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Have a break, stay with Kit Kemp by Michaela Cordes | 7. Juni 2019 | Personalities

Mit ihren ungewöhnlich bunten und humorvollen Interiors rüttelt diese Britin nicht nur die Hotelindustrie zwischen London und New York auf. Kit Kemp über ihr kleines, aber feines Hotel-Imperium.

„Unsere Hotels sollen neugierig machen und ein Zuhause sein, aber eines dürfen sie nicht sein: zu ernst!“ Kit Kemp

Ein früher Morgen im Londoner Stadtteil Soho. Draußen schüttet es, aber im Restaurant des „Ham Yard“-Hotels geht trotz Wolkenbruchs die Sonne auf. Mich begrüßen orangefarbene Stühle, helles Gelb in der gemusterten Tapete, sattes Grün einer Pflanze auf weißer Tischdecke und ein fröhliches „Good Morning!“ Und schon legt mir die eifrige Kellnerin meine Frühstücksserviette auf den Schoß. Gute Laune – so ist es mein Eindruck – ist das Markenzeichen der Firmdale Hotels, zu denen inzwischen zehn Häuser zwischen London und New York gehören. Das kleine, stetig wachsende Imperium gehört dem britischen Ehepaar Tim und Kit Kemp. Mit einem ungewöhnlichen Mix aus persönlich gestalteten historischen Häusern in charmanten Nachbarschaften, bunt gemusterten Tapeten und wertvollen, handgearbeiteten Stoffen haben sich die beiden unverwechselbar gemacht. Schräge Ideen tun ein Übriges – etwa ein eigenes Kino im Keller oder eine Bowlingbahn. Längst ist Kit Kemp eine gefeierte Interior Designerin, die nebenbei auch Tapeten, Geschirr und Teppiche entwirft und außerdem ihr drittes Buch („Design Thread“) herausgebracht hat. Am Abend zuvor habe ich zusammen mit rund 40 Frauen einem von Kit Kemps regelmäßigen Talks im „Haymarket Hotel“ um die Ecke zuhören dürfen. Jetzt treffe ich die dreifache Mutter erwachsener Töchter in einem der individuell gestalteten Private Rooms, gleich neben dem Restaurant.

Mrs Kemp, zusammen mit Ihrem Ehemann Tim betreiben Sie heute zehn Hotels in zwei Städten, insgesamt 642 Hotelzimmer. Sie haben sich nicht nur durch ihre  ungewöhnlichen Interiors einen Namen gemacht, sondern werden in der Branche auch dafür bewundert, dass Ihnen das Unternehmen Firmdale Hotels bis heute ganz allein gehört. Wissen Sie, wir waren nie und sind auch heute nicht darauf aus, die Welt zu regieren (lacht). Ich liebe es, an einem Projekt zu arbeiten, für dieses Projekt alles zu geben und mich diesem ganz zu widmen. Wir glauben nicht daran, dass man daraus zu sehr eine Formel machen sollte. Es geht uns vor allem um die Seele und dass wir hinter dem stehen, was wir tun. Tim und ich sind beide tatsächlich mit großer Leidenschaft dabei, bei jedem einzelnen unserer Hotels, das wir gemeinsam gebaut haben. Wie emotional unser Engagement ist, wurde mir gestern Abend nach dem Talk wieder klar: Ich saß mit Tim beim Abendessen und wir sprachen über das Geschäft und plötzlich haben wir das Gespräch abgebrochen. Weil wir merkten, dass wir beide so leidenschaftlich diskutierten, dass wir uns fast gestritten hätten. Zum Glück sind wir schon so lange zusammen, dass wir gelernt haben, mit solchen Momenten umzugehen. Wir machen uns das dann bewusst und wechseln das Thema. Aber natürlich gab es Zeiten, wo schon mal die Fetzen flogen.

Ist es korrekt, dass Ihre Karriere begann, als Sie sich in Ihren Mann verliebten? Ja, das stimmt, das war in den 70er-Jahren. Tim war zu dieser Zeit ein Kunde von Leszek Nowicki, dem Architekten, für den ich damals arbeitete und der mich sehr förderte. Bei seiner Hochzeit setzte er Tim und mich nebeneinander. Tim gehörten damals einige Gebäude in South Kensington, und er stand unter anderem mit dem Richmond College in den USA in Kontakt. Die Amerikaner brauchten Unterkünfte für Studenten in London. Tim baute damals vor allem Zwei-Sterne-Unterkünfte, in denen Studenten wohnten.

