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Geniestreich der Haute Horlogerie by Siems Luckwaldt | 4. März 2016 | Offices

Keine Manufaktur hat länger und ohne Unterbrechung Uhren höchster Präzision gefertigt als Vacheron Constantin. Seit 260 Jahren ergänzt die Marke, ein Juwel im Portfolio des Luxuskonzerns Richemont, ihr reiches Erbe durch neue Meilensteine und bewahrt die kunsthandwerkliche Expertise für die Zukunft. Der bisher eindrucksvollste Beweis: das neue Rekordmodell Ref. 57260, die komplizierteste Uhr der Geschichte.

„Das Universum bringt mich in Verwirrung. Ich kann nicht verstehen, wie ein solches Uhrwerk bestehen kann ohne einen Uhrmacher,“ so grübelte der französische Philosoph Voltaire 1734 in seiner „Abhandlung zur Metaphysik“ über Gott und die Welt. Voltaire versuchte sich später selbst – erfolglos – in der Uhrenbranche. Dabei hätte er von einem irdischen Meisteruhrmacher lernen können, wie Zeitmesser die Jahrhunderte und all ihre Moden überdauern können. Schließlich lebte der vielleicht wichtigste Autor der Aufklärung und berüchtigte Satiriker genau in jenem Jahr in Genf, als ein junger Uhrmachermeister dort den Grundstein für ein Unternehmen legte, das in seiner Beständigkeit alle Konkurrenten hinter sich lassen sollte.

Die calvinistische Stadt an der Rhône galt damals für viele als Fluchtburg, als Rom des Protestantismus, was indirekt zum Aufstieg der Uhrenzunft beitrug. Am 17. September 1755 stellt der damals 24-jährige Jean-Marc Vacheron hier, im Viertel Saint-Gervais, seinen ersten Lehrling ein – der Startschuss einer eindrucksvollen Markengeschichte. Eine silberne Taschenuhr, gleichsam technisch versiert und optisch ausgefeilt, wurde zum Symbol für die beiden herausragenden Merkmale des Hauses. Die Partnerschaft des Enkels von Jean-Marc, Jacques Barthélémi Vacheron, mit dem Kaufmann FranÇois Constantin fügt 1819 dem Firmennamen seine andere Hälfte hinzu. Constantin ist es auch, der durch ausgedehnte Reisen für Expansion sorgt. Und in einem Brief an seinen Kompagnon das Credo von Vacheron Constantin formuliert, das bis heute die Richtung aller Entscheidungen vorgibt: „Es wenn möglich immer besser machen – und das ist immer möglich.“

Ein Satz, der simpel klingt,dessen Umsetzung jedoch in der Haute Horlogerie im Wortsinn hochkompliziert ist. Die drei Uhrmachermeister jedenfalls, die vor acht Jahren begannen, ihr Berufslebens ganz der Entwicklung des bahnbrechenden neuen Modells mit der Referenznummer 57260 widmeten, können definitiv von sich behaupten, dem Ideal von „besser“ so nah gekommen zu sein wie menschlich möglich.

„Die einzigartigen Stücke der ‚Métiers d’Art‘-Kollektion bieten unserem Team Raum zur Entfaltung ihrer Fähigkeiten.“ Juan Carlos Torres

Jean-Luc Perrin (50) ist seit 20 Jahren bei Vacheron Constantin, Yannick Pintus (38) arbeitet seit 17 Jahren im Unternehmen, sein Bruder Micke Pintus (41) seit 21 Jahren. „Les 3P“ nennen Kollegen die drei liebevoll. Das erinnert an „Die 3 Musketiere“, doch statt mit Mantel und Degen „kämpfte“ das Trio mit seinem ganzen Fachverstand, endloser Kreativität und größter Konzentration auf winzige Probleme dafür, eine Taschenuhr zu entwickeln, wie es sie nie zuvor gab. Sagenhafte 57 Komplikationen sollte sie haben! Den bisherigen Rekordhalter, ein Modell von Patek Philippe mit 33 Komplikationen und einem Preis von circa 2,3 Millionen Euro, zu übertrumpfen, war bei dieser Aufgabe bloß das i-Tüpfelchen. Begonnen hat dieses Abenteuer en miniature mit einem Kundengespräch, erzählt Dominique Bernaz, Retail Director von Vacheron Constantin. „Dieser anonyme Käufer besitzt etliche unserer Uhren und hatte nur einen Wunsch: ‚Konstruieren Sie für mich die komplizierteste Uhr ever.‘ Ach ja, und hübsch aufgeräumt und übersichtlich sollte das Zifferblatt trotzdem bleiben.“ Für „Les 3P“ bedeutete das: bei Null anfangen, zig Prinzipien neu denken, ohne Vorgaben, ohne Tabus.

