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Der Verführer by Michaela Cordes | 3. Juni 2016 | Personalities

Seine Parfüms duften verrucht erotisch, 
verpackt sind sie wie kleine Kunstwerke. 
Mit wertvollen Essenzen Begehrlichkeit zu schaffen, das ist Kilian Hennessy 
aus der berühmten Cognacdynastie praktisch in die Wiege gelegt worden. Wir trafen den Duftmagier, der mit 
seinem Label „byKilian“ eine halbe Million Flakons im Jahr verkauft, 
in seinem geliebten Paris. 
Hier wurde nicht nur er ge
boren, sondern auch 
seine Idee, die Parfüm
industrie aufzumischen.

Allein das Auspacken seiner Produkte ist ein Fest für die Sinne: Ein silberner Schlüssel, an dem eine schwarze Seidenquaste baumelt, öffnet das schwarz lackierte Holzkästchen. Darin, im schwarzen Satinbett, wartet das Parfüm in einer handgeschliffenen Glasflasche auf seinen neuen Besitzer. „Kreationen ohne Seele interessieren mich nicht“, sagt Kilian Hennessy und erklärt in diesem unwiderstehlichen Singsang aus französischem Englisch den Grund für die aufwendig luxuriöse Verpackung seiner Düfte. Mit einer ungewöhnlichen Mischung aus Eleganz, dem Bewusstsein für traditionelles Handwerk und einem strengen Blick auf jedes noch so kleine Detail kreierte der Gründer von byKilian ein so überzeugendes Unternehmen, dass sich vor Kurzem gleich mehrere Luxuskonzerne überboten, bei dem erfolgreichen Franzosen einzusteigen.

Sie heißen „Voulez-vous coucher avec Moi“, „Liaisons Dangereuses“, „Cruel Intentions“ oder „Good girl gone Bad“ und duften nach Begierde und Wärme, nach Sinnlichkeit und Geheimnis, nach Luxus und Eleganz. Insgesamt 500.000 Flakons seiner exklusiven Düfte verkauft byKilian pro Jahr weltweit. Dazu Clutches, Duftkerzen, Seifen. Und Ohrringe oder Ketten, die man mit seinem Lieblingsduft beträufeln kann und ihn so länger erhält als auf der Haut. Vor zehn Jahren beschloss der Schöpfer dieser betörend eleganten Duftwelt, sein kleines, aber sehr feines Imperium zu gründen. 34 Jahre alt war Kilian Hennessy damals, er hatte bereits eine lange Karriere in der Parfümbranche hinter sich. Schon seine Abschlussarbeit an der Sorbonne hatte er über die Zeichensprache der Düfte geschrieben. Sich auf seinem guten Namen auszuruhen, kam ihm nie in den Sinn, betont er. Hennessy entstammt der berühmten französischen Cognacdynastie, aus der sich nach dem Zusammenschluss mit dem Champagnerlabel Moët & Chandon der Luxuskonzern LVMH entwickelte.

„Es war mir stets wichtig zu wissen: Ich verdanke meinen Erfolg mir und nicht meinem Nachnamen.“ Kilian Hennessy

GG: Als Sie 2006 Ihre Firma byKilian gründeten, waren Sie bereits 14 Jahre in der Parfümindustrie tätig und hatten erfolgreich exklusive Düfte für Firmen wie Alexander McQueen, Paco Rabanne und Giorgio Armani entwickelt. Was war es genau, das Sie anspornte, Ihr eigenes Unternehmen aufzubauen? Kilian Hennessy: Eigentlich war ich damals von dem Business sehr desillusioniert und hatte die Hoffnung aufgegeben. Für die Kosten von zwei Dollar ein Luxusparfüm zu kreieren, das im Geschäft 400 Dollar kosten sollte, also ein Luxusprodukt für die Kosten eines T-Shirts „Made in China“ – das fühlte sich einfach nicht mehr korrekt an. Ich begann, mich ernsthaft nach einem neuen Job in der Modewelt umzuschauen. Aber dann besuchte ich eines Abends das Baccarat Museum hier in Paris. Es war eine kleine Ausstellung über ein Jahrhundert Baccarat-Parfümflaschen. Ich war hingerissen. Ich bestaunte die Auslagen. Dicke Seide, handgeschliffene Flaschen. Auf einmal wurde mir bewusst, wofür Parfüm damals – am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts – stand. Wie hochwertig die Düfte damals in aufwendiger Handarbeit produziert wurden. Wie sinnlich man sie verpackte. Ich blieb einige Stunden in dem winzigen Museum und verließ es mit der Vision für meine eigene Company. Am nächsten Morgen sagte ich alle meine Verhandlungsgespräche ab und kündigte meinen Job bei L’Oréal.

Was war es genau, das Sie so sehr inspirierte? Der Gedanke, Parfüm als echtes Luxusprodukt auf den Markt zu bringen. Dem Kunden diese wunderbare Welt wieder nahezubringen. Für mich stand gleich fest: Wenn ich meine eigene Firma gründe, muss alles authentisch sein und in jedem Detail mich und meine Werte repräsentieren. Insofern hat sich der Aufbau meines Unternehmens auch nie wie harte Arbeit angefühlt. Dabei war meine Idee natürlich nicht neu, es gab ja bereits einige Parfümeure, die sich von den kommerziellen Düften verabschiedet hatten und erfolgreich ihre eigenen Firmen gegründet hatten. Wie etwa 1995 Serge Lutens, zehn Jahre vor mir. Oder auch Jo Malone.

Haben Sie damals auch Rat in der eigenen Familie gesucht? Immerhin stammen Sie aus einem Haus, das auf sehr viel Erfahrung ­zurückschauen kann und weiß, was es bedeutet, ein Luxuslabel aufzubauen. Ich sprach sehr viel mit meinem Großvater
Kilian, der denselben Namen trug wie ich, dem letzten Chef der Cognacfirma.

Was hat er Ihnen empfohlen? Wenn es um die Qualität geht, niemals Kompromisse einzugehen!

„Ich weiß nicht, wer mein Kunde ist.  Aber das würde mich und meine Vision auch nur verwirren.“ Kilian Hennessy

Mit Ihrem Nachnamen verbindet man automatisch einen kultivierten Background, traditionelle Werte, die über Generationen hinweg weitergegeben wurden, die nun auch in Ihrer Firma byKilian weiterleben – oder ist das nur eine Fantasie? Kreationen ohne eine Bestimmung, ohne Seele, sind für mich nur Dekoration – und interessieren mich nicht. Ja, ich möchte Objekte schaffen, die ein Leben lang benutzt werden können. Dafür müssen sie eine Seele besitzen. Wenn ich beginne, an einer neuen Kollektion zu arbeiten, hat diese eine starke künstlerische Grundlage. Das ist sozusagen die architektonische Struktur des Duftes.

Inwieweit ähneln sich die Cognacwelt und die des Parfüms? Nun ja, bei beiden handelt es sich um Alkohol – nur einen davon trinkt man nicht (schmunzelt). Ich denke, der Kreationsprozess ist sehr ähnlich, denn auch im Cognacgeschäft verbindet man diverse Komponenten; so lange, bis man die perfekte Balance zwischen verschiedenen Harmonien gefunden hat. Dasselbe gilt für das Parfümbusiness. Dazu kommt der kommerzielle Vertrieb. Auch hier musst du persönlich mit deinen Flaschen um die Welt reisen und dein Produkt repräsentieren und Aufmerksamkeit generieren.

