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Coole Opulenz by Silke Bender | 6. September 2019 | Personalities

Prachtvoll, aber dennoch zeitgemäß. Keiner verknüpft diese Extreme so gekonnt und elegant wie Jacques Garcia. Der französische Innenarchitekt schuf die Looks für einige der berühmtesten Hotels der Welt, darunter das „Hôtel Costes“ in Paris oder das „La Mamounia“ in Marrakesch. Im Schloss „Champ de Bataille“ in der Normandie ist er seit vielen Jahren zu Hause.

Von den vielen Projekten, die der Innenarchitekt Jacques Garcia während seiner langen Karriere betreut hat, gehört Schloss „Champ de Bataille“ zu den größten und gleichzeitig persönlichsten. „Dort manifestieren sich meine größten Triumphe und meine leidvollsten Prüfungen“, sagt Garcia in seinem Pariser Büro, gegenüber den Tuilerien. Der Grandseigneur mit schneeweißem Haar ist ein Mann alter Schule, von den blank polierten Schuhen bis zum bügelsteifen Hemdkragen. Seit 40 Jahren ist sein Studio Jacques Garcia so etwas wie die Stil-Botschaft der Grande Nation, die Frankreich von den Zeiten des Sonnenkönigs bis ins 19. Jahrhundert war. Kaum einer versteht es so gut wie er, das royale Lebensgefühl von einst so authentisch nachzubilden oder in die Gegenwart zu übersetzen.

Die Fotos seiner opulenten Interieurs, die er in Hotels, Schlössern und Villen auf der ganzen Welt geschaffen hat, pflastern die Wände des Büro-Entrées: Das „Hôtel Costes“ oder das „Royal Monceau“, beide in Paris, das „Danieli“ in Venedig, das „Wynn“ in Las Vegas, das „La Mamounia“ in Marrakesch. Die Liste der weltbekannten Luxushotels, die seine Signatur tragen, ist endlos. Im Staatsauftrag dekorierte er die Apartments in Versailles oder den Richelieu-Flügel des Louvre-Museums, Ikonen der französischen Geschichte. Doch sein fast schon pharaonisches Werk ist das Schloss „Champ de Bataille“ in der Normandie, etwa 90 Fahrminuten von Paris entfernt. Es gehört zur Liste der Nationaldenkmäler Frankreichs, und man kann sich den Kampf leicht ausmalen, den er mit den Behörden bei der Renovierung ausfechten musste.

Doch das ist passé. Heute sind das Schloss und seine Parkanlage, zumindest Teile davon, auch für die Öffentlichkeit zu besichtigen, und er selbst fährt fast jedes Wochenende hin. In welchem Flügel er privat wohnt? „Überall, wo ich gerade will“, sagt er schmunzelnd. „Ein Schloss muss bewohnt werden, sonst verliert es seinen Lebensatem. Wie die Liebe. Eine Partnerschaft auf Distanz kann nicht auf Dauer funktionieren. Ich sehe mich auch nicht als Besitzer, sondern nur als einstweiliger Bewahrer.“

„Der Mensch von heute hat kein Bewusstsein mehr für die Ewigkeit.“ JACQUES GARCIA

Mehr als 20 Jahre widmete er der Restaurierung, Dekorierung und Möblierung dieser Anlage aus dem 17. Jahrhundert und vereinte dort alle Schätze, die er als Antiquitätensammler im Lauf seines Lebens zusammentragen konnte: Teppiche, Kunst, Bücher, Möbel und Stoffe der Epoche. Sein Ziel: Das Prunkschloss, während der Französischen Revolution geplündert und dem Verfall geweiht, wieder in einen Zustand zu versetzen, der dem des Ancien Régime so getreu wie möglich ist. Die Sehnsucht nach dem Sonnenkönig, nach der vorrevolutionären Zeit, gehört zu den irritierenden Konstanten des französischen Selbstverständnisses, das sich gern in jene Zeit zurückträumt, in der Stil und Prunk des französischen Hofs zum Paradigma der ganzen Welt wurden.

Diese Sehnsucht erfasste auch den Sohn eines spanischen Einwanderers, der als Heizungsmonteur am Pariser Ostbahnhof arbeitete, und einer französischen Mutter aus dem niederen Adel, die mit den Kommunisten sympathisierte. „Ich bin in vielerlei Hinsicht ein Paradox“, sagt Garcia. „Ein Träumer, der seinem Unbewussten folgt, und ein Materialist, der seine Ziele durchzusetzen weiß. Ein Dr. Jekyll und Mr. Hyde.“ Sein frankophiler Vater nahm ihn oft mit auf Streifzüge durch die Trödler- und Antiquitätenmärkte von Paris; mit acht Jahren baute sich der kleine Jacques bereits eine Hütte im Garten seiner Großeltern auf dem Land: „Mein allererstes Schloss. Man kann doch nur von Dingen träumen, die es nicht oder nicht mehr gibt: der Turmbau zu Babel, der Koloss von Rhodos, der Sonnenkönig und seine Schlösser. Alles andere ist ja die Realität. Hätte ich die Zeit wirklich erlebt, vielleicht hätte ich sie gehasst.“

Er studierte folgerichtig Innenarchitektur, doch sein erstes eigenes Apartment war, man mag es kaum glauben, noch ganz dem Modernismus verschrieben: „Alles lackierte ich weiß, vom Parkett bis zu den Wänden, an die ich die monochromen Bilder von Yves Klein, die Schnittbilder von Lucio Fontana oder die Farbfeldmalereien von Josef Albers hing. Die waren damals, Ende der 60er, zu Spottpreisen zu haben“, sagt er. „Es ist übrigens nicht so, dass ich nur im Stil des Ancien Régime wohne: Ich habe mehrere Residenzen, und jede ist anders. Darunter gibt es auch solche, die man eher modern nennen würde.“ Man hat Garcia vieles vorgeworfen in seiner Karriere: einen reaktionären Stil zu pflegen, zu dekorativ oder gar megaloman zu sein. Doch eines kann man ihm gewiss nicht streitig machen: Eine Nase zu haben für etwas, was von ewigem Wert ist.

„Zu viel Opulenz? Die gibt es gar nicht. Es geht immer nur um Harmonie.“ JACQUES GARCIA

Schon 1980, mit 33 Jahren – er hatte sich gerade mit seinem Studio selbstständig gemacht – schöpfte er aus dem Vollen: erwarb die erste Etage des „Hôtel de Sagonne“ im Pariser Marais, ein Stadtpalais aus dem 17. Jahrhundert, und restaurierte sie von Grund auf. Die prunkvolle Wohnung richtete er ganz im Stil der Epoche ein und ging damit durch die französischen Medien. Jacques Garcia wurde bekannt, gewissermaßen als Antipode zum modernistischen Trend. „Der Maximalismus und der Minimalismus sind sich näher als man glaubt“, sagt er. „Beide entspringen einem übervollen Schöpfergeist. Nur wenn man ihn nicht zu ordnen versteht, wird daraus Miserabilismus.“

Als er 1992 das heruntergekommene Schloss „Champ de Bataille“ erwarb, war er noch nicht der Star, der er heute ist. Er hatte gerade genug Geld, weil er dem Sultan von Brunei ein Stadtpalais an der Place Vendôme eingerichtet hatte. „Das Schloss war damals ganz klar eine Nummer zu groß für mich“, sagt Garcia heute. „Aber ich sah es als meine Bestimmung: Wegen ,Champ de Bataille‘ musste ich größer denken und effizienter arbeiten – und wechselte zum Hoteldesign.“ Was ihm mit dem bahnbrechenden Pariser „Hôtel Costes“ 1995 fulminant gelang.

Während der Gelbwesten-Proteste in diesem Frühjahr brannte das Restaurant „Fouquet’s“ auf den Champs-Élysées ab, das ebenfalls Garcias Handschrift trägt. „Revolten liegen in der französischen Natur. Ich fand das traurig, aber nicht dramatisch“, sagt er. „Kann man wieder aufbauen.“ Wir lebten immer noch in quasi-feudalistischen Zeiten voller sozialer Ungerechtigkeiten. „Doch der moderne Mensch hat kein Bewusstsein für die Ewigkeit, das ist das eigentlich Tragische.“

IssueGG Magazine 04/19
City/CountryParis, France
PhotographyFlammarion/Èric Sander
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