückschaue, ist es ganz logisch, denn ich wollte immer schon Menschen helfen,“ sagt Katharina Harf heute. Aus einem winzigen Büro in Manhattan, das ihr Vater ihr zur Verfügung stellte, baut sie das Hauptquartier der DKMS USA von New York aus auf. „Heute verfügt DKMS weltweit über fünf Millionen registrierte Spender. Im Mai 2016 feiern wir unser 25. Jubiläum auf der jährlichen DKMS-Gala in New York City und werden auch in Deutschland diesen wichtigen Tag mit einem großen Presse-Event würdigen. Es wird außerdem ein Spender-­Patienten-Treffen geben, bei dem dieser besondere Moment, ein Leben gerettet zu haben, Realität wird. Wir investieren in neue Standorte, weil wir immer noch nicht für jeden Patienten den passenden Stammzellenspender haben. Wir unterstützen Forschungsprojekte, die Therapien für  Blutkrebs­patienten  weiterentwickeln und zukünftig besser helfen, Leben zu retten. Daher ist unser Slogan auch ,Wir besiegen Blutkrebs‘.“

Wie fühlt sich das an, jeden Tag Menschen zu retten? „Ich liebe es! Auch weil meine Arbeit auf eine ganz besondere Art und Weise meine Mutter für mich am Leben erhält. Es ist nicht einfach, etwas zu finden, das so viel Spaß macht und gleichzeitig so erfüllend ist. Vor Kurzem habe ich Raymond Chambers getroffen, einen der größten und diskretesten Wohltäter der Welt. Von ihm stammt der Satz: ,Der kürzeste Weg zum Glück ist es, anderen zu helfen.‘ Nach dem Motto lebe ich. Und außerdem möchte ich meiner Tochter ein Vorbild sein, so wie mein Vater es stets für mich war.“ MC

Spenden für DKMS

Die Registrierung als Stammzellenspender ist ganz einfach. Auf www.dkms.de/regist rierung können Sie ein Set mit Wattestäbchen anfordern, das zu Ihnen nach Hause geschickt wird. Damit nehmen Sie einen Abstrich der inneren Wangenschleimhaut und senden diesen an das Labor. Nach der Registrierung bei der DKMS stehen die Gewebemerkmale der Spender für die Suche von Patienten auf der ganzen Welt zur Verfügung. Sollten Ihre Gewebemerkmale mit denen eines Patienten übereinstimmen, ­folgen weitere Tests und eine eingehende Untersuchung. Grundsätzlich gibt es zwei Methoden Stammzellen zu spenden:

1. Periphere Stammzellenentnahme – mit etwa 80 % ist dies die am häufigsten durchgeführte Spendemöglichkeit. Dabei wird dem Spender über fünf Tage der Wachstumsfaktor G-CSF verabreicht, der auch natürlich im Körper vorhanden ist. Dieses Medikament steigert die Anzahl der Stammzellen im peripheren Blut, die dann über ein spe­zielles Verfahren direkt aus dem Blut ge­wonnen werden. Während der Gabe des Medikaments können grippeähnliche Symp­tome auftreten. Für die periphere Stammzellenentnahme ist kein stationärer Aufenthalt notwendig. 2. Knochenmarksentnahme – dabei werden dem Spender unter Vollnarkose etwa 5 % des Knochenmarks entnommen, das sich ­innerhalb von rund zwei Wochen vollständig im Körper regeneriert. Nach der Entnahme kann für wenige Tage ein lokaler Wundschmerz entstehen, ähnlich dem einer Prellung. Der Spender bleibt für zwei bis drei Tage in der Klinik.

Ohne Geld kein Leben – da die DKMS eine Non-Profit-Organisation ist, ist die Stiftung auch auf finanzielle Spenden ange­wiesen. Für die Registrierung eines einzigen Stammzellenspenders investiert die DKMS 50 Euro. Um die Datei, die weltweit genutzt wird, weiter auszubauen, zählt ­daher jeder Euro.

Weitere Informationen unter www.dkms.de

IssueGG Magazine 01/16
City/CountryLos Angeles/ U.S.
PhotographyMark Seelen
Vimeo

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