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Le Château de Vaux-le-Vicomte by Christina Libuda | 23. November 2018 | Personalities

Einst war es Vorbild für Versailles: das Barockschloss Château de Vaux-le-Vicomte außerhalb von Paris. Heute wird das Anwesen von drei Brüdern geführt, in der fünften Generation. Die setzen auf Crowdfunding und Marketing, ihr Weihnachtsmarkt lockt halb Paris an. Das alte Gemäuer ist gar nicht verstaubt. Und Besucher spüren: Man schreibt hier noch heute Geschichte, Familiengeschichte jedenfalls. Ein Hausbesuch.

Auf den ersten Blick mag das Château de Vaux-le-Vicomte mit seiner imposanten Auffahrt und den hohen Schlossmauern vielen anderen Schlössern gleichen. Auch das Innere offenbart wenig Überraschendes: Wandmalereien und Möbel im Barockstil, Decken so hoch, dass noch ein Haus ins Haus passen würde. Ein echtes Schloss eben. Doch trotz all dem fühlt es sich hier anders an – irgendwie behaglich, fast schon heimelig. Château de Vaux-le-Vicomte ist nämlich kein gewöhnliches Museumsschloss, es ist das Zuhause der Familie de Vogüé. Alexandre de Vogüé, der jüngste von drei Brüdern, ist ein Mensch, der gern Leute zu sich nach Hause einlädt. Vermutlich hat er auch keine große Wahl, schließlich gehen jedes Jahr rund 300.000 Fremde in seinem Schloss am Rande von Paris ein und aus. In den vergangenen Jahren hat sich das Gebäude zu einem der Hotspots der Hauptstadt entwickelt. Dabei ist es weder größer noch schöner als Versailles – aber es ist viel besonderer.

„Bei uns haben Besucher die Möglichkeit, ein Schloss auf eine einzigartige Weise zu erleben“, erklärt der 52-Jährige, der selbst mit seiner Frau im Château lebt. „Was wir anbieten, ist weit mehr als eine Ausstellung, mehr als ein Museum – es ist ein gelebter Familienort.“ Auch seine Eltern Patrice und Cristina de Vogüé leben heute noch auf dem Anwesen. Nur seine Brüder Ascanio und Jean-Charles sind ausgezogen, wenn man so will. Weit haben sie es jedoch nicht geschafft, der eine wohnt 30 Minuten entfernt in Paris und der andere in einem kleinen Ort gleich hinter den Schlossmauern. Die Familie kommt regelmäßig im Schloss zusammen – geschäftlich und privat. Sie alle haben es sich zur Lebensaufgabe gemacht, das historische Gebäude zu erhalten und dessen besondere Geschichte mit den Besuchern zu teilen.

1656 ließ der damalige Finanzminister Nicolas Fouquet das Schloss bauen. Er engagierte die hierfür besten Leute des Landes: den Architekten Louis Le Vau, den Landschaftsarchitekten André Le Nôtre und den Maler Charles Le Brun. Gemeinsam schufen sie ein Meisterstück der Architektur und Landschaftsgestaltung, das die Schönheit von Versailles (bis dato nicht mehr als ein bescheidenes Jagdschloss) weit übertraf. Für König Ludwig XIV. war das ein untragbarer Affront. Er warf seinen ehrgeizigen Finanzminister wegen Veruntreuung von Königsgeldern für den Rest seines Lebens ins Gefängnis und ließ sich von denselben Künstlern, die Fouquet engagiert hatte, ein größeres, prunkvolleres Schloss bauen – das heutige Versailles eben. Seit dieser Zeit stand das Château de Vaux-le-Vicomte leer, fast zweihundert Jahre lang. Bis Alexandres Ururgroßvater, der Industrielle Alfred Sommier, es vor über 140 Jahren kaufte. Er steckte Herzblut in das Schloss, ließ es aufwendig sanieren und verhalf ihm zu altem Glanz.

