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F wie Falke by Antje Wewer | 1. Juni 2018 | Personalities

Funktionierende Vetternwirtschaft: Die Cousins Paul Falke und Franz-Peter Falke erobern vom Sauerland aus die internationale Strumpf-Welt. Mit hochwertigen Produkten und am Puls der Zeit. Wichtige Entscheidungen fällen sie gemeinsam – seit bald 30 Jahren. So haben sie es von ihren Vätern gelernt.

Der Fahrer, der die Besucher vom Bahnhof abholt, um sie zum Firmensitz nach Schmallenberg zu bringen, heißt Herr Rickert. Ein Chauffeur alter Schule, der zwar keine Mütze trägt, aber genau weiß, was er ausplaudern darf und was nicht. Er hat schon die Väter von Franz-Peter und Paul Falke gefahren. Die Cousins führen das Strumpf-Unternehmen in vierter Generation. Seit der Gründung im Mai 1895 sitzt Falke in dem 6.000-Seelen-Ort im Sauerland, eine Dreiviertelstunde von der Autobahnauffahrt entfernt. Die Falkes beschäftigen den halben Ort, manche arbeiten schon in dritter oder vierter Generation für die Familie. Die Geschichte beginnt mit dem Dachdecker Franz Falke-Rohen, der im Winter als Saisonstricker dazuverdiente und pfiffig genug war, seine eigene Strickerei zu gründen – der Grundstein für die heutige Falke Gruppe. Die erste Fabrik entstand mitten im Ort, hier wird heute noch produziert. Inzwischen ist Falke ein global operierendes Unternehmen mit einem Jahresumsatz von rund 230 Millionen Euro. Im letzten Jahr eröffnete auf 200 Quadratmetern ein Flagship-Store in Peking. In Schmallenberg steht vor dem Firmensitz – einem schlichten Klinkerbau – ein Tesla-Supercharger. Ja, in der sauerländischen Provinz sind längst moderne Zeiten angebrochen. Paul Falke sammelt Oldtimer, fährt alltags Elektroauto. Sein sieben Jahre älterer Cousin Franz-Peter verbringt diese Arbeitswoche in Südafrika. Er beaufsichtigt die dortigen Produktionsstätten und geht seinem Hobby nach: Er besitzt mit seiner Frau Danièle ein Weingut bei Stellenbosch. Die preisgekrönten „Peter Falke Wines“ gehören bei jeder Falke-Feier dazu.

 

„Wir produzieren allein das Modell ,Airport‘ in 40 Farben, sieben Größen und zwei Längen.“ Paul Falke

Paul Falke empfängt in seinem Büro – ein großer, chaotisch wirkender Schreibtisch mit diversen Stapeln, auf der Fensterbank die bunte Sockenbox eines Mitbewerbers neben einer edlen Holzkassette mit Falke-Prägung. Darin liegen nicht Zigarren, sondern der limitierte Vicuña-Strumpf. 860 Euro das Paar. Der Bestseller bei den Herren (den oft Frauen einkaufen) ist allerdings der „Airport“ – 15 Euro. Paul Falke ist groß und breitschultrig, er lächelt oft und verschmitzt. Und er ist es gewohnt, dass man ihm nur kurz ins Gesicht schaut und dann gleich auf die Füße. Heute trägt er: gepunktete blaue Kniestrümpfe. Passend zum hellblauen Hemd, Strickblazer in Yves-Klein-Blau und Wildlederschuhen („handgemacht von Dieter Kuckelkorn in Aachen“). Falke trägt immer Kniestrümpfe, weil die nicht rutschen und kein nacktes Bein beim Sitzen freilegen. Er schenkt Kaffee ein und verschenkt nebenbei neonfarbene Kugelschreiber. Nach den perfekten Tönen hat er lange gesucht, wie bei den Socken kommt es auch da auf Nuancen an. Dann erzählt er: „Unsere Väter haben sich tatsächlich noch ein Büro geteilt. Ihre Schreibtische standen Kopf an Kopf. Franz-Peter und ich praktizieren zwar Konsensmanagement, haben aber separate Büros. Anders ginge es auch nicht. Wir sind grundverschiedene Charaktere, brauchen unsere Freiräume, geben aber beide 100 Prozent auf unsere Art und Weise. Vermutlich das Geheimnis unserer Zusammenarbeit.“ Über dem Besprechungstisch hängt ein Porträt seines Vaters. War klar, dass er in dessen Fußstapfen treten würde? „Ja, das war es. Aber bevor es passierte, war auch klar, dass ich mich austoben kann und außerhalb des Familienunternehmens Erfahrungen sammeln werde.“

