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Die Ikonen-Sammlerin by Steffi Kammerer | 2. Dezember 2022 | Travel

Die Pandemie hat die Branche schwer gebeutelt, der chinesischen Hotelgruppe Rosewood aber gab sie Rückenwind. CEO Sonia Cheng verfolgt einen Expansionskurs der Superlative: Ihr Portfolio ist dabei, sich zu verdoppeln. Allein in Europa eröffnen in den nächsten Jahren fünf neue Hotels – einzigartige Häuser mit großer Geschichte.

Ein Deutscher, der fast 20 Jahre in Asien gearbeitet hat und Österreich kaum kennt, soll ein Hotel in Wien etablieren, am ersten Platz der Stadt. Vor solch einer Herausforderung wären viele zurückgeschreckt. Aber wer eine Chefin hat wie Sonia Cheng, der traut sich viel zu.

Alexander Lahmer hat in seinem Leben bereits fünf Hotels eröffnet. Also hat er sich der neuen Aufgabe noch von Hongkong aus mit einem dicken Stapel Bücher genähert. Er las über die österreichische Hauptstadt, was er finden konnte. In Wien angekommen, nahm er sich vier Monate frei, um sich zu akklimatisieren und sein neues Zuhause zu erwandern, auch die abgelegenen Gassen. Danach blieben ihm zwölf Monate, um das neoklassizistische Bankgebäude an der Peterskirche, ein Wahrzeichen aus dem 19. Jahrhundert, in ein Hotel erster Güte zu verwandeln. Im August war die Zeit der Bauhelme vorbei, das „Rosewood Vienna“ mit 99 Zimmern und Suiten öffnete seine Türen, das erste in einer deutschsprachigen Region.

Wien und seine reiche Geschichte wird hier an allen Ecken gefeiert, nicht nur in den ausliegenden Coffeetable-Büchern über Jugendstil. Da sind die Vorhänge und Polsterbezüge mit Mustern der Wiener Werkstätten, handbemaltes Porzellan von Augarten, Besteck der Wiener Silbermanufaktur. Herzstück des Hotels ist ein Salon, dessen Wände eine österreichische Künstlerin handbemalt hat. Mit tropischen Pflanzen, die ans Palmenhaus im Schönbrunner Schlosspark erinnern sollen. 40 Tage lang hat es gedauert, bis die exotisch-heimatliche Verbeugung fertig war.

„Sense of Place“ nennt Sonia Cheng all so etwas. Das Konzept ist die Leitschnur ihres Unternehmens, eine Verankerung der Hotels in der Kultur und Geschichte eines Ortes. Cheng ist als CEO greifbar und trotz des so rasanten Wachstums von Rosewood bis in Details involviert, selbst wenn es um die Auswahl von Lampen am anderen Ende der Welt geht. Alles geht unkompliziert per Whatsapp, sagt Hoteldirektor Lahmer, sie sind nach zehn Jahren Zusammenarbeit ein eingespieltes Team.

Wien ist das fünfte Rosewood-Hotel in Europa und Haus Nummer 30 im Portolio; davor waren São Paulo – das erste Hotel der Gruppe in Südamerika – und Madrid hinzugekommen; in der spanischen Hauptstadt hat sich Rosewood das „Villa Magna“ gesichert. Es gehört einem anderen Unternehmen, Rose­wood ist der Betreiber. Und so eröffnete das Haus im November 2021 nach der Renovierung unter neuer Flagge als „Rosewood Villa Magna“. Das Gleiche vier Jahre vorher in Paris: Da feierte das ikonenhafte „Hôtel de Crillon“ seine Wiedergeburt als Teil von Rosewood, nach vierjähriger Renovierung. Das „Crillon“ gehört einem saudischen Prinzen, Rosewood prägt die Ästhetik und den frischen Auftritt.

Die Wurzeln der Rosewood­ Gruppe finden sich in Texas. Hier legte 1979 Caroline Hunt den Grundstein, einst reichste Frau der USA. Ihr erstes Hotel war „The Mansion on Turtle Creek“ in Dallas. Die Gruppe wuchs, nach rund zwei Jahrzehnten gehörten ihr zehn Ho­tels. Der Coup war 2001 der Erwerb des New Yorker „Carlyle“­Hotels. Zehn Jahre später, 2011, wurde Rosewood für 230 Millionen Dol­lar an die heutigen Eigentümer*innen ver­ kauft: die milliardenschwere Familie Cheng aus Hongkong.

