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Der Aussteiger by Michaela Cordes | 21. März 2023 | Personalities

ein Name gilt als „super hot“ in der Design- und Fashionwelt. Maximilian Eicke, der Mann hinter der Marke Max ID NY. Besonders seine scharf geschnittenen „Ghost“-Gläser werden gerade vom US-Styleset begeistert auf Instagram geteilt. Kendall Jenner ist ein Fan, und auch Model Elsa Hosk postet unter Beifall ihrer Millionen Follower die Kreationen des jungen Mannes, der schon immer gegen den Strom geschwommen ist. Für seine Ziele hat er den außergewöhnlichen Karriereweg genommen – von Düsseldorf über New York nach Bali.

Begegnet man Maximilian Eicke zum ersten Mal, könnte man ihn für den jüngeren Bruder von Ben Affleck halten: groß, wuschelige braune Locken, lässige Klamotte und ein sehr sympathisches Lächeln. „Hi, wie geht’s?“, sagt er und gibt mir die Hand. Wir haben uns in seinem Designstudio und Showroom in Sag Harbor in den Hamptons verabredet, gute zwei Autostunden außerhalb von Manhattan. Hier ist Maximilian Eicke auch zur Schule gegangen, nachdem seine Eltern 1998 mit seiner Schwester und ihm von Düsseldorf in die USA gezogen sind. Idyllisch sieht es auf den ersten Blick aus. Akkurat geschnittene Buchsbaumhecken, weite, grüne Wiesen, charmante Häuschen – nicht umsonst gilt diese Nachbarschaft als Traumdestination für viele New Yorker, die Quadratmeterpreise gehören zu den teuersten der USA.

Aber Maximilian Eicke verbindet nicht nur gute Erinnerungen mit den ersten Jahren seiner Schulzeit. „Dabei war ich anfangs total begeistert, als meine Eltern uns eröffneten, dass wir ganz in die USA ziehen würden.“ Elfi und Michael Eicke hatten bis zu dem Zeitpunkt ihre Kunstgalerie „Christy’s Art Center“ in Sag Harbor nur im Sommer betrieben, sie waren mit ihren Kindern über die Sommerferien in die USA gereist, wenn die Hamptons am stärksten besucht sind.

Da die Ross School, die Wunschschule der Eltern, damals nur Mädchen aufnahm, musste der zehnjährige Maximilian auf die staatliche Schule in der Nachbarschaft gehen und wurde kurze Zeit darauf immer introvertierter und unglücklicher. „Weil ich aus Deutschland kam, wurde ich von meinen Mitschülern furchtbar gemobbt. Es war teilweise so schlimm, dass meine Eltern darüber nachdachten, wieder nach Deutschland zurückzukehren. Heute denke ich, diese Zeit hat mich gelehrt, dass man vor allem mit sich selbst glücklich sein muss, dein eigener bester Freund. Vielleicht – so denke ich heute – hat diese Zeit sogar meine Kreativität gesteigert, denn ich ziehe mich bis heute gern zurück und habe auf Kosten von Freundschaften schon Abende abgesagt, um mich lieber intensiv mit meiner Arbeit beziehungsweise einem neuen Design auseinanderzusetzen.“ Als die Ross School ein paar Jahre später ihre Regeln ändert, steht einem Schulwechsel nichts mehr im Wege. Und Max blühte auf! Er sagt: „Die Schule ist bis heute dafür bekannt, dass sie Kreativität fördert, und ich habe es dort geliebt.“

Nach dem Schulabschluss bewirbt sich Ma- ximilian Eicke bei einer der wenigen Univer- sitäten, die ein Interiordesign-Programm an- bietet – in Irland. „Mir war vor allem wichtig, nicht in Amerika zu bleiben, da mir die Zeit an der staatlichen US-Schule noch im Ge- dächtnis war. Alle meine Freunde bewarben sich eifrig gleich an mehreren Unis und beka- men diverse Zusagen. Ich würde mich als sehr faul bezeichnen und bewarb mich daher nur an einer einzigen Universität, dem Griffith College, weil es ein Interiordesign Programm anbot – und zog wenig später nach Dublin!“

Eine Entscheidung, die seinen weiteren Karriereweg definierte. „Hier fand ich gleich den sozialen Anschluss, den ich mir immer gewünscht hatte. Schon vom ersten Tag an schloss ich Freundschaften mit Menschen, die bis heute enge Buddys geblieben sind.“ Nur inhaltlich stößt der talentierte junge Mann schnell an Grenzen. „Im zweiten Jahr ging es darum, Möbel zu entwerfen – mein Lieblingsthema. Da ich so passioniert war, entwickelte ich meine Entwürfe viel weiter, als von den Professoren gefordert, und wurde zum besten Studenten meines Jahrgangs. Wenn es um die Benotung ging, bekam ich ganz automatisch die höchste Bewertung. Das machte mich natürlich stolz, aber mit der Zeit vermisste ich die Herausforderung.“

Daher schloss er das eigentlich drei Jahre dauernde Programm schon nach 48 Monaten ab und rechnet seinen Eltern vor, wie viel Geld er ihnen mit seiner vorzeitigen Beendigung des Studiums sparen würde. Dann beschließt er, mit einem gepackten Rucksack um die Welt zu reisen. Vor der Abreise erklärt der 19-Jährige noch seinen Professoren: „Ich verlasse die Uni zwar ein Jahr früher als gedacht, aber ich denke, Sie sollten mir dennoch das 2-Jahres-Diplom ausstellen.“ Er hatte schließlich alle dafür erforderlichen Seminare erfolg- reich absolviert. Selbstbewusst argumentierte er gegenüber der Universität: „Eines Tages werde ