Der Visionär by Michaela Cordes | 1. Juni 2018 | Personalities
Im Vordergrund stehen und über sich selbst erzählen – es gibt wahrscheinlich nichts, was Christian Völkers unangenehmer ist, als derart im Spotlight zu stehen. Viel lieber schwingt sich CV – wie er von seinen Mitarbeitern genannt wird – in Arbeitspausen auf ein Polopferd und lässt seinen Erfolg für sich sprechen. Anlässlich des 40. Firmenjubiläums von Engel & Völkers hat sich der Gründer, Vorstandsvorsitzende und die Seele des Unternehmens dennoch mit uns hingesetzt. Ein sehr persönliches Gespräch über harte Anfangszeiten, kühne Ideen, die Kraft guter Freundschaften und einen erfüllten Traum.
Europas größter Immobilienmakler. Häuservermittler der Superreichen. Herr über mehr als 10.000 Agenten an 800 Standorten in über 30 Ländern auf vier Kontinenten. Wer Christian Völkers besser kennt, weiß, dass er bei solchen Schlagzeilen über sich selbst höchst peinlich berührt zusammenzuckt. Auch aus diesem Grund habe ich anlässlich des 40. Firmenjubiläums um ein ganz persönliches Interview gebeten. Um den Macher, Visionär und leidenschaftlichen Motor von Engel & Völkers einmal von einer ganz anderen Seite zu zeigen. So wie ihn vielleicht nur wenige Menschen und gute Freunde kennen. Wir wuchsen in derselben Nachbarschaft auf, sind seit über 30 Jahren befreundet, vor zwölf Jahren übergab er mir die Chefredaktion seines Magazins. Ausnahmsweise ein Interview in der Du-Form, weil sich alles andere merkwürdig anfühlen würde.
„Das weitere Wachstum ist keine große Herausforderung mehr. Die Frage, mit der wir uns
jetzt auseinandersetzen müssen, ist: Welchen Einfluss wird die Digitalisierung auf uns haben und wie gesichert ist unsere Existenzberechtigung in den nächsten 20 Jahren?“ Christian Völkers
Erinnerst du dich noch, was du als Kind werden wolltest? Nicht konkret. Aber ich war schon früh davon überzeugt, dass ich etwas ganz Besonderes machen wollte. Kurz nach dem Abitur bin ich ziemlich hart in der Realität gelandet, weil ich mich fragen musste: Was verbirgt sich denn eigentlich hinter dieser Überzeugung? Ich wusste nicht, was es sein sollte. Für mich war Geld nie der große Ansporn, sondern immer ein Mittel zum Zweck. Mich hat vielmehr angetrieben etwas aufzubauen, etwas zu entwickeln. Ich hatte immer die Idee von einer großen Produktionsstätte. Ich halte das nach wie vor für das Spannendste: sich ein Produkt zu überlegen, es zu produzieren, eine Marketingstrategie zu entwickeln und es zu verkaufen. Diese Idee war immer in meinem Kopf. Dass es im Endeffekt die systematisierte, personalintensive Dienstleistung werden würde – das Komplizierteste überhaupt – habe ich damals noch nicht geahnt. Das Betriebswirtschaftsstudium habe ich nach einer Lehre zum Schifffahrtskaufmann relativ schnell durchgezogen. Bei Harald Grapengiesser in einer Hamburger Wirtschaftsberatungsgesellschaft musste ich amerikanische Immobilienfonds prüfen. Da kam zum ersten Mal das Thema Immobilie hoch. Zur gleichen Zeit hatte Dirk Engel, ein alter Freund aus den Elbvororten, mit seiner neuen Firma Engel & Cie am Ballindamm als Exklusivvertreter eines US-Maklerunternehmens begonnen, Immobilien an deutsche Investoren zu verkaufen. Damals tauschten wir uns zum ersten Mal aus: Der Verkauf der amerikanischen Immobilien von ihm funktionierte nicht, und bei mir war es auch mühsam. Schließlich haben wir uns zusammen überlegt: Lass uns doch ganz einfach in den Hamburger Elbvororten mit einer Hausmaklerei beginnen.
Mit wie vielen Mitarbeitern seid ihr damals gestartet? Zu viert – Dirk Engel, Eva-Maria Haug, Gesine von Ehren und ich.