 

„Unsere Väter haben sich noch ein Büro geteilt. Ihre Schreibtische standen Kopf an Kopf.“ Paul Falke

In den 80er-Jahren baute Paul Falke das US-Büro in Manhattan auf. Dort wurde ihm auch klar: Für die meisten sind Socken lediglich Gebrauchsartikel, für andere modisches Accessoire. „Der amerikanische Markt ist nach wie vor schwierig für uns“, räumt der Unternehmer ein. „Die Amerikaner wollen Easy Treatment und One Size Fits All mit viel Elastan. Das passt nicht ganz zu unserer Philosophie von hochwertigster Qualität. Nach 25 Mal Waschen sieht unsere Socke aus wie neu. Ich hasse leere Produktversprechungen.“ Als sein Vater überraschend mit 70 Jahren starb, musste Paul Falke früher als geplant in Schmallenberg antreten. Er und sein Vetter übernahmen zeitgleich im Jahr 1990. Eine der ersten großen Veränderungen, die die neuen Chefs gemeinsam entschieden: Das quadratische Logo mit dem Falken, seit 1950 als Markenzeichen eingetragen, kam weg. Der Vogel verschwand klein auf die Rückseite, der Name in minimalistischer Schrift musste reichen. Es folgten: die Einführung der ergonomischen Sportsocke, Ausbau des Shop-in-Shop-Prinzips, Stores an Flughäfen, 2008 Kauf der Marke Burlington. Pauls Frau Kristina Falke schaut zur Tür rein: Sie ist PR-Chefin des Unternehmens, das Paar hat zwei Kinder im Teenageralter. Bevor sie der Liebe wegen ins Sauerland zog, lebte Kristina in Paris, hier hat die Familie ihretwegen ein Pied-à-terre. Die Ferien verbringen sie seit Jahren in ihrem Haus direkt am Lago Maggiore. Kristina hat die Kooperation mit Manolo Blahnik und Philipp Lim eingefädelt. „Meine Frau hat viele geniale Ideen“, sagt Paul Falke, „vergisst aber manchmal, dass hinter unserer Produktion eine Wahnsinnslogistik steht. Wir produzieren ja allein den ,Airport‘ in 40 Farben, sieben Größen und zwei Längen.“ Er führt zur Halle, in der die großen Garnrollen lagern. Die Bilder auf den Gängen erzählen auch von den Erfolgen der Väter: Modeshootings mit F. C. Gundlach, Helmut Newton, Michel Comte. Damals war die große Zeit der Lizenzen, die Falkes produzierten für Giorgio Armani, Dior, Moschino, Kenzo. „Unsere Väter waren ziemliche Marketing-Füchse. Zum 75. Firmenjubiläum ließen sie das komplette Duke-Ellington-Orchester aus New York einfliegen.“ Franz-Otto Falke, sein Onkel, ist heute 94 Jahre alt und schaut noch immer jeden Tag im Büro vorbei. In den Produktionshallen surren neben modernsten Maschinen auch Bentley-Exemplare aus den 60er-Jahren. Strickmaschinen sind laute Ungetüme mit bunten Spulen obendrauf, die so lange hinundhertanzen, bis eine fast fertige Socke aus einer Röhre ploppt. Das Zehenteil wird von Hand gekettelt; nur wenn die dünne Naht perfekt gearbeitet ist, drückt später im Schuh nichts. Danach wird kontrolliert, gewaschen, geformt und etikettiert. „Bis so ein Sockenpaar bei uns vom Hof fährt, gehen ein Dutzend Arbeitsschritte voraus. Das macht die Produktion so personalintensiv“, sagt Paul Falke. „Wir sind stolz darauf, dass wir ein hundertprozentiges Familienunternehmen sind – und das soll sich so schnell nicht ändern.“ Noch aber rede man nicht über die nächste Generation. „Aus meiner Erfahrung weiß ich: Meine Kinder müssen auf jeden Fall erst mal raus aus dem Sauerland, um sich die Hörner abzustoßen, bevor überhaupt ans Zurückkehren zu denken ist.“

IssueGG Magazine 03/18
City/CountrySchmallenberg/ Germany
PhotographySteven Haberland
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