Die erste Hürde: eine Uhr mit so vielen Funktionen – u. a. der Sternenhimmel sowie Sonnenauf- und -untergang am US-Wohnsitz des Kunden, Westminster-Glockenspiel mit Nachtautomatik, zweite Zeitzone mit 24-Städte-Ring – trotz 31 Zeigern gut lesbar zu gestalten. Die zweite Hürde: alle 2.825 Bauteile dieses Mechanik-Labyrinths auszubalancieren. Die bahnbrechendste Innovation im Innern des Meisterwerks aus 18 Karat Weißgold ist der komplexe hebräische Kalender. Die „Goldene Zahl“ 19, unzählige weitere schwierig zu integrierende Zyklen … „Keine Manufaktur hat sich jemals erfolgreich daran versucht“, betont Dominique Bernaz. Doch „Les 3P“ gelang auch dies.

Immer neue Herausforderungen motivieren die Uhrmachermeister von Vacheron Constantin zu Bestleistungen und erfülltem Schaffen. Gleichzeitig sichern Bildungskooperationen den Nachwuchs. „Unsere Abteilung für Maßanfertigungen, das ‚Atelier Cabinotiers‘, und die einzigartigen Stücke der ‚Métiers d’Art‘-Kollektion bieten unserem Team viel Raum zur Entfaltung seiner Fähigkeiten, und wir haben immer ein offenes Ohr für neue Ideen“, weiß CEO Juan Carlos Torres – und unterstreicht damit die immense Bedeutung der Ref. 57260 für das Unternehmen.

Auf die nimmermüde Fantasie von Vacheron Constantin vertrauten bereits in der Vergangenheit illustre Kunden. Zar Alexander II. und Zarin Marija Alexandrowna, die in den 1860er-Jahren einen opulenten Zeitmesser für ihren drittgeborenen Sohn, Großfürst Wladimir Alexandrowitsch, bestellten. Anfang des 20. Jahrhunderts gab auch der Maharadscha von Patiala, Sir Bhupinder Singh, einige Sonderanfertigungen in Auftrag. Ebenso wie der New Yorker Bankier Henry Graves Jr. und der US-Automobilfabrikant James Ward Packard. Solche Vorbesitzer machen historische Uhren von Vacheron Constantin zu Lieblingen bei Sammlern wie Auktionshäusern, wo sie immer wieder gegen Höchstgebote den Besitzer wechseln.

Ebenso wie ihrem Fokus auf technische Meisterschaft, elegantes Design und die außergewöhnliche Verzierung nahezu aller Komponenten bleibt die Marke ihrer Genfer Heimat treu. Die Gründungsimmobilie beherbergt heute eine Vacheron-Boutique, das Archiv und weitere Abteilungen. Und neben dem 2004 im Genfer Stadtteil Plan-les-Ouates errichteten Firmensitz von Architekt Bernard Tschumi, der die Manufakturfläche auf 17.000 Quadratmeter verdoppelte, gehört der Standort Le Brassus im Vallée de Joux seit 2013 zum Kosmos von Vacheron Constantin.

Doch zurück zum Rekord-Trio, den „3P“. Ganze zwei der insgesamt acht Jahre Entwicklungsarbeit hat allein die Montage der Ref. 57260 gedauert. „Wenn man zu emotional und zart besaitet ist, dann steht man ein so zeitaufwendiges Projekt nicht durch“, erklärt Dominique Bernaz die wichtigste Eigenschaft eines Meisteruhrmachers: Nerven wie Drahtseile! „Im Grunde überstehen Sie acht Jahre voller Krisen für einen einzigen Tag des Triumphs. Dann nämlich, wenn die Uhr dem Kunden übergeben wird.“ sl

 

IssueGG Magazine 02/16
City/CountryGeneva / Switzerland
PhotographyPress Pictures Vacheron Constantin
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