Ich erinnere noch, wie du in den Anfangszeiten im roten Sportwagen durch Blankenese geflitzt bist und die Eigentümer von schönen Immobilien mutig ansprachst, ob sie Interesse hätten, ihr Haus zu verkaufen. Das war ungewöhnlich amerikanisch in der doch sehr traditionellen, hanseatischen Nachbarschaft. Ja, das war richtig „hands-on“.
Wie haben deine Eltern reagiert, als du ihnen erklärtest: Ich werde Immobilienmakler? Die fanden das furchtbar und fragten: „Was soll der Quatsch?“ Ich befand mich auf einmal fernab von dem erwarteten Standardweg: Wirtschaft studiert, kaufmännische Lehre gemacht und dann ab in eine Bank, ein Im- und Exportgeschäft oder eine Unternehmensberatung. Einige meiner Freunde gingen damals ins Computergeschäft, was schon sehr exotisch war. Aber den Rückwärtssalto zu machen und in die Hausmaklerei zu gehen! Meine Idee war aber tatsächlich, dass ich etwas selbst auf die Beine stellen wollte. Ich hatte ja schon während der Lehre einen kleinen Fleischhandel aufgebaut.
Lammkeulen, Schweinehaxen und alles? Ja, dem Vater meiner damaligen Freundin gehörte der Dithmarscher Katenrauch – ein großer Fleischhandel –, und ich hatte festgestellt, dass auf den Schiffen immer sehr günstiges Fleisch eingekauft wurde, aber dass man dafür das ganze schlechte, den Schamott, rauswarf und nur das gute Fleisch benutzt wurde. Es gab zu viel Abfall. Ich habe mir dann gedacht, dass ich bessere Qualität, aber dafür weniger Quantität auf die Schiffe liefern könnte. Das habe ich dann jahrelang gemacht und damit schon früh Geld verdient.
Es war also die erste Strukturverbesserung, mit der du Erfolg hattest? Das hat gut funktioniert. Aus dieser ganz praktischen Erfahrung habe ich gelernt, dass man Abläufe klug verbessern kann.
„In den Anfängen war E&V ein großer, bunter Freundeskreis. Der Spirit ist bis heute geblieben.“ Christian Völkers
Hattest du schon immer eine Faszination für Häuser und Immobilien? Nicht mehr und nicht weniger als andere auch.
Du selbst scheinst nicht viele Quadratmeter zu brauchen, um glücklich zu sein. In Hamburg lebst du seit über 30 Jahren in einer kleinen Remise. Wie viel Platz brauchst du für dich? Privat? Ganz wenig. Mein heutiges Zuhause ist ein ehemaliger Pferdestall, den habe ich 1985 gekauft und bei der Renovierung genau überlegt, was ich eigentlich für ein Leben dort führen möchte, was die Überschrift sein sollte: Ich wollte etwas bauen, was nicht modern ist, sondern dem Umstand gerecht wird, dass es eine alte Immobilie ist.
Du scheinst dich grundsätzlich in Häusern mit Geschichte wohler zu fühlen als in moderner Architektur. Modern wird irgendwann unmodern. Und unmodern führt zwangsläufig dazu, dass Häuser irgendwann abgerissen werden. Für mich muss ein schönes Haus zeitlos sein. Renoviert man zu brutal, überspringt man schnell das Thema Patina und Historie. Das ist der Grund, warum wir Richard Meier als Architekten für unser neues E&V Headquarter ausgesucht haben: Weil Meier es schafft, heute noch so zu bauen wie vor 40 Jahren – das heißt, dass seine Designs zeitlos und nicht modern sind und damit ist auch ausgeschlossen, dass seine Gebäude jemals altmodisch werden.
An den alten Dingen festhalten – dieses Wertesystem ist auch etwas, was du mit in die Firma trägst. In all den Jahren, die ich hier bin, habe ich nur sehr wenige Mitarbeiter erlebt, die schnell wieder gegangen sind. Ja, wir haben tatsächlich eine sehr geringe Fluktuation bei uns. Vielleicht auch deswegen, weil wir bei der Auswahl unserer Mitarbeiter stets auf zwei Komponenten geachtet haben: auf eine gute Ausbildung und eine tolle Persönlichkeit! Mir war stets bewusst, dass starke Persönlichkeiten die Marke E&V viel effizienter nach außen tragen würden. Eine gute, abgeschlossene Ausbildung – egal in welcher Branche – garantiert, dass man gezeigt hat, dass man lernen kann. Heute wird das wichtigste Unternehmenswissen mithilfe unserer E&V Akademie an neue Mitarbeiter weitergegeben. Da werden gezielte On- und Offline-Schulungen arbeitsbegleitend angeboten. Das hat mich in die glückliche Lage gebracht, dass ich mich auch gern mit unseren Mitarbeitern umgebe und ich deshalb immer nach interessanten Persönlichkeiten Ausschau halte, von denen unser Unternehmen profitieren könnte und die Freude daran hätten, bei uns zu arbeiten.