Wie ist es gelungen, dass byKilian letztlich zu einem so großen Erfolg wurde? All meine Konkurrenten verwendeten damals und einige bis heute ganz einfache Glasflaschen mit Aufklebern, auf die ihr Name gedruckt ist – sehr simpel und so gar nicht hochwertig. Mit einem Plastikschraubverschluss, aber das Ganze kostet im Geschäft um die 450 Dollar. Ich habe das nie verstanden und denke, der Kunde muss sich doch fragen, wofür er so viel Geld ausgibt. Für meine erste Kollektion „L’Œuvre Noire“ besann ich mich daher auf all das, was ich in der Nacht im Baccarat Museum gesehen und erlebt hatte. Ich kreierte eine wahre Luxusparfüm-Kollektion. Ich orderte Seidenquasten, Schlüssel, lackierte Holzboxen. Wir ließen die Glasflaschen aufwendig von Hand gravieren, versahen sie mit einem Metallschild, das ebenfalls graviert den Namen zeigte, und füllten die Gravur noch zusätzlich mit einer Glasur aus, die per Spritze in die Gravur eingespritzt wurde. Ein Buchstabe nach dem anderen. So viel Liebe zum Detail! Als der erste Prototyp der Flasche mit der Verpackung fertig war, ging ich damit zu den Lieferanten und stellte ihnen mein Produkt vor. Sie müssen bedenken, damals kannte mich kein Mensch. Und die Mengen, die ich am Anfang benötigte und mit denen ich beginnen musste, waren verschwindend gering. Das hieß: sehr viel, sehr teure Handarbeit für ganz kleine Aufträge. Ich glaube, das war die größte Herausforderung: diese Lieferanten zu überzeugen, für eine ganz kleine neue Firma quasi umsonst zu arbeiten. Rückblickend ist es toll zu sehen. Ich hoffe, diejenigen, die damals an mich geglaubt haben, sind heute glücklich darüber, sich so entschieden zu haben.

„Ich hatte meinen Glauben an die Parfümindustrie schon verloren. Bis zu jener Nacht im Museum …“ Kilian Hennessy

Erinnern Sie sich noch an Ihren Durchbruch? An den Moment, als Sie wussten: Nun habe ich es geschafft? Es gab natürlich mehrere Phasen, aber unvergesslich bleibt der Tag, an dem wir unsere Premiere bei Bergdorf Goodman hatten. Das Schicksal wollte es, dass Elisabeth – meine heutige Ehefrau – damals die Einkäuferin war und mich insofern „gelauncht“ hat. Das war im Oktober 2007 mit einer Gruppe von 50 Gästen. Innerhalb von nur zwei Stunden waren all unsere 72 mitgebrachten Parfüms bis auf zwei Flaschen verkauft. Zwei Monate später standen wir schon auf Platz 7 der bestverkauften Parfüms bei Bergdorf Goodman. Einen solchen Erfolg in diesem Departmentstore zu feiern heißt, dass man nun in den gesamten USA bekannt wird und national verkaufen kann. Zwei Jahre später begannen wir Gewinne zu machen.

Mich freut besonders, wie sehr meine Kunden die Parfüms lieben. Vor Kurzen saß ich mit den Besitzern von Zadig & Voltaire zusammen, die gemeinsam mit der Firma Shiseido gerade ein Parfüm entwickeln. Sie erzählten mir, man habe über mich gesprochen: ­„byKilian, das ist Luxus, Luxus, Luxus“, habe es geheißen, „die verwenden nur die besten Zutaten.“

Dazu wirken Ihre Parfüms auch sehr erotisch! Ja, weil ich sinnliche Düfte nun mal bevorzuge. Ich habe ein paar Mal versucht, ein cleanes, frisches Parfüm zu entwerfen, aber die verkaufen sich nie so gut wie meine anderen Düfte. Ich bin von dem großen Jacques Cavallier ausgebildet worden, dem Erfinder unzähliger Parfüms der letzten Jahre; darunter solche für Issey Miyake, Yves Saint Laurent, Stella McCartney und Jean Paul Gaultier. Ich hatte riesiges Glück, dass dieser großartige Mann und talentierteste Parfümeur der Welt zehn Jahre lang mein Mentor blieb. Von ihm lernte ich das wichtigste Know-how: dass man seinen Kunden immer wieder mit einem kreativen Duft überraschen muss.