Wer sich hier heute umsieht, merkt gleich, dass Sommier nicht nur das Schloss, sondern auch seine Hingabe dafür an seine Nachkommen weitergegeben hat. Alexandres Vater Patrice de Vogüé entschied vor 50 Jahren, das Schloss der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und so das finanzielle Überleben zu sichern. Das stellte die Familie damals vor neue Herausforderungen, sagt Alexandre. „Bevor jeden Tag um zehn Uhr die Führungen stattfanden, mussten wir Kinder unsere Spielsachen und Kuscheltiere verstecken, damit das historische Bild des Schlosses nicht gestört wird. Das war ziemlich unkomfortabel, daher sind wir schließlich in die hinteren Gebäude des Schlosses gezogen.“ Doch die großen Festsäle blieben sein Spielplatz. Würde er selbst die Schlossführungen leiten, könnte er den Besuchern vermutlich zu jedem Raum eine Geschichte erzählen – und zwar nicht die, die auf den Wandmalereien zu sehen ist, sondern seine eigene. Die Gemälde sind die Bilderbücher seiner Kindheit. Als er älter wurde, zog es ihn in die Welt außerhalb der Schlossmauern. Er reiste viel und seine Liebe für die Natur und die Berge führte ihn schließlich in die Alpen, wo er 15 Jahre lang als Bergführer am Mont Blanc arbeitete. Sein Zuhause erwähnte er kaum noch, es interessierte niemanden, wer er war oder woher er kam. Doch das hat sich geändert. Heute möchte er das Stück Geschichte, das er Zuhause nennt, mit jedem teilen.

Vor sieben Jahren kehrte er schließlich zurück, um sich mit seinen Brüdern auf die Leitung des Schlosses vorzubereiten. „Wir wussten, wir müssen das Ding hier richtig machen, sonst fahren wir es gegen die Wand“, sagt Alexandre. Der Druck war hoch. Das Château zählt 65 Angestellte, immer wieder fallen neue Restaurierungskosten an – da gibt es keine Probezeit, es musste von Anfang an gelingen. „Wir haben mit einem Coach zusammengearbeitet, der uns zeigte, wie wir das Unternehmen erfolgreich gemeinsam leiten“, erklärt er. Seit 2012 nun managen die de-Vogüé-Brüder Frankreichs größtes Schloss in Privatbesitz. Sie bewahren die Tradition auf sehr moderne Weise: Egal, ob das Dach restauriert werden soll oder eine einzelne Statue im Garten – das Geld kommt über Crowdfunding zusammen. Die Strukturen sind klar, jeder hat seine Position. Vom Finanzmanagement über die Eventplanung bis hin zur Restaurantleitung ist alles unter den Geschwistern aufgeteilt. Und obwohl sie das Unternehmen im Sinne ihres Vaters leiten, kann dieser seine Füße nicht richtig stillhalten und steht, gern auch ungefragt, mit Rat und Tat zur Seite. „Auch meine Mama packt noch im Geschenkshop mit an, die werden wir wohl nie dort rausbekommen“, lacht Alexandre.

Für die Familie ist das Schloss ihr Leben. Das spürt man auch bei großen Events, wie etwa dem Weihnachtsmarkt, der jährlich ab dem 24. November stattfindet. Geschmückt wird mit über 12.000 Dekoelementen, es gibt Musik und ein Lagerfeuer. Der feierliche Schlosszauber zieht nicht nur Pariser an, sondern Touristen aus aller Welt. „Es ist auch mein Lieblingsevent“, sagt Alexandre, „weil es so eine Besinnlichkeit ausstrahlt.“ Das Bild, das er von seinem Leben als Schlossherr zeichnet, ist viel schlichter als die glitzernde Vorstellung, die man davon haben könnte. Hier finden keine wilden Partys statt, die Familie züchtet weder Pferde noch Jagdhunde und macht sich nicht viel aus elitären Verpflichtungen. Wenn man Alexandre so reden hört, glaubt man ihm das auch. Was er an seinem Leben so liebt, sind die kleinen Dinge. „Wenn ich abends bei einem Glas Wein dem Sonnenuntergang zusehe, dann bin ich am glücklichsten. Für mich ist dieser Ort der schönste auf der Welt – nicht, weil es ein Schloss, sondern weil es mein Zuhause ist.“ Und eben diese Haltung kann jeder Besucher des Château de Vaux-le-Vicomte spüren.

IssueGG Magazine 01/19
City/CountryMaincy, France
PhotographyAmbroise Tézenas Photofoyer
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