„Während des E&V-Polo Cups wohnen stets all meine Freunde aus alten Zeiten bei uns.“ Christian Völkers
Im Jahr 1986, acht Jahre nach Firmengründung, starb Dirk Engel. Er hat sich das Leben genommen, nachdem er jahrelang mit Depressionen gekämpft hat. Dieser Verlust muss einen großen Eindruck hinterlassen haben. Seinen Namen hast du stets im Firmennamen erhalten und bis heute hängt ein Porträt von Dirk Engel in deinem Büro. Klar, wir haben die Firma damals zusammen gestartet. Auch wenn das Unternehmen später eine ganz andere Richtung eingeschlagen hat – die Initialzündung kam damals von uns beiden zusammen. Sein Tod hat mich natürlich wahnsinnig getroffen, denn wir waren ja nicht nur Geschäftspartner, sondern auch gute Freunde. Es hat mich aber auch geschäftlich vor eine ganze Menge Fragen gestellt. Weil ich gar nicht so aufgestellt war, das Unternehmen allein zu stemmen bzw. das Vertriebsthema zu lösen. Ich war ja selbst als Verkäufer bis dahin nicht so präsent im Markt. Das war natürlich eine Riesenherausforderung. Damals kamen lauter Mitwettbewerber auf mich zu und sagten: „Wir kaufen Ihren Laden – Sie haben ja gar keine Chance im Markt!“ Es gab wenig Zuspruch. Das Kerngeschäft war zwar klein, aber sehr profitabel. 1986 haben wir vielleicht zwei Millionen D-Mark Umsatz gemacht. Mit sechs bis sieben Mitarbeitern.
Nachdem Dirk Engel gestorben war, hast du dich für zwei Monate eingeschlossen und die gesamten Regeln und Richtlinien, die sogenannte Engel & Völkers Fibel geschrieben. Bis heute basieren die E&V Akademie und das gesamte Dienstleistungsgerüst auf diesen 300 Seiten. Hast du vorher andere Dienstleistungs- oder Maklerfirmen studiert? Nein, es gab ja gar keine Vorlagen. Die anderen haben damals die Häuser verkauft, wie ihnen der Schnabel gewachsen war. Aber ich habe eine Sache festgestellt, als es Dirk Engel begann schlechter zu gehen und ich mehr ins operative Geschäft musste: Dass man durch einen intelligenten Ablauf einer Besichtigung, ein strukturiert geführtes Gespräch und mit den richtigen Fragen zum richtigen Zeitpunkt einen größeren Erfolg mit dem Kunden erzielt. Ich war plötzlich davon überzeugt, dass die perfekte Dienstleistung funktioniert und immer zum besseren Ergebnis führt. Aber ich musste gleichzeitig feststellen, dass ich bei der Umsetzung in einem wachsenden Unternehmen limitiert war, weil ich mich nicht selbst um jeden einzelnen meiner Kunden kümmern konnte. Ich war also in die Situation gekommen, die Kunden von mir an meine damaligen Mitarbeiter Eva-Maria Haug oder Gesine von Ehren zu übergeben. Und die zuckelten dann mit meinen Kunden los und führten die Besichtigung durch. Das war der Zeitpunkt, als ich mich fragte: Moment mal, ich weiß ja gar nicht, was die mit den Kunden machen! Ich weiß nicht, wie sie mit dem Kunden umgehen, wie sie mit ihm sprechen – das ganze Thema rauf und runter. Daraufhin habe ich mir gesagt: Ich muss dafür sorgen, dass sie es alle in meinem Sinne machen – exakt in meinem Sinne! Deswegen bin ich nach Mallorca zu meinen Eltern ins Haus gegangen und habe mir gesagt: Ich schreibe jetzt das System der perfekten Dienstleistung runter. Eine Art Fibel, in der alles in jeder kleinen Einzelheit beschrieben ist. Denn die perfekte Dienstleistung ist nicht nur ein Detail, sondern eine Sammlung vieler Einzelheiten, die ineinandergreifen – ein Gesamtkunstwerk.
