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The cool Operator by Christian Aust | 3. September 2021 | Personalities

Was er auch anpackt, er lässt es leicht aussehen. Diese vermeintliche Mühelosigkeit macht Idris Elba unwiderstehlich männlich. Der britische Schauspieler ist ein Tausendsassa: Produzent, Regisseur, Autor, Komponist, UN-Botschafter, Kickboxer, Rennfahrer, Rapper, Sänger und DJ. Und er verfolgt eine Mission – die kulturelle Vielfalt.

Für Männer existierten vor nicht allzu langer Zeit noch drei intellektuell einfach zu verarbeitende Basis-Modelle: Macho, Softie oder Normalo. Eine Ära der Schlichtheit und klarer Verhältnisse, nach der sich viele zurücksehnen. Denn der Zeitgeist ist heute so komplex, vielfältig und schnelllebig, dass viele Männer nicht mehr wissen, was sie überhaupt noch darstellen sollen und dürfen, um in dieser Gemengelage eine gute Figur zu machen. Auch Hollywood reagiert verwirrt und besetzt als Protagonisten große Jungs statt ausgewachsener Männer. In diesem Vakuum erscheint – als rettende Lichtgestalt – Idris Elba.

„Ich halte heute die East-End-Flagge im Buckingham-Palast hoch.“ IDRIS ELBA

Er okkupiert eine verwaiste Showbiz-Nische: Idol für Erwachsene aller Geschlechter – erfahrener Mann, der gleichzeitig kompromisslos und sensibel sein kann. Darüber hinaus ist er ein unterhaltsamer Erzähler und ein warmherziger Mensch. Mit Stil, Charme, Coolness und Humor ist Idris Elba optimaler Botschafter der britischen Insel. Die meisten kennen ihn als Detective Chief Inspector John Luther in der gleichnamigen BBC-Krimi-Serie „Luther“, die sich über fünf Staffeln erstreckte. Im Mittelpunkt ein düsterer Ermittler, der die Grenzen von Moral und Gesetz überschreitet. Der zu Gewaltausbrüchen neigt, Verdächtige bedroht und mit Stühlen um sich schmeißt. Elba erhielt dafür 2012 den Golden Globe als bester Hauptdarsteller, es folgten der SAGAward und Critics’ Choice Award. Derzeit finden die Dreharbeiten zum lang ersehnten „Luther“- Kinofilm statt. Ein Ereignis, das Fans weltweit in Aufruhr versetzt.

Idris Elba ist weit mehr als Schauspieler. Er lebt seine Kreativität in einer ganzen Reihe beruflicher Parallel-Universen aus. Ist Produzent, Regisseur, Autor, Komponist, UN-Botschafter, Kickboxer, Rennfahrer, Rapper, Sänger und DJ. Als ob das nicht genug wäre, einen Menschen rund um die Uhr zu beschäftigen, versucht sich der 48-jährige Vater von zwei Kindern jetzt auch als Kinderbuchautor. Einer wie Elba entwickelt natürlich kein einzelnes Buch, sondern gleich eine ganze Reihe, zusammen mit der preisgekrönten britischen Autorin Robyn Charteris. Elba ist Teamplayer, vernetzt mit den richtigen Leuten, die er gern ins Boot holt, wenn er berufliches Neuland betritt. Die Bücher sollen nächstes Jahr erscheinen. Dass Kinderbücher ein Genre sind, das nicht zu einem maskulinen Leading Man passen könnte, ist ihm egal. Denn die Grenzen seines Images definiert er selbst und immer wieder neu.

Im Filmgeschäft gelten ab einer bestimmten finanziellen Größenordnung ungeschriebene Gesetze. Zu denen gehört, dass Schauspielerinnen und Schauspieler ihr Talent nicht in einer breit gefächerten Varianz von Rollen zeigen dürfen, sondern nach Typen besetzt werden. Eine Regel, die für Idris Elba nicht mehr gilt. Lange vor Kampagnen wie #OscarSoWhite oder der Diversitätsdebatte in Hollywood, spielt Elba Figuren, für die nicht-weiße Schauspieler bisher höchst selten unter Vertrag genommen werden. In den „Thor“-Comic-Verfilmungen sehen wir ihn als Gott aus der nordischen Wikinger-Mythologie, in Ridley Scotts „Prometheus – Dunkle Zeichen“ als Astronauten. Auf der Leinwand erleben wir ihn knallhart, sanft, gut oder böse, in opulent produzierten Blockbustern oder ambitionierten Low-Budget-Produktionen. Neben Kate Winslet spielt er in dem Liebes-Action-Drama „Zwischen zwei Leben“ den romantischen Helden, einen Chirurgen. Im Netflix-Film „Concrete Cowboy“ gibt er den urbanen Cowboy (wofür er reiten lernt, trotz Pferdeallergie).