Wie genau schaffen Sie das? Wie kreiert man eine unvergessliche Duftnote? Wenn es doch so einfach wäre! Ich ziehe gern diesen Vergleich: Ein gutes Parfüm ist wie eine beeindruckende, tolle Frau – sie muss nicht unbedingt die Schönste sein, aber eine, die man niemals vergisst!

Können Sie Ihren typischen Kunden beschreiben? Ich habe keine Ahnung. Und eigentlich interessiert es mich auch nicht wirklich. Ich glaube, diese Information würde meine Vision nur durcheinanderbringen und mich ablenken. Ich verstehe meine Parfüms mehr als einzelne Kapitel eines Buchs. Daher gehen manchmal Kollektionen zu Ende, weil das Buch sein Fazit gefunden hat. Sobald ein Buch fertiggestellt ist und alle Kapitel geschrieben sind, gehe ich zum Parfümeur und versuche, die von mir gewählten Namen in Gefühlen auszudrücken.

Das heißt, Sie nennen Ihrem Parfümeur nicht Zutaten, sondern beschreiben Emotionen? Und die setzt der dann um? Nicht wirklich. Vergessen Sie nicht, ich wurde zehn Jahre lang in der Kunst der Komposition ausgebildet. Sobald ich meine Kollektion zusammengestellt habe, weiß ich auch schon, welche Essential Oils zusammenpassen und welche Noten die Gefühle am besten zum Ausdruck bringen.

Woher nehmen Sie die Inspirationen für Ihre Düfte? Von überall. Themen wie Liebe, Verführung, Versuchung, Sucht, Verbotenes und Natur gehören unweigerlich zur ganzen Welt des Parfüms. Wenn Sie einen Duft tragen, dann hat das ganz verschiedene Gründe. Das kann sowohl der Wunsch nach einer Art Waffe sein, die der Verführung dient, oder aber nach einer Rüstung, die beschützt. Man wählt sein Parfüm entweder für den Angriff oder um sich zu verteidigen.

Anfang des Jahres warben gleich mehrere Luxuskonzerne um Ihre Gunst. Ende Februar gab dann Estée Lauder Inc. bekannt, man habe byKilian übernommen. Es muss Sie stolz machen, dass Ihre Vision,  die Sie eines Abends im Baccarat Museum hatten, so erfolgreich aufgegangen ist. Ich bin nicht der Typ, der stolz auf sich ist. Das ist nicht meine Persönlichkeit. Ich schaue lieber nach vorn statt zurück. Jetzt interessiert es mich, gemeinsam mit der Familie Lauder eine Marke weiter aufzubauen, die das nächste Jahrhundert überdauern wird.

Erben großer Namen machen heutzutage ja selten Schlagzeilen mit ihren erfolgreichen selbst gegründeten Firmen. Woher haben Sie diese Stärke genommen? Es war mir immer besonders wichtig zu wissen, dass ich meinen Erfolg ausschließlich mir selbst und nicht meinem Nachnamen zu verdanken habe. Deswegen habe ich auch nie bei LVMH gearbeitet. Ich bin auch bei Gucci geblieben, als LVMH versuchte, mich zu überreden, nicht für die Konkurrenz zu arbeiten. Ich schulde euch gar nichts, war damals meine Antwort.

Ihr Großvater aber scheint eine große Bedeutung für Sie gehabt zu haben. Hat er noch an Ihrem Erfolg teilhaben können? Ja, die ersten zwei Jahre. Er war immer sehr interessiert und fragte mich gern, da wir beide ja denselben Vor- und Nachnamen teilten: Na, wie viele Flaschen haben WIR denn heute verkauft?

IssueGG Magazine 03/16
City/CountryParis/ France
PhotographyMark Seelen