Wann kam die Idee, E&V zu einer richtig großen Firma zu machen? Als wir merkten, was mit fünf Personen klappt, könnte auch mit 50 funktionieren. Ich baute also eine große Truppe von jungen Mitarbeitern mit tollen Persönlichkeiten auf. Menschen, die in der Gegend aufgewachsen waren, sich auskannten, die im Gleichschritt losmarschierten und alle den Kunden das gleiche Markenerlebnis lieferten. Aus der Sicht der Kunden war das ein bahnbrechendes Erlebnis: Das ist ja toll – sie verkaufen nicht Häuser, sie lösen Probleme und dabei haben wir plötzlich ein Haus gekauft! Da wussten wir, wenn das mit einem Kunden funktioniert, dann auch mit Hunderten. Da lag es plötzlich auf der Hand, dass E&V einmal sehr groß werden könnte.
„Ich könnte auch losgehen und das Unternehmen verkaufen – aber nichts liegt mir ferner als das.“ Christian Völkers
Den ersten großen Sprung machte das Unternehmen, als man von den ersten fünf Büros in die Shops umzog. Das war ein Quantensprung Ende der 90er-Jahre. Damit kam leider auch die schmerzhafte Erkenntnis, dass man das nicht mehr mit den ganz jungen Mitarbeitern machen konnte. Das Durchschnittsalter lag damals bei knapp über 20. Diesen jungen Leuten fehlte etwas ganz Wesentliches: Das Alter und damit die Lebenserfahrung und Glaubwürdigkeit: Denn wenn man mit Kunden zu tun hat, die hochwertige Immobilien verkaufen oder kaufen wollen, muss man auf Augenhöhe sprechen können. So gut unsere Ausbildung auch sein konnte, man nahm einem jungen Studenten oder Auszubildenden leider nicht ab, zu wissen, welches Haus zu dem entsprechenden Kunden passt, der viele Jahre älter ist als er selbst. Für die neuen Mitarbeiter haben wir uns im gleichen Umfeld umgeschaut, aber das Altersthema berücksichtigt.
Dann kam dein heutiger Business-Partner Alexander Lampert eines Tages mit der Biografie von Ray Kroc um die Ecke, das Franchise-Genie, das McDonald’s so groß gemacht hat, und schlug dir vor: Das machen wir auch. Gab es irgendwann mal den Moment in deiner Karriere, an dem du dir gesagt hast: Oha, da habe ich mir zu viel vorgenommen? Ja, klar gab es das. Immer bei den großen angestrebten Veränderungen. Mit der Einführung des Franchise-Systems mussten wir zum Beispiel die gut laufenden Büros an die neuen Franchise-Partner abgeben und nahmen statt der Gewinne nur noch die Lizenzgebühr ein. Auf den defizitären Büros blieben wir dagegen sitzen. Wir hatten plötzlich viel kleinere Gewinne, aber weiterhin die Verluste. Wir lernten schnell, dass man im Franchise-Geschäft mindestens 70–80 Büros braucht, damit man die Kosten der Zentrale decken kann. Die Verlustbringer mitzuziehen und den Sprung von 30 auf 80 Büros zu schaffen – das waren keine leichten Zeiten.
Gibt es in deinem Leben jemanden, den du immer sehr bewundert hast, der eine Art Vorbild für dich ist oder war? Es gab natürlich gerade durch meine Geschäftstätigkeit immer viele Kontakte mit sehr erfolgreichen und vermögenden Menschen. Beneidenswert fand ich immer den großen Erfahrungsschatz, den sie hatten, weil sie schon so viel mehr erlebt hatten und aus dem heraus nicht die falschen, sondern häufig die richtigen Entscheidungen treffen konnten.
Thema Neid – wie gehst du damit um? Klar gab es das, aber das habe ich einfach abgeschüttelt. Ich war so überzeugt, dass meine Idee funktionieren würde, und habe jedem davon erzählt, der es nicht hören wollte. Viele reagierten mit einem: Das wird eh nichts! Das war damals nicht so sehr Neid, sondern Skepsis. Aber es hat ja auch viele Jahre gedauert. Heute sind wir endlich da, wo ich gehofft hatte, eines Tages zu sein. Ich dachte, es wäre einfacher und schneller zu schaffen. Aber man gerät unterwegs in Sackgassen, aus denen man wieder herauskrabbeln muss. Weil man falsche Entscheidungen gefällt hat, die man wieder geradebiegen muss. Das Ganze war ja kein gerader Weg, sondern oft gepflastert mit Problemen.