Zusammen eröffneten Sie 1985 mit dem „Dorset Square“ Ihr erstes Hotel – wer kam auf die Idee? Tim hatte schon lange vor, ein Hotel zu bauen. Er war als Kind eines Patentanwalts viel in Hotels unterwegs gewesen und liebte das Hotelleben. Ich dagegen hasste Hotels, weil ich als Kind immer mit meinen Eltern zu Hochzeiten von Freunden und Verwandten musste, die dort gefeiert wurden. Für mich waren Hotels ungemütliche Orte, die ich mit ungeduldigem Warten auf meine Eltern verband. Diese unterschiedlichen Eindrücke haben wir zusammengetan und daraus die gemeinsame Vision für unsere eigenen Hotels entwickelt. Dem „Dorset Square“-Hotel stehen wir bis heute sehr emotional gegenüber. Es repräsentiert für mich all das, was ein Hotel sein soll – eben nur en miniature.

Ihr Style – heute ein Markenzeichen der Firmdale Hotels –, dermaßen mutig Stoffe, Designs und Farben zu mixen, hat zu Ihrem rasanten Erfolg beigetragen. Heute entwerfen Sie Tapeten und arbeiten an Kooperationen mit Firmen wie Wedgwood oder Anthropologie. Gab es einen Moment, an dem Sie merkten: Das funktioniert so gut – wir sollten noch weitere Häuser eröffnen? (lacht) Das Lustige ist, ich erinnere mich nicht daran, dass Tim jemals zu mir gesagt hat: Du übernimmst die Interiors. Mir wurde vor allem früh bewusst: Je weniger ich mich in Tims Projekte involviere, umso weniger werde ich meinen Mann sehen! Also stand für mich fest: Niemand außer mir macht die Interiors. Als zweites Hotel entstand dann das „Pelham Hotel“, das aus dem ehemaligen Studenten-Hotel „The Cromwell“ hervorging. Es passierte häufig, dass ehemalige Studenten das neue Hotel besuchten und ihr altes Zimmer kaum wiedererkannten. Später haben wir „The Pelham“ verkauft, um das „Crosby Street Hotel“ in New York bauen zu können. Was wirtschaftlich ein kluger Zug war, da das Pfund so viel höher stand als der US-Dollar.

Woher stammt Ihre große Leidenschaft für besondere Stoffe und Designs? Ich glaube, das ist grundsätzlich eher eine sehr feminine Leidenschaft, die auch viel mit Geschichte und Tradition zu tun hat. Mich haben historische Bräuche immer sehr interessiert: etwa der Frau für ihre anstehende Hochzeit eine Truhe mitzugeben, in die die Familie der Braut alle möglichen wertvollen Stoffe hineinlegte. Oder der Hochzeitsquilt, in den man für das Paar Liebesbriefe und Wünsche einarbeitete. Das fand ich schon als Kind sehr romantisch. Es ist mehr diese Folk-Art, also Volkskunst, als die Hightech-Seite, die mich immer schon inspirierte. Ich konnte auch nie den Unterschied zwischen Handwerk und Kunst erkennen. Etablierte Künstler sagten früher, Handwerk sei die Kunst des armen Mannes. Aber das habe ich nie so gesehen. Heute kommen diese beiden Seiten immer mehr zusammen, denn wir schätzen auf einmal alte  handgearbeitete Stoffe mehr als je zuvor. Und das, obwohl es auch hier Trends gibt – Tapeten sind zum Beispiel derzeit sehr unbeliebt.

