Culture Girls by Michaela Cordes | 4. März 2016 | Personalities
Sieben Jahre lang haben Marlies Verhoeven und Daisy Peat das Sotheby’s Preferred Program geleitet, bis sie im vergangenen Sommer ihr eigenes Business gründeten. The Cultivist – ein einzigartiger, weltweiter Club, dessen Mitglieder vor allem eins ausmacht: ihr großes Interesse an der Kunst. Die ungewöhnliche Erfolgsstory einer eigentlich ganz simplen Idee: Nicht nur Sammler sind willkommen!
In der Royal Academy in London mit dem Anwalt des Künstlers Ai Weiwei über die rechtlichen Konsequenzen seiner politisch kontroversen Arbeiten diskutieren. Im MoMA mit Handschuhen die Skulpturen von Picasso erfühlen. Oder mit Joan Punyet Miró, Enkel des berühmten Malers, bei Cocktails und katalanischem Essen dem Werk des spanischen Künstlers gedenken – nur einige der ungewöhnlichen Ideen, wie man weltweit Kunst erleben darf. Der Preis dafür? Eine Mitgliedschaft beim ersten globalen Kunstclub The Cultivist. Die brillante Idee stammt von Marlies Verhoeven und Daisy Peat, die es sich zum Ziel gemacht haben, die Kunstwelt auf immer wieder neue und bemerkenswerte Art und Weise Menschen zugänglich zu machen, die noch keine Sammler sind, es aber eventuell werden wollen. Innerhalb von nur sechs Monaten haben sich schon 400 Mitglieder bei The Cultivist angemeldet – und das trotz des stolzen jährlichen Mitgliedsbeitrags von 2.500 Euro. GG traf Marlies Verhoeven zur Teatime im Londoner „Soho House“.
Wie erklären Sie sich Ihren schnellen Erfolg? Die Kunstwelt ist eine sexy Industry. Wir leben in einer Zeit, in der vieles überkonsumiert wird. Kunst bleibt eins der wenigen Dinge, mit denen man sich heute von der Masse absetzen kann. Wenn man Gäste in sein Zuhause einlädt und an den Wänden Kunst zu sehen ist, die einen persönlichen Bezug herstellt, das zeigt Persönlichkeit. Die eigene Kunstsammlung erzählt oft eine Geschichte über den Besitzer – wie er sie entdeckt hat, was ihn mit dem Künstler verbindet, wie er sie erstanden hat. Im Grunde geht es um Kultur.
Wie kam die Idee für The Cultivist? Meine Geschäftspartnerin Daisy Peat und ich haben vor sieben Jahren zusammen das Sotheby’s Preferred Program gegründet, das ausschließlich für große Sammler gedacht war. Wir wurden mit der Zeit immer bekannter und größer, sodass sich auch immer häufiger große Mode- und Interiordesigner sowie Architekten für uns interessierten. Tastemaker, die sich Zugang zu unserem Programm wünschten, die wir aber nicht aufnehmen durften, da wir sehr streng auf große Sammler zugeschnitten bleiben sollten. Dazu kam unser persönlicher Wunsch und die Lust auf mehr „cutting edge“ und mehr „contemporary art“. Daraus ergab sich unsere Geschäftsidee fast von allein.
Ein rasanter Erfolg! Ja, besonders, wenn Sie bedenken, dass wir sechs Monate rechtlich nichts machen durften, nachdem wir bei Sotheby’s gekündigt hatten.
Wie reagierte man dort auf Ihren Weggang? Daisy und ich gingen gleichzeitig, später sind dann einige unserer Kollegen zu uns gestoßen. Da wir keine Kunst verkaufen – nur das „Erlebnis Kunst“ –, sind wir ja keine echten Wettbewerber. Im März 2015 haben wir unsere eigene Firma gegründet und im Juni dann gelauncht.