Seit vielen Jahren hast du dir auf Mallorca ein zweites Zuhause geschaffen. Fernab vom Hamburger Gesellschaftsklüngel, der es einem jungen Traumtänzer in den Anfangszeiten sicher nicht immer leicht gemacht hat. Hamburg hat sehr viel Positives, aber Hamburg hat auch etwas sehr Einschränkendes. Alles, was nicht in den traditionellen Bahnen läuft – so war es zumindest damals, als ich mit E&V begann, – wurde nicht unterstützt. Mallorca war schon früh für mich ein zweites Zuhause, als meine Eltern in der Nähe von Felanitx ein Haus kauften. Da war ich 14 Jahre alt. Es gab da eine Art „Robinson Club“, wo ich in den Schulferien immer Tennis- und Windsurfunterricht gegeben habe. In den Neunzigerjahren habe ich um den Hamburger Hügel im Osten der Insel bewusst einen großen Bogen gemacht und mich stattdessen auf der genau anderen Seite, im Westen, auf die Suche nach einem alten Steinhaufen gemacht, aus dem man ein Haus machen kann. Darum bin ich in jeden Feldweg gefahren, um ein altes Haus zu finden, das spannend sein könnte. Nachdem mir meine erste Entdeckung vor der Nase weggekauft wurde, zeigte mir unsere Büroleiterin auf Mallorca dann „Son Coll“. Und obwohl ich das Haus nicht von innen besichtigen konnte, war ich schockverliebt und dachte, ich sterbe, wenn ich das Haus nicht bekomme. Wenige Tage später habe ich es dann gekauft.
War dir damals schon bewusst, dass „Son Coll“ auch eine Plattform für das Unternehmen E&V werden würde? Das war sehr schnell klar, weil die meisten Mitarbeiter enge Freunde von mir waren und E&V ein großer, bunter Freundeskreis. Wir sind ja nicht nur zum „Arbeiten“ ins Büro gegangen, sondern waren alle ganz beseelt von der gemeinsamen Sache. Da war es logisch, dass viele Mitarbeiter irgendwann mal nach „Son Coll“ kamen. Einige haben anfangs sogar Möbel aus Hamburg mitgenommen, weil bei mir ja noch alles in Ruinen lag. Ich war damals einer der Ersten, der sich daran machte, ein altes mallorquinisches Herrenhaus sehr vorsichtig zu renovieren und arbeitete mit dem mallorquinischen Architekten Toni Obrador zusammen, der später zunehmend mehr Kunden annahm, die ebenfalls alte Häuser wieder herrichteten; zu ihnen gehörten auch mein Nachbar Michael Douglas und der Fotograf Francesco Venturi. Aus diesem gemeinsamen Hobby hat sich dann ein großer, internationaler Freundeskreis entwickelt. Und viele, intensive geschäftliche Wochenenden auf „Son Coll“ haben mit der Zeit dazu geführt, dass das Haus auch für die Firma eine immer größere Bedeutung bekam.
Seit neun Jahren veranstaltest du in deinem mallorquinischen Garten jeden Sommer den Engel & Völkers Polo Cup und lädst dazu viele Gäste – unter anderem all deine weltweiten Lizenzpartner – zur großen Sommer-Sause ein. Was bedeutet der Polosport für dich persönlich? Wenn die Zeit es zulässt, spiele ich in Hamburg jeden Morgen eine Stunde Polo, bevor ich ins Büro fahre. Es ist mein Ausgleich, bei dem ich komplett abschalte und mich nur aufs Spiel und das Pferd konzentriere. Als ich vor vielen Jahren damit begann, kam ich aus der Tennis- und Hockeywelt und hatte viel mit Pferden zu tun. Polo ist die beste Mischung aus allem: viel Adrenalin und Strategie. Die Möglichkeit, auf Mallorca Polo zu spielen, ist für mich ein großes Geschenk. Während des E&V Polo Cups auf Mallorca wird mein Haus stets von vielen Freunden aus alten Zeiten bevölkert. Früher sind sie als Junggesellen gekommen. Wir haben dann immer ein Fest gefeiert. Heute kommen sie mit ihren Ehefrauen und Kindern, von denen einige als junge Polospieler dabei sind.
