Schichten lässiger Eleganz by Mark C. O’Flaherty/Livinginside | 1. September 2017 | Personalities
Die Modedesignerin Gabriela Hearst lebt mit ihrem Mann Austin und drei Kindern in Manhattan. Aufgewachsen auf einer Ranch in Uruguay, eingeheiratet in eine der großen Dynastien der USA, erobert sie mit ihrem sinnlichen Stil die Fashionwelt.
Sie kombiniere gern Möbelstücke aus dem Schloss mit moderneren Stücken, erzählt sie, und mit dem „Schloss“ meint sie selbstverständlich das Hearst-Anwesen bei San Simeon im US-Staat Kalifornien. Die New Yorker Modedesignerin Gabriela Hearst ist verheiratet mit Austin Hearst, Enkel von William Randolph Hearst, der vielzitierten Inspirationsquelle von Orson Welles’ „Citizen Kane“. Und doch ist sie nicht eine jener New Yorker Society Ladys, die mit ihrem eigenen Modelabel kokettieren. Bereits im Jahr 2004 lancierte sie ihr erstes Label, Candela: der Stil fröhlich-lässig, geprägt durch ihre Herkunft als Tochter südamerikanischer Rancher. Vor drei Jahren brachte sie Gabriela Hearst auf den Markt, eine luxuriösere Linie, doch immer noch weit entfernt von der großen Geste Oscar de la Rentas und den Upper-East-Side-Ladys, die sich im „Carlyle Hotel“ zum Lunch treffen. „In einer Arbeit geht es darum, Kleidungsschichten mit- und übereinander zu kombinieren. Ich fange von innen an und arbeite nach außen. Eine stabile Basis ist dabei besonders wichtig. Und ich arbeite viel mit dünnem Strick und weich fließenden Stoffen.“ Die meisten ihrer Entwürfe sind geprägt von ihrem persönlichen Stil, den sie als „Uniform“ bezeichnet. Ein Look, der eher an Patti Smith erinnert als an Nan Kempner. Bei unserem Treffen trägt sie einen schlichten einreihigen Blazer, eine eng geschnittene schwarze Hose, kein Make-up. Raffinierte Haken und Risse zieren ihr T-Shirt, das Haar ist zurückgebunden, an ihrem Handgelenk ein Tattoo. „Ich würde meinen Look eher als maskulin bezeichnen, obwohl ich mit zunehmendem Alter immer femininer werde. Ich fühle mich jetzt mehr im Einklang mit meinem Körper. Die Frau, die ich bekleide, zeigt nicht alles von sich. Mal eine freie Schulter oder einen Schlitz am Bein, doch nicht beides gleichzeitig.“
„Mein Look ist eher maskulin. Mit zunehmendem Alter werde ich aber immer femininer.“ Gabriela Hearst
Dieselbe Intensität, mit der sie sich um die Entwicklung ihres Modelabels kümmert, für das sie Anfang des Jahres in Paris mit dem internationalen Woolmark Prize ausgezeichnet wurde, zeigt sie auch als zupackende Vollzeitmutter. In einem Brownstone in Manhattan lebt sie mit ihrem Mann, den Zwillingen Mia und Olivia (9) und Sohn Jack (2). Die Kunst, mit einem Kleinkind ausreichend Schlaf zu bekommen, beherrscht sie mittlerweile perfekt. „Ich nehme ihn einfach mit in unser Bett und stille ihn, wenn er es möchte. Es ist eigenartig, es zeigt mir, dass auch ich nur ein säugendes Muttertier bin.“ Die Erfahrung, für ihr Kleinkind da zu sein, ist in ihre Entwürfe eingeflossen: „Für den Herbst habe ich eine Strickkombination entworfen“, sagt sie. „Einen Rock und einen Rollkragenpullover. Deren zarter Schwung zieht dich hinein und du fühlst dich leicht und dünn zugleich. Eine zweite Haut.“ Hearst war schon immer bodenständig. In den 80er-Jahren wuchs sie in einer Rancherfamilie in Uruguay auf. „Es gab kein Kabelfernsehen oder McDonald’s, und das war nicht schlecht so.