Wie sind Sie selbst aufgewachsen? Meine Kindheit begann in Hampshire. Ich habe zwei ältere Brüder. Meine Mutter arbeitete für die BBC und mein Vater war Flugzeug-Designer. Ich habe sehr intensive Erinnerungen an die wunderschönen Karten, die abends beim Essen auf unserem Tisch lagen, mit all den bunten, glänzenden Jets darauf. Als Kind faszinierten mich Stickereien und vor allem bunte Seidenstoffe, mit denen wir in der Schule arbeiteten. Ich bin Linkshänderin und war sehr ungeschickt in jeglichen Handarbeiten. Aber ich erinnere mich, dass meine Kunstarbeiten dennoch oft der Klasse gezeigt wurden. Weil sie abstrakt waren und meine Lehrer sahen, dass ich einen ganz anderen Blick hatte. Zu Hause fertigte ich oft stundenlang bunte Kleider für meine Puppen an.

„Als Kind war ich ungeschickt, aber ich hatte immer schon eine Leidenschaft für Farben.“ Kit Kemp

Im Jahr 2009 wagten Sie den Schritt von London nach New York und eröffneten Ihr erstes Hotel in den USA, das „Crosby Street Hotel“ im Herzen von SoHo. Heute eine fest etablierte Adresse in Manhattan, wo sich auch viele Celebrities gern zum Brunch oder High Tea treffen. Wie kam es zu diesem Sprung über den großen Teich? Das war ganz und gar Tims Idee. Ich hätte diesen Schritt allein nie gewagt. (lacht) Tim hat diese Fähigkeit, das fertige Projekt lebhaft vor sich zu sehen und sich in Projekte festzubeißen wie ein Jack Russell Terrier, der nicht mehr loslässt. Das „Crosby“ war eine große Herausforderung, denn wir brauchten das Einverständnis aller Nachbarn um uns herum, um mit dem Bau starten zu können. Aber das gehört ohnehin zu unserem Verständnis: Wir möchten ja mit unseren Häusern Teil der Community werden und die Nachbarschaft mit unseren Hotels bereichern. Das gilt für New York ebenso wie für London. Für das „Ham Yard“ haben wir zum Beispiel, bevor wir überhaupt mit dem Haus begonnen haben,  ausgewachsene Eichenbäume für den Hof vorm Hotel gekauft. Der verbindet nun all die kleinen Geschäfte um uns herum miteinander. Und erst nachdem wir wussten, wie viel Platz die Baumwurzeln brauchen, haben wir mit der konkreten Planung des Hotels begonnen, denn unter uns liegen das Kino und die Bowlingbahn.

Derzeit arbeiten Sie an einem neuen Hotel in Manhattan. Wie starten Sie ein vollkommen neues Hotelprojekt? Unser nächstes Hotel – das dritte in New York – entsteht gerade in Tribeca. Auf der Warren Street, mit 85 Zimmern, nicht weit vom Oculus Gebäude in Downtown Manhattan (auf dem Gelände von Ground Zero, Anm. d. Red.), das wir wundervoll finden, da es diesem sehr historischen Ort neues Leben gibt. Unsere Gäste sind ja grundsätzlich beschäftigte Menschen, die oft zwischen London und New York hin- und herreisen und deren Neugierde wir wecken möchten. Das kann die Fantasie sein, dass man in unseren Hotels anderen interessanten Gästen begegnet. Oder dass man einfach nur einen Ort hat, wo man sich aufgehoben fühlt und abgelenkt ist vom Heimweh nach seiner Familie und den Liebsten. Aber unsere Hotels müssen vor allem eins sein: humorvoll und bitte nicht zu ernst!

Design oder Service – was ist Ihrer Meinung nach wichtiger? Beides! Das ist die größte Herausforderung: Im Hotelgeschäft müssen alle Aspekte funktionieren. Was hilft es mir, wenn ich in einem schön dekorierten Hotelzimmer ankomme, aber stundenlang auf den Roomservice warten muss? Das Hotelgeschäft ist ein Zusammenspiel von vielen kleinen Details, die alle ineinandergreifen. Wir haben daher ein Ausbildungshaus hier in London geschaffen, gleich neben „The Soho Hotel“, wo wir alle unsere Mitarbeiter trainieren – inzwischen sind das um die 2.000 Personen und 76 Nationalitäten. Sie gehen in Zyklen von sechs Monaten durch die verschiedenen Häuser und haben durch unser Graduate Program auch die Chance, innerhalb der Gruppe Karriere zu machen und sich eine bessere Position zu erarbeiten.