Über Jahre wird Idris Elba als Nachfolger von Daniel Craig als 007 und damit als erster „Schwarzer Bond“ gehandelt. Ein Gerücht, von dem Fans und Journalisten so begeistert sind, dass Elba sich bis heute bei jeder Gelegenheit dazu äußern soll. Inzwischen bitten seine Pressebetreuer vor Interviews höflich darum, dieses Thema doch auszusparen. Elba hat klargemacht, wie sehr ihn die Rolle gereizt hätte, aber das Angebot gab es nie. Wie sehr ihm das zu schaffen macht, räumte er vor zwei Jahren gegenüber dem US-Magazin „Vanity Fair“ ein: „Du wirst einfach entmutigt, wenn die alte Garde schlicht sagt: ,Es geht nicht.‘ Nur wegen meiner Hautfarbe. Und falls ich den Job dann doch bekäme und es nicht funktionieren sollte – oder es würde klappen: Wäre es nur wegen meiner Hautfarbe?“

„Ich sehe mich nicht als ,Schwarzen Darsteller‘. Ich bin Schauspieler, keine Nummer.“ IDRIS ELBA

Jetzt, mit beinahe 49 Jahren, ist er vermutlich zu alt für James Bond. Doch wer weiß? Vielleicht setzt er auch dieses Gesetz noch außer Kraft – Idris Elba ist immer für eine Überraschung gut. Einmal interviewte ich ihn an einem heißen Sommertag in Köln. Statt das Gespräch im dafür vorgesehenen 5-Sterne-Hotel zu führen, hatte Elba spontan andere Vorstellungen. Aus seiner klimatisierten Suite wollte er in einen Beach Club am Rhein umziehen. Und so saßen wir mit den Füßen im Sand auf Liegestühlen, vor uns einEimer mit eisgekühltem Bier und Softdrinks. Das fühlte sich mehr nach Urlaub an als nach Arbeit und Idris Elba – mit roter Beanie-Mütze auf dem Kopf – wie ein guter, alter Bekannter.

Ich gratuliere ihm zu seinem Hit, der da gerade in den Dance-Charts durchstartet – „Boasty“, ein Gemeinschaftsprojekt mit Sean Paul, Wiley und Stefflon Don. Das Video wird auf YouTube bereits in den ersten Wochen millionenfach geklickt. Idris Elba freut sich – seine Erfolge als Musiker sind ihm mindestens so wichtig wie die als Schauspieler. Schon mit 14 assistierte er seinem Onkel, der als DJ arbeitet. Erste eigene DJ-Sets absolviert er als Little Driis. Mit 19 legt er in Londoner und später New Yorker Clubs auf, nennt sich nun Big Driis. Mittlerweile hat er mit Musikgrößen wie Jay-Z, Macklemore oder Taylor Swift gearbeitet, für Madonna legte er auf ihrer „Rebel Heart Tour“ auf. Zwei seiner bislang spektakulärsten DJ-Aufträge sind Sets auf der Hochzeitsparty von Prinz Harry und Meghan Markle und auf dem legendären Coachella-Festival. Auf Spotify pflegt er einen eigenen Kanal, den monatlich fast 741.000 Menschen hören.

Wie beinahe jeder wirklich coole Star aus Großbritannien hat auch Idris Elba einen soliden Working-Class-Background. Das hat er mit Ikonen wie Sean Connery oder Michael Caine gemeinsam, Kollegen, die wie er eine bodenständige Britishness repräsentieren, die tief in der Popkultur des Landes verwurzelt ist. Er wächst als Einzelkind im East End von London auf; im damals noch armen Stadtteil Hackney, einem kulturellen Schmelztiegel mit vielen Einwandererfamilien. Vater Winston stammt aus Sierra Leone, Mutter Eve aus Ghana. Nach der Hochzeit in Westafrika zieht das Paar nach London, rund ein Jahr später kommt hier Idrissa Akuna Elba zur Welt – der Junge verkürzt seinen Namen schon in der Schule zu Idris, er war die Hänseleien seiner Klassenkameraden leid.