CEO wurde Sonia Cheng – Harvard ­Absol­ventin und gerade mal 30 Jahre alt –, deren Großvater ein Immobilienimperium begrün­det hatte. Dass die Marke damals außerhalb der USA fast keiner kannte, wird sie angespornt haben, sie sucht Herausforderungen. Und legte sofort los: entwickelte das „Rosewood Lon­ don“ und eröffnete es schon zwei Jahre spä­ter, im Oktober 2013. Zusätzlich machte sie „Peking“ auf, das erste Hotel der Gruppe in Asien. Chengs Ziel war es von Anfang an, die Gruppe zu internationalisieren. Die ikonen­ haften Gebäude in die Gegenwart zu über­ führen, sie attraktiv zu machen für eine jun­ge Generation. Für Menschen wie sie selbst: Kosmopoliten, die etwas entdecken wollen, die überrascht werden wollen. „Als ich in Harvard anfing, wollte ich nicht einfach Wirtschaft stu­dieren wie alle anderen“, hat sie mal in einer TV­Dokumentation gesagt. Sie entschied sich stattdessen für etwas Komplizierteres: für an­ gewandte Mathematik. Die Suche nach dem Ungewöhnlichen und Neuen zeichnet auch ihr Unternehmen aus: „Ich möchte, dass wir als die progressivste und innovativste Hotelgrup­pe wahrgenommen werden“, sagt sie.

Mutter von vier Kindern ist Sonia Cheng außerdem. Umso mehr ist sie ein Vorbild für viele: die große Ausnahme in der Hospitality­ Industrie, die an der Spitze noch immer sehr männerdominiert ist. Es gibt wenige Frauen, die Top­Hotels führen, geschweige denn welt­ weit agierende Hotelgruppen. Und sie fördert auch andere Frauen: So hat das „Carlyle“ in New York seit April eine Chefin. Die allererste in seiner 90­jährigen Geschichte.

Eine Hotelschule hat Cheng nie besucht, musste sie auch nicht, sie hat es im Blut, ihre Kindheit in Hongkong war von den Familien­ hotels geprägt. Später ging sie nach Connecti­cut aufs Internat, ihre Karriere begann sie als Investmentbankerin. Vor drei Jahren eröffne­te sie das erste Rosewood in Hongkong, ihrer Heimatstadt. Als das Magazin „Tatler“ sie auf den Titel hob, ließ sie sich gemeinsam mit ih­ rem Team fotografieren.

Während der Pandemie nahm Rosewood dann so richtig Fahrt auf: 24 neue Projekte sind heute in der Pipeline, das Portfolio wird sich in den nächsten Jahren fast verdoppeln. Mit „Doha“ soll 2023 das erste Rosewood im Mittle­ren Osten eröffnen. Und besonders in den Zen­tren Europas wird der Expansionskurs spürbar werden. „Es ist aber nicht so, dass wir sagen, wir fokussieren uns jetzt mal auf Europa. Das sind individuelle Projekte, die zu unterschiedlichen Zeiten an uns herangetragen wurden“, sagt Ale­xander Lahmer. „Dann ist das alles in den Pipelines zusammengelaufen. Aber klar, jetzt wird es spannend, das werden tolle Jahre für uns.“

Das Haus in München, derzeit noch Bau­stelle, soll das luxuriöseste der Stadt werden, Ende 2023 ist die Eröffnung geplant. Auch Amsterdam, Rom und ein zweites Haus in London stehen in den Startlöchern. In Vene­ dig wird das berühmte „Hotel Bauer“ gewohnt aufwendig renoviert, die Wiedereröffnung soll 2025 sein. Auch „Schloss Fuschl“, Wahrzei­chen aus dem 15. Jahrhundert in der Nähe von Salzburg, ist seit wenigen Monaten Teil von Rosewood. Aus Hongkong kommentierte Sonia Cheng: „Die Neugestaltung und Reno­vierung historischer Gebäude sind zu einem festen Bestandteil unserer DNA geworden. Wir fühlen uns ge­ehrt, die Erfolgsgeschichte die­ses unvergleichlichen Anwesens fortschreiben zu dürfen.“

 

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PhotographyRosewood