„Früher galt das Handwerk als die Kunst des armen Mannes – das habe ich selbst nie so gesehen. Heute gehört beides zusammen.“ Kit Kemp

Haben Sie auch schon mal darüber nachgedacht, in andere Städte zu expandieren? Ja, natürlich schauen wir uns um. Wir haben auch Los Angeles erwogen, aber bisher nicht die richtige Lage und vor allem kein passendes Objekt gefunden. Ich würde sehr gern mal ein Hotel auf dem Land hier in England entwickeln. Andererseits: Die Hotels in unseren zwei Städten – London und New York – können wir gerade noch überschauen. Die Qualitätskontrolle und das Sicherstellen, dass der Service und die Ausstattung hochwertig bleiben, ist eine Herausforderung, die zu unserem Geschäft gehört. Renoviert wird bei uns im Schnitt alle fünf Jahre, aber dann frische ich nicht nur einzelne Möbel oder Details auf, sondern erneuere den ganzen Raum. Im „Crosby Street Hotel“ haben wir etwa gerade die gesamte Renovierung aller Zimmer und Suiten abgeschlossen. 

Das klingt nicht unanstrengend – wie entspannen Sie sich und schöpfen neue Kraft? Ich habe einen ziemlich vollen Terminkalender, aber mich treibt das eher an. Mein Tag fängt schon früh um sieben Uhr an. Dann trainiere ich mit einem Personal Trainer, weil ich mich nicht allein dazu aufraffen würde und die faulste Person überhaupt bin. Ich trainiere auf dem Crosstrainer oder arbeite mit Gewichten. Wenn das Wetter schön ist, gehe ich auch gern an die frische Luft. Früher bin ich viel gelaufen und habe sogar an zwei New Yorker Marathons teilgenommen. Aber das war vor 2009 und unseren Hotels dort. Nach dem Training gehe ich zu Fuß ins Büro und treffe mich mit dem Designteam, schaue mir neue Stoffe an und bespreche Interiors. Danach beantworte ich E-Mails, und am Nachmittag mache ich mich auf den Weg zu unseren Hotels hier in London und schaue nach dem Rechten. Abends sind wir oft eingeladen. Aber wenn wir zu Hause sind, teilen Tim und ich uns auf: Er kauft ein und ich koche. Herrlich – denn ich hasse es, einkaufen zu gehen. (lacht)

Seit einiger Zeit sind Sie auch in der digitalen Welt aktiv. Mit Ihrem Blog „Kit Kemp’s Design Thread“ und Ihrem Instagram Account @kitkempdesignthread bringen Sie interessierten Menschen bei, wie man sich geschickt einrichtet. Bringt Ihnen dieses Medium Spaß? Oh ja, und wie! Mittwochs treffe ich mich immer mit unserem Blogteam, das ist mein absoluter Lieblingstag in der Woche. Wir sitzen dann zusammen und diskutieren unsere sehr verschiedenen Ansichten. Wie man richtig einrichtet oder welcher Stoff zu welchem Möbelstück passt. Ich motiviere mein Team auch immer, rauszugehen und in Museen oder Ausstellungen neue Inspirationen zu finden. Dazu entwickeln wir Workshops, in denen man lernen kann, wie man einen Raum einrichtet. Dieser wöchentliche Austausch ist immer sehr kreativ und inspirierend.

Und schalten Sie auch manchmal ganz und gar ab? Absolut. Jeden Freitagnachmittag setze ich mich ins Auto und fahre rund zweieinhalb Stunden nach New Forest in unser Wochenendhaus in Südengland, sodass ich am Samstagmorgen auf dem Land aufwache. Das Haus liegt ganz in der Nähe von dem meiner ältesten Tochter. Dort haben wir Hunde und unsere guten, alten Freunde, die sich nicht so sehr für unser Geschäft interessieren. Deswegen ist die Zeit bis Sonntagabend, wenn wir uns wieder zurück in die Stadt aufmachen, für mich immer ein totaler und auch sehr notwendiger Switch-off.

IssueGG Magazine 03/19
City/CountryLondon, England
PhotographyKit Kemp 2019
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