Palazzo Fiuggi by Michaela Cordes | 3. Dezember 2021 | Destinations
Inmitten der sanften Hügellandschaft von Latium, eine knappe Autostunde von Rom entfernt, steht die neue Health-Destination der Superlative: der „Palazzo Fiuggi“. Hier trifft Hightech-Cuisine auf medizinische Forschung. GG durfte den Wellness-Tempel testen.
Schon die Anreise ist Balsam für die Seele: Pinienwälder und die sanften Hügel der Region Latium in Mittelitalien ziehen an meinem Autofenster vorbei. Wenig später erreichen wir den Kurort Fiuggi, zu dem schon im Mittelalter Papst Bonifatius VIII. und in der Renaissance Michelangelo pilgerten, um mit dem gleichnamigen Heilwasser ihre Gallensteine zu therapieren. Dann geht es circa 700 Meter bergauf, und wir rollen über die knirschende Kiesauffahrt: „Siamo arrivati a Palazzo Fiuggi!“, flötet mein eleganter Fahrer, wie es nur die Italiener können. Vor knapp einer Stunde hat er mich am Flughafen von Rom eingesammelt. Pagen bringen mein Gepäck in Windeseile auf mein Zimmer im vierten Stock.
„Das Besondere an unserem Konzept: Wir verwenden Nahrung wie Medizin.“ HEINZ BECK
Bevor ich den Palast betreten darf, muss ich einen Covid-Schnelltest machen, dann führt mich Roberta durch den im Mai eröffneten Gesundheitstempel. Der hat sich zum Ziel gesetzt, die luxuriöseste und modernste Wellness- und Health-Destination Europas zu werden. In dem imposanten Bau, der 1913 als erstes europäisches Hotel mit Pool entworfen wurde, findet man heute 102 luxuriös eingerichtete Zimmer und Suiten (zwischen 32 und 135 Quadratmeter), einen 6.000 Quadratmeter großen Spa- Bereich mit insgesamt drei Pools und das wohl imposanteste Gym der Welt untergebracht im ehemaligen Ballsaal auf 400 Quadratmetern. Da es schon spät am Abend ist, ziehe ich mich schnell in meinem Zimmer mit italienischem Marmorbad um. Das Diner wartet im Erdgeschoss auf mich, im spektakulären Vier-Kontinente-Speisesaal, in dem die übrigen Gäste unter prächtigen Lüstern aus Muranoglas bereits ihr Essen einnehmen.
Zu klassischer Klaviermusik, die vom selbstspielenden Flügel herüberweht, genieße ich eine Komposition aus Zucchini-Nudeln in einer raffinierten Gemüsebrühe. Meine erste Mahlzeit aus der Küche des berühmten Heinz Beck, der vor 27 Jahren von Deutschland nach Italien kam, um das Restaurant „La Pergola“ zu übernehmen. Damals sprach er kein Wort Italienisch, heute hat er drei Michelin-Sterne, als einziger Koch Roms. Was weniger bekannt ist: Der Spitzenkoch vom Bodensee erforscht seit mehr als zwei Jahrzehnten den Einfluss der Nahrung auf unsere Gesundheit. „Anfangs nahm man mich gar nicht ernst“, erzählt Beck mir ein paar Tage später, „aber spätestens seit wir bewiesen haben, dass das Insulinlevel nach der Nahrungsaufnahme Einfluss auf unsere Gesundheit hat, wurde ich endlich von den Medizinern an den Tisch geladen.“ Mittlerweile haben die Italiener dem Koch für seine Erkenntnisse sogar einen Doktortitel verliehen.
Für das Deep-Detox-Programm, das ich in den nächsten Tagen ausprobieren darf, hat Beck gemeinsam mit Professor David Della Morte Canosci, der jeweils eine Professur für innere Medizin (in Rom) und eine für Neurologie (in Miami) besitzt, eine präzise abgestimmte Food Line für den „Palazzo Fiuggi“ entwickelt. Die wird individuell auf jeden Patienten zugeschnitten. Das Besondere: Nahrung wird hier wie Medizin verwandt. Heinz Beck hat dafür ein einzigartiges Hightechverfahren entwickelt, bei dem er die Nährstoffe aus den biologisch angebauten Zutaten herausfiltert. Er lässt nur das übrig, was dem Organismus seiner Patienten auch tatsächlich dient. „Es geht um Ernährung, die Entzündungen hemmt – denn nur wenn man die Entzündung in der Zelle gering hält, lebt man länger und vor allem gesünder.“
Zum Glück ist sein Essen nicht nur vorbildlich gesund, es schmeckt phänomenal. Unvergesslich ist das sinnliche Erlebnis beim Gericht „Il Pomodoro“. Schon beim ersten Löffel der Haute-Couture-Suppe, die diverse Varianten der Tomate enthält, explodieren meine Geschmacksknospen, und ich frage mich, ob ich je zuvor so intensiv Tomate geschmeckt habe. Aber nicht nur die Qualität der Nahrung, auch die genaue Uhrzeit der Mahlzeiten spielt hier eine große Rolle. Zwischen 7.30 und 9 Uhr gibt es Frühstück, von 12 bis 14 Uhr Mittagessen und von 19 bis 21.30 Uhr kann man zu Abend essen. „In einem Land wie Italien ist es schwer, unsere Gäste dazu zu zwingen, bis 19 Uhr gegessen zu haben“, sagt Heinz Beck lächelnd. Er hat zusätzlich zwei Snackzeiten eingebaut – von 10.30 bis 11.30 Uhr und von 16 bis 17 Uhr gibt es etwa Papaya oder einen Smoothie.