Komplett abschalten ist etwas, das dir nicht so leichtfällt? Früher gab es für mich eigentlich kaum einen Moment des Aufhörens. Ich weiß noch, dass ich mich besonders in den Anfangszeiten oft darüber geärgert habe, dass es nicht so einen Schlauch gab: Einen für die notwendige Essensaufnahme und einen, um den Schlafbedarf zu decken. Sodass man keine Zeit verliert und gleich weitermachen kann. Ich bin heute noch jemand, der immer in Gang sein muss. Zwei Tage an einem Ort zu sein – ohne eine Aufgabe –, das macht mich schon sehr nervös. Dann macht es mir doch sehr viel mehr Freude, im Büro zu sein. Es gibt nur zwei Orte auf der Welt, an denen ich nichts vermisse: Hamburg mit der Verbindung zur Firma und „Son Coll“ auf Mallorca.
„Ich musste erst Vater werden, um zu erkennen, dass mit Kindern ein ganz neues Kapitel aufgeht.“ Christian Völkers
Du bist mit 50 relativ spät Vater geworden. Wie hat dich das verändert? Ich bin ja ein sehr zielgetriebener Mensch, das Vatersein hatte ich in meiner Zielprojektion nicht so richtig drauf. Eigentlich hatte ich gedacht, dass mich ein Kind eher von meinen anderen Zielen abbringen würde. Aber mit der heutigen Erkenntnis weiß ich, dass mit einem Kind ein ganz neues Kapitel aufgeht, von dem ich zuvor noch nicht einmal etwas geahnt habe. Dass dieses überhaupt existieren könnte, habe ich erst gemerkt, als mein Sohn Oscar geboren wurde. Heute ist es toll, weil sich die große Frage nach dem „Warum mache ich das hier alles?“ beantwortet hat. Ich spüre jetzt, das Leben geht weiter. Ich habe ja einen extrem dynastischen Ansatz. Ich könnte auch losgehen und das Unternehmen verkaufen – aber nichts liegt mir ferner als das.
Würdest du dir wünschen, dass eines deiner Kinder eines Tages E&V übernimmt? Wünschen würde ich es mir schon. Ich glaube aber nicht daran, weil die Aufgabenstellung sehr komplex ist und es ein extremer Zufall sein würde, wenn eines meiner Kinder dafür infrage käme. Aber es würde mich schon glücklich machen, wenn sie innerhalb des Unternehmens einen Bereich fänden, an dem sie Interesse hätten und den sie verantwortlich leiten würden. Ich denke, das Unternehmen muss von jemandem geführt werden, der in erster Linie dazu qualifiziert ist und das wirklich kann, und nicht von jemandem, der dort nur hineingeboren wurde. Wenn beides zusammenkäme, wäre das natürlich eine große Freude.
Was siehst du heute als die größte Herausforderung für das Unternehmen? E&V weiter wachsen zu lassen, ist heute für uns keine große Herausforderung mehr. Wir sind mit über 10.000 Mitarbeitern an 800 Standorten in 30 Ländern auf vier Kontinenten vertreten. Die größte Strukturwandlung der nächsten Jahre ist die Digitalisierung. Die Fragen, mit denen ich mich derzeit beschäftige, sind: Welchen Einfluss wird das auf uns haben und wie weit müssen wir vorausdenken? Und wie gesichert ist unsere Existenzberechtigung in den nächsten 20 Jahren?
Was sind deine persönlich größten Erfolge? Was mich mit Glück erfüllt, ist zu sehen, dass meine Theorie von der systematisierten Dienstleistung aufging. Und dass diese mit einer starken Marke in Verbindung gesetzt wird. Der Einzug in das neue E&V Haus in der HafenCity diesen Sommer wird für mich ein großer Moment sein. Unser neues Headquarter wird ein Haus, in dem die Marke E&V erlebbar wird. Persönlich ist da mein toller Freundeskreis, den ich mittlerweile begrenzt halte, weil da nicht mehr für viele neue Leute Platz ist. Ich habe so fünf, sechs Freunde, für die ich mir immer gern Zeit nehme. Und es macht mich glücklich, dass ich Plätze gefunden habe, an denen ich mich wohlfühle. Und natürlich meine Familie.