Sein Vater arbeitet in der Fabrik, bei Ford in Dagenham. Erste Schauspielerfahrungen macht Idris im Schultheater. Noch heute schwärmt er von seiner damaligen Schauspiellehrerin. Teile seiner Erinnerungen an Kindheit und Jugend verarbeitete er in seinem Regiedebüt „Yardie“ – für das er den National Film Award als bester Regisseur erhielt. Er verfilmte damit den gleichnamigen Roman von Victor Headley, der ins Gangster-Milieu im London der 80er-Jahre führt. In einem Interview erklärte Elba mal: „Die Geschichte ist in einer Welt angesiedelt, die Teil meiner Welt war und die ich kenne. Deswegen wollte ich das Buch verfilmen. „Yardie“ sei für ihn gewissermaßen das, was ,GoodFellas‘ für Martin Scorsese war.

„Meine Eltern haben die Kultur ihrer Heimat Sierra Leone gepflegt und auch in London weitergelebt“, erzählt er in der US-Talkshow „The View“, wo sich ein weibliches Publikum im besten Alter akustisch in eine Fangruppe kreischender Teenager verwandelt. Denn beinahe hätten wir vergessen, es zu erwähnen: Idris Elba ist auch ein Sexsymbol mit offensichtlich magischer Ausstrahlung. Wenn selbst die nicht leicht zu beeindruckende Whoopi Goldberg sagt, er sei zu jung für sie, sie würde aber durchaus über ein Verhältnis mit ihm nachdenken, muss der Mann einfach das gewisse Etwas haben. Das US-Magazin „People“ kürte ihn 2018 zum „Sexiest Man Alive“. Aber zurück zum Thema Jugend: „Meine Eltern sprachen weiter die Landessprache Krio, und es wurde afrikanisch gekocht. Kennen Sie Fufu? Man isst es mit der Hand und stippt es vorher in eine Soße. Großartig!“

Im Januar 2016 hatte Idris Elba einen Auftritt vor dem Britischen Parlament, er selbst nannte seine Rede die wichtigste, die er je gehalten hat. Er sprach über seine Branche und die Notwendigkeit, fundamental etwas zu ändern, Talent vielfältiger Hintergründe nicht länger ungenutzt zu lassen. Er macht klar, gegen wie viele Wände er selbst anlaufen musste, bis er endlich glänzen konnte. „Ich bin nicht hier, um über Schwarze zu reden“, stellt er klar. „Ich bin hier, um über Diversität zu sprechen. Und das ist heute mehr als Hautfarbe – da geht es um Alter, Geschlecht, Behinderung, sexuelle Orientierung, sozialen Hintergrund und um das, was ich am allerwichtigsten finde: die Vielfalt der Gedanken.“ Er sehe sich nicht als ,Schwarzen Darsteller‘. „Ich bin Schauspieler, keine Nummer.“ Das genau habe er aber über Jahre kaum zeigen können, so einschichtig waren die Rollen, die ihm angeboten wurden, immer wieder der Gang-Anführer etwa. „Und so rufe ich die Filmindustrie heute dazu auf, nicht länger in Schubladen zu denken.“ Das Publikum wolle keine Karikaturen sehen. Dafür müsse sich auch der kulturelle Hintergrund vieler Entscheider ändern. Im letzten Jahr bekam er den BAFTA-Ehrenpreis für sein Engagement für mehr Diversität und die Förderung neuer Talente.

Als Elba wenige Monate später feierlich zum „Officer of the Most Excellent Order of the British Empire“, kurz OBE, ernannt wird, begleitet ihn seine Mutter. Den Ritterorden verleiht ihm Prinz William. „Heute halte ich die East- End-Flagge im Buckingham-Palast hoch“, jubelt Elba danach auf Twitter. Nach der Schule gelingt es ihm, einen der begehrten Plätze am National Youth Music Theatre zu bekommen. Damit verbunden ist eine Art Stipendium des Prince’s Trust: der Wohltätigkeitsorganisation von Prinz Charles, die jungen Erwachsenen aus Problemvierteln den Start in ein geregeltes Leben erleichtern soll.

Elba ist dem Trust bis heute verbunden. Doch bis er von ersten Rollen in Serien wie „Inspektor Wexford ermittelt“ oder „The Governor“ leben kann, ist es ein weiter Weg. Geld verdient er zwischen Mini-Rollen mit Jobs als Reifenmonteur oder als Packer in einem Health Food Shop. Zwei Jahre lang arbeitet er wie sein Vater am Fließband bei Ford, Nachtschicht. Der Durchbruch gelingt ihm schließlich 2002. Mit der Rolle des Russell „Stringer“ Bell in der Serie „The Wire“. Acht Jahre später folgt dann „Luther“, der Beginn seiner internationalen Karriere. Die Figur des sensiblen, aber aggressiven Ermittlers, der Gesetze missachtet, um das Böse zu bekämpfen, passt perfekt zu ihm. Idris Elba ist zu dieser Zeit bereits 37 Jahre alt.

Vor acht Jahren spielt Elba den Friedensnobelpreisträger Nelson Mandela – für ihn Herzensangelegenheit und Botschaft. Den Kontakt zu seinen Wurzeln und der Heimat seiner Eltern hat er nie abbrechen lassen und immer weiter ausgebaut. Für BBC Radio 2 produzierte er eine Show, in der er verschiedenste Arten afrikanischer Musik präsentiert. Seit Beginn seiner Karriere engagiert er sich für Hilfsorganisationen wie ONE, die gegen Armut und Aids kämpft.

Seit vergangenem Jahr sind Elba und seine Frau auch Botschafter für den International Fund for Agricultural Development (IFAD) der Vereinten Nationen. In dieser Rolle generierten sie bisher 40 Millionen US-Dollar für afrikanische Bauernfamilien, die von der Pandemie betroffen sind. Gegenüber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ sagte Elba: „Ich habe begriffen, dass meine Prominenz auch ein Licht auf den Teil der Welt werfen kann, aus dem ich stamme. Deswegen will ich ein Repräsentant dieses Kontinents sein.“ Afrika habe so viel Potenzial, so viel Kultur, und der Rest der Welt beginne, das zu realisieren. „Es macht mich glücklich, wenn ich etwas dazu beitragen kann.“

Seit 2019 ist Idris Elba in dritter Ehe mit dem somalisch-kanadischen Model Sabrina Dhowre verheiratet. Das Paar lebt in London und Los Angeles, Elba gehören auch Immobilien in New York City und Atlanta. Wer die Dynamik der beiden erleben will, sollte sich unbedingt den Clip der britischen „Vogue“ mit dem Titel „Sabrina & Idris Elba Play Mr & Mrs“ ansehen. Vor Kurzem haben die Neuvermählten einen Beziehungs-Podcast gelauncht, in dem sie mit prominenten Gästen über Ehe und Partnerschaft sprechen. Und gemeinsam mit Christian Louboutin bringt das Paar die Schuhkollektion „Walk a Mile in My Shoes“ auf den Markt, deren Erlös vollständig wohltätigen Zwecken gespendet werden soll.

Es ist schwer vorstellbar, aber zwischendurch hat Idris Elba Energie und Zeit, sich immer weiteren neuen Herausforderungen zu stellen, die er sich regelmäßig selbst sucht. 2015 beginnt er – zu diesem Zeitpunkt immerhin 42 Jahre alt – mit einem 12-monatigen Kickbox- und Martial-Arts-Training. Unter Anleitung des Thai-Box-Coaches Kieran Keddle bereitet er sich auf einen Kampf gegen den jüngeren und erfahreneren Fighter Lionel Graves in der Londoner York Hall vor. Er gewinnt durch Knock-out in der ersten Runde.

Dann sind da noch die Autos. Die sind für Elba viel mehr als eine Leidenschaft, vielmehr bedeuten sie einen Teil seiner Lebensphilosophie. 2015 bricht er in einem Bentley Continental GT einen Geschwindigkeitsrekord mit dem Titel „Flying Mile“. In der Fernsehserie „Elba vs. Block“ fordern sich Elba und der renommierte Stuntfahrer Ken Block gegenseitig zu wilden Fahrmanövern heraus. „Letztendlich geht es darum, mich meinen Ängsten zu stellen“, hat er mal gesagt. „Angst regiert einen großen Teil unseres Lebens. Ich will meine Entscheidungen nicht aus Angst vor dem Unbekannten treffen, sondern Dinge ausprobieren.“

Und nun also „Luther“ – abendfüllend und großformatig, Jahre nach dem viel beklagten Ende der Serie kommt das große Finale als Spielfilm. Mit einem komplexen Helden für eine komplexe Zeit. Idris Elba wird auch Executive Producer sein. Wann der Film startet, steht noch nicht fest. Ganz sicher ist aber schon heute: Wir können es kaum abwarten.

IssueGG Magazine 04/21
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