„Das ist wichtig, weil gerade beim Weight-Loss-Programm viele Patienten sonst unnötig leiden würden und fünf kleine Mahlzeiten eh besser sind für die erfolgreiche Fettverbrennung.“
Am nächsten Morgen um kurz vor 7 Uhr wird mir von einer Krankenschwester Blut abgenommen, damit mein individuelles Programm erstellt werden kann. Es folgt ein gründlicher Rundum-Check: Ich drehe mich auf einer Platte um 360 Grad für einen 3-D-Scan, Herz und Kreislauf werden überprüft, das Verhältnis von Wasser und Muskeln errechnet.
Danach habe ich meine erste Audienz bei Professor Della Morte Canosci, der mir erklärt, dass die meisten Patienten im „Palazzo Fiuggi“ mit den typischen Zivilisationskrankheiten zu ihm kommen: Stress, Bluthochdruck, Übergewicht. Besonders die Covid-Lockdowns haben bei vielen Menschen zu ungewollten Kilos geführt. „Es ist nun mal so, dass man ein langes, gesundes Leben nur dann führen kann, wenn man für drei Dinge sorgt: Tägliche Bewegung, ausgewogene Ernährung und guten Schlaf.“ Gleich im Anschluss erhalte ich Einblick in einige verblüffend moderne Anwendungen, die ich vorher noch nirgendwo so gesehen habe. Mit der 30-minütigen Spa Wave behandelt man hier Patienten mit chronischen Schlafstörungen. Mit Kopfhörern nehme ich halb liegend auf einer Art Wasserbett Platz. Nachdem die Therapeutin den Raum abgedunkelt hat, höre ich dumpfe, aber sehr angenehme Basstöne, die durch meinen ganzen Körper vibrieren. Zehn Minuten später bin ich fest eingeschlafen. Ich werde erst wach, als die Therapeutin wieder im Raum ist und mir erklärt: „Dieses Verfahren wurde in den USA entwickelt, um Soldaten mit posttraumatischer Belastungsstörung zu kurieren. Wie bei der Meditation wird hier die mentale Aktivität heruntergefahren und eine Tiefenentspannung erreicht.“
Anschließend gibt es noch eine Behandlung für die Schönheit. Ich sitze in einer Art Plastiksessel, und plötzlich schnellen aus den Seiten kleine Cups gegen meine Oberschenkel. Dabei höre ich ein lautes Klacken. Vom Geräusch her könnte man denken, dass diese Behandlung unangenehm sei, aber ich merke kaum etwas. „Die ,Cellis‘-Maschine hat denselben Effekt wie Cupping oder auch Schröpfen“, erklärt mir eine weitere Therapeutin. Ein Effekt, der die Durchblutung in den Oberschenkeln und im Po ankurbelt und für eine straffere Kontur sorgt.
Am nächsten Morgen scheint – wie fast an jedem Tag während meines Aufenthalts – wieder die Sonne, und ich unternehme einen Ausflug in die historische Altstadt von Fiuggi, die malerisch von fast jeder Ecke des Palazzos zu sehen ist. Später besuche ich die öffentlichen Thermenanlagen, zu denen bis heute ältere Italiener pilgern, um vom heilenden Wasser zu trinken. Zurück im Palazzo sehe ich, dass im hauseigenen Kino der Film „Gladiator“ läuft. Aber ich bin von meinem Liquid Day – heute gab es nur flüssige Nahrung für mich – so bleiern müde, dass ich mich schon kurz nach 22 Uhr in mein gemütliches Bett kuschle und nur wenige Minuten später tief eingeschlafen bin.
Vor dem Frühstück am nächsten Morgen treffe ich Maria, die Yogalehrerin, die mir klarmacht, wie Soundbathing eigentlich funktioniert,ein gerade sehr beliebter Trend. Dazu gießt sie Wasser in eine große Messingschüssel und kreist mit einem Holzstück über den Rand, bis man einen angenehm klingenden Ton hören kann. Gleichzeitig beobachte ich, wie das Wasser nun kleine Wellen schlägt. „So wie das Wasser bringe ich mit der Schüssel auch deine Zellen zum Vibrieren.“ Ich lege mich auf den Rücken, und sie geht mit unterschiedlich großen, vibrierenden Schüsseln auf meinem Körper spazieren. Anschließend zeigt sie mir noch ein paar Aufwachübungen, die sinnvoll sind, um den Körper morgens aus dem Schlaf zu wecken.
Am Nachmittag nutze ich die noch wunderbar wärmende Septembersonne an einem der drei Pools. Ich muss nämlich auftauen: Hinter mir liegt eine Kryo-Session von Minus 110 Grad – drei Minuten halte ich es im Trockeneis aus, die letzten 15 Sekunden erscheinen mir wie eine halbe Ewigkeit. Danach werde ich mit einer Moorpackung belohnt, die ganze Prozedur soll Entzündungen vorbeugen und Giftstoffe aus dem Körper schleusen. Nach einer Woche im „Palazzo Fiuggi“ fahre ich zwei Kilo leichter und voll neu getankter Energie glücklich nach Hause.