„Die Kunstwelt ist eine sexy Industry! Aber ein so großes Interesse – auch von vielen wichtigen Medien – hätten wir nicht erwartet.“ Marlies Verhoeven
Wer steht hinter The Cultivist? Meine Geschäftspartnerin und ich – und rund zehn Mitarbeiter. Daisy lebt in London, ich in New York. Dass wir schon so lange miteinander arbeiten und in diesen für die Kunst wichtigen Städten zu Hause sind, macht uns zu einem perfekten Team. Wir haben Vertrauen zueinander und die besten Kontakte in beiden Städten. Dazu bringt uns das alles unheimlich viel Spaß!
Früher gehörte es zum guten Ton, Töchter aus gutem Hause für ein Kunstprogramm bei Sotheby’s oder Christie’s nach London oder New York zu schicken. Heute wird ein gewisses Kunstverständnis vorausgesetzt. Inwiefern hat sich die Kunstwelt in den letzten zehn Jahren verändert? Meine und auch die Eltern meines Mannes sind Sammler aus Holland und Belgien. Wenn ich früher auf Messen oder ins Museum ging, dann mit meinen Eltern. Man sammelte Gemälde von alten Meistern und musste dafür die alten Symbole verstehen können. Viele Menschen wissen gar nicht, wie kompliziert das sein kann, wie viel Verständnis und Know-how dies erfordert. Ich persönlich glaube bis heute, dass die alten Meister die viel sicherere Investition sind. Aber seitdem die Kunstwelt immer mehr auf Contemporary Art setzt und Künstler heute wie Superstars hofiert werden, hat sich etwas geändert, weil die Kunstwelt, die für viele Jahrzehnte mit so viel Geheimnissen behaftet war, durch diese Kunstrichtung auf einmal für ein viel breiteres Publikum zugänglich wurde. Dass sich das Interesse für die Kunst plötzlich nicht mehr auf Experten und Kenner beschränkte, sondern ein Teil des Zeitgeists geworden ist, hat uns auch in unserer Idee bestärkt.
Wie wird man Mitglied bei The Cultivist? Man füllt auf unserer Website einen Antrag aus. Dann führen wir mit dem Antragsteller ein Interview, und der zukünftige Member zahlt den Jahresbeitrag. Wir beraten nicht und verkaufen auch keine Kunst. Das ist wichtiger, als wir zunächst dachten. Wenn man uns anruft, behandeln wir jeden als Mitglied, nicht als Kunden. Wir sind sozusagen ein internationaler Club von Menschen, die Kunst lieben. Unser Service beinhaltet fünf Bereiche: freien Museumszugang, Eintritt zu Kunstmessen, Travel Support, Concierge Service und die Clubgemeinschaft.
Wie gewinnen Sie neue Mitglieder und was sind die Kriterien für eine Aufnahme? Häufig bringen neue Mitglieder weitere Mitglieder, das macht uns die Recherche leicht. Der wichtigste Aspekt ist ein echtes Interesse an der Kunst. Unsere Mitglieder sind zwischen 22 und 74 Jahre alt. Wir haben auch schon jemanden aufgenommen, der Lockenten für die Jagd sammelt – einfach weil wir erkannten, der Mann hat eine echte Sammlerseele.
Haben Sie auch schon mal jemanden abgelehnt? Ja – wir haben in einigen Ländern eine Warteliste.
Was macht eine Mitgliedschaft bei The Cultivist so wertvoll? Ich denke, das ist unsere Datenbank. Wir kennen die Künstler, an denen unsere Mitglieder interessiert sind, und können aufgrund unserer Kenntnisse und Kontakte ein tolles Programm erstellen. Das haben wir schon an den unglaublichsten Orten geschafft. Zuletzt in Baku. Für die Ehefrau eines Members, die ihren Mann auf eine Geschäftsreise begleitete und Lust auf Kunst hatte. Wir verbinden auch Mitglieder miteinander, wenn es Sinn macht – die Kunstwelt ist eine so kleine Welt.
The Cultivist in zehn Jahren – wie sieht Ihre Vision aus? Unsere Unabhängigkeit zu bewahren. Und wir möchten nicht, dass unsere Mitglieder sich an etwas „verkauft“ fühlen. Das ist es, was uns so attraktiv macht und warum unser Konzept so gut ankommt. Wir können empfehlen, connecten, aber wir haben mit der kommerziellen Seite nichts zu tun. MC