“ An den Wänden des Brownstones hängen Pferdebilder und Fotos, die die Mitglieder beider Familien beim Reiten zeigen. „Wir kommen aus recht unterschiedlichen Verhältnissen, doch wir treffen uns an einem Punkt: Unsere Familien lieben Pferde mehr als Menschen.“ Zwischen den Fotos von den Hearsts zu Pferd und Fashionshoots für Reitmode hängt ein beeindruckendes Foto von Gabrielas Mutter, auf dem sie barfuß reitet. Voller Eleganz und doch frei und unkonventionell. „Es ist aus dem Jahr 1971, mit diesem Bild fing für mich alles an“, sagt Gabriela. „Viele Menschen denken, ich sei das auf dem Foto. Wir sehen uns so ähnlich. Als Siebdruck ist es auf den T-Shirts meiner ersten Kollektion zu sehen.“
Auf der Suche nach einem Zuhause für die Familie zog es die Hearsts ins West Village, denn der Stadtteil, so Gabriela, wird seinem Namen gerecht. „Es fühlt sich wirklich an, als lebten wir in einem Dorf, und dies hier sind die schönsten Straßen von ganz New York City. Die Bäume sind wunderbar. Es ist wie in London, wo ich mich immer sehr wohlgefühlt habe. Außerdem gefällt es mir, in der Nähe des Wassers zu wohnen.“ Diese Beschaulichkeit hat sich in den letzten Jahren jedoch ein wenig gewandelt. Ein Stück vom Pooldeck kann mittlerweile vom neuen Whitney Museum aus eingesehen werden, und durch den neu angelegten High Line Park kommen auch mehr Besucher als früher ins Village. Doch wenn die Familie einmal im Haus ist und die Türen geschlossen sind, ist alles still. „Ich wollte etwas Schlichtes, Einfaches. Ich möchte nicht kitschig klingen, aber für mich ist ein Zuhause eine Art Familientempel. Er soll Wärme ausstrahlen und nicht zu luxuriös sein. Denn hier begegnen wir einander, lieben und streiten uns.“ Gabriela hat eine Vorliebe für sinnliche Noten. Einige der Vintage-Stücke, die sie für ihre Einrichtung ausgewählt hat, sind mit ihren erlesenen Anzugstoffen bezogen. Und durch das Haus zieht ein Duft von frischer Minze, Ingwer und Pfeffer – obwohl es Vormittag ist, brennen in jedem offenen Kamin übergroße „Abd El Kader“-Duftkerzen von Trudon. Überall im Haus wechseln sich klassische und zeitgenössische Stücke ab. Ein Esstisch und Stühle aus Holz von Matthew Hilton, auf einem mit Ornamenten verzierten Beistelltisch („aus dem Schloss“) steht ein Kronleuchter von Lindsey Adelman. Im Untergeschoss laden bequeme Sofas mit Kissen von Anthropologie und ABC dazu ein, sich auszustrecken und zu entspannen. Wohin man auch schaut: prachtvolle Ölgemälde oder außergewöhnliche Familienfotos, auf denen Royals und Präsidenten abgebildet sind. Daneben eine beeindruckende Sammlung zeitgenössischer Kunst aus Lateinamerika. Gabriela ist eine leidenschaftliche Sammlerin – mit einem hervorragenden Blick: Zu den neuesten Erwerbungen gehören Werke des argentinischen Hyperrealisten Diego Gravinese, von Julio Alpuy und Fernando Botero. Bei allen Unterschieden bezüglich ihrer Herkunft haben Austin und Gabriela – neben der Pferdeliebe beider Familien – eine weitere Gemeinsamkeit entdeckt. In der Bibliothek steht eine medizinische Topografie aus dem 19. Jahrhundert. „Austins Urgroßvater hat sie geschrieben. Als wir uns mit ihr beschäftigten, stellten wir fest, er hat Uruguay bereist und dort geforscht. Und das zu einer Zeit, in der niemand aus den Vereinigten Staaten diesen Teil der Welt besuchte.“ Von Hengsten über Kunst und Mode bis zu literarischen Schätzen: Dieser New-York-Zweig der Hearst-Dynastie erweitert einen der berühmtesten Namen der amerikanischen Geschichte um viele neue Schichten.