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Harmonie der Gegensätze by Eva Müller-May | 4. März 2016 | Personalities

Seit über 25 Jahren vereint das Ehepaar Jan und Monique des Bouvrie seine konträren Stile zu einem gemeinsamen Ganzen. In einem kreativen Prozess – und dank spannender Debatten – schafft das holländische Architekten-, Inneneinrichter- und Designer-Duo auffallende Wohnwelten auf der ganzen Welt.

Der quadratische Bürotisch von Jan des Bouvrie ist wie seine Architektur: schwarzweiß, funktional, clean. Darauf befinden sich zwei leere Aschenbecher im Mondrian-Muster und ein Zeichenheft. Die wenigen schwarzen Linien auf weißem Blatt lassen ein Kanapee erkennen. „Ich bringe meine Ideen auf Papier und diskutiere sie dann mit meiner Frau und dem Designteam im Detail“, erklärt der holländische Architekt und Designer. In seinem Büro sind alle Wände weiß. An einer hängt eine Schwarz-Weiß-Fotografie von Yves Marchand und Romain Meffre, die das Gewölbe der Michigan Central Station zeigt. In dem mit Gas gespeisten Kamin flackert ein Feuer. Man fühlt sich sofort wohl.

„Ich bin Legastheniker, reagiere auf optische Reize extrem sensibel und brauche Leere, um das Chaos in meinem Kopf zu ordnen“, erklärt Jan des Bouvrie (73). „Ich dulde nur wenig Design und ausgesuchte Kunstwerke. An weißen Wänden wirken sie am besten!“ Er sammle Kunst, seit er denken kann. Zu Beginn tauschte er mit unbekannten Künstlern Möbel gegen Kunstwerke. Heute ist er ein bedeutender Sammler zeitgenössischer Kunst, jedes Stück ein „geliebtes Werk“. „Das Büro meiner Frau sieht ganz anders aus“, sagt der Architekt. „Monique ist ebenso kunstbegeistert, hat aber auch gern Bücher, Magazine, Farben und Objekte um sich.“ Das kreative Paar empfängt im „Het Arsenaal“ in der mittelalterlichen Festungsstadt Naarden, knapp 20 Kilometer von Amsterdam  entfernt. Das Gebäude von 1688 war bis 1987 in Militärbesitz, 1991 kauften es die des Bouvries, renovierten es und richteten hier ihre Architektur- und Designagentur mit eigenem Showroom ein sowie einem Concept Store für Lifestyle, Think Tanks für Wohnideen, Mode, Beauty, Accessoires und zwei Restaurants.

Jan des Bouvrie steckt sich einen Zigarillo an. Seine Frau sitzt zu seiner Linken am Bürotisch. Der ist quadratisch, eher ungewöhnlich. Warum? „Hier sind alle Kanten identisch und jeder Gesprächsteilnehmer kann sich als gleichberechtigt verstehen.“ „Ja, aber du hast den bequemsten und größten Sessel“, neckt Monique des Bouvrie ihren Mann. Sie richtet auf der Tischplatte einen der Aschenbecher neu aus, parallel zu einer schwarzen Linie: „Wir sind beide Ästheten, kompromisslose Perfektionisten und detailversessen, aber jeder hat seinen eigenen Stil. Sehr gegensätzlich!“

1961 begann Jan des Bouvrie seine Karriere nach einer Ausbildung an der Gerrit Rietveld Academie in Amsterdam. Schnell wurde er einer der erfolgreichsten niederländischen Architekten und Möbel­designer. Weil er früh mit dem geläufigen Einrichtungsstil gebrochen habe, glaubt er: „Es gab zu viele Materialien, die Räume waren oft mit ‚shit‘ überfüllt. Ich sagte meinen Kunden: ‚Stellt alles bei schönem Wetter in den Garten, schaut es aufmerksam an und räumt nur das wieder ins Haus, was ihr wirklich braucht oder euch am Herzen liegt‘.“ Er sei einer der ersten gewesen, der eine monochrom weiße Innenarchitektur zum Stilprinzip erklärte, mit ausgewählter Kunst Akzente setzte. Und wenn das Budget der Kunden beschränkt war, lackierte er kurzerhand bestehende Innenausbauten und die Küchenmöbel in Weiß.

„Rietveld hat mich gelehrt, auf Überflüssiges zu verzichten und mit Simplizität meine Formensprache zu perfektionieren.“ Der legendäre Designer ist Jan des Bouvries Vorbild. Aber auch Le Corbusier und Mies van der Rohe haben ihn beeinflusst, insbesondere dessen Glaspavillon in Barcelona: Wenn er in dem Haus stehe und in die Natur hinausblicke, dann empfinde er ein großes Glücksgefühl, schwärmt Jan des Bouvrie. Er definiert seine architektonische Maxime klar: Ein Privathaus konzipiert er von innen nach außen. Mit großen Fensterfronten. Im Zentrum befindet sich immer die Treppe. Es gibt keine Türen, nur eine zum Gäste-WC. Alle Räume fließen ineinander. Er verwendet wenige, edle Materialien. Inneneinbauten wie Einrichtung sind zumeist weiß. Ein Bett oder einen Küchenblock positioniert er mitten im Raum: „Aus welchem Grund soll ein Bett immer an der Wand stehen? Und warum sollen Küchenzeilen an den Wänden befestigt werden?“ Mit Lichteffekten und ausgewählter Kunst setzt er Akzente. Außen sind die Häuser ebenfalls weiß, immer symmetrisch, mit weiten Fensterfronten in schwarzen Rahmen. Breite Vordächer überspannen die Fassaden und lassen das Innen und Außen wie eine Einheit erscheinen. „Das ist der rote Faden, meine Handschrift.“

Die Idee on „less is more“ hat Jan des Bouvrie auch dann nicht aufgegeben, als er vor rund 25 Jahren begann, mit seiner zweiten Frau Monique zusammenzuarbeiten. „Ich wünschte mir manchmal, dass du in deiner Architektur mehr Risiken eingehst“, sagt sie. „Aber warum?“, fragt ihr Mann – rein rhetorisch. „Große Künstler wie Fontana oder Chagall erkennt man ja auch an ihrem individuellen Stil!“ Monique des Bouvrie, früher Model, blonde Kurzhaarfrisur, schwarze Lederhose, eine Weste aus kurz geschorenen Wollfäden, ist für die Inneneinrichtung im Team zuständig. „Ich möchte überraschen. Suche nach dem besonderen Etwas.“ Jan des Bouvrie unterbricht: „Ha, genau. Kürzlich hat Monique in einer Villa an der Rückseite des Bett-Kopfendes Glas-Etageren für die Designerschuhe der Kundin bauen lassen!“ „Ja, aber die war begeistert! Jeder Schuh wirkt so wie eine Skulptur“, entgegnet Monique. „Ich höre den Kunden aufmerksam zu, sehr aufmerksam!“ Niemals würde sie gegen deren Geschmack oder Lebensweise wirken. Sie hat inzwischen eigene Auftraggeber, mit vielen sei sie befreundet, sagt sie. „Jan und ich sind selten einer Meinung. Wir pflegen unsere kreativen Kämpfe. Gerade darum sprengen wir festgefügte Denkrahmen.“ „To think out of the box“ nennt sie das.

Eine Synergie der Gegensätze, die beachtenswerte innovative Szenerien hervorbringt. Und das rund um den Globus: Sie arbeiten in den Niederlanden und Belgien, in Moskau, Miami, Indien, Costa Rica, Curacao und an der Côte d’Azur. Sie ist risikofreudiger als er, ohne aber einen Raum je zu überladen. Monique bringe „Sex-Appeal“ in ein Haus, wurde ihr Einrichtungsstil einmal beschrieben. „Sagen wir lieber eklektischen Glamour“, korrigiert sie. Ihr Mann hat inzwischen Kompromisse in Gewerbebauten gemacht und verwendet hier – sehr spektakulär – Farbe. Er gewöhnt sich auch daran, dass seine Frau ihre gemeinsamen Häuser in Holland, St. Tropez und der Karibik mit ihrem Stil langsam vereinnahmt. „Monique macht das ganz geschickt“, erzählt Jan des Bouvrie. „In regelmäßigen Abständen verändert sie etwas. Und sie denkt, ich merke es nicht.“  EMM

IssueGG Magazine 02/16
City/CountryNaarden/ Netherlands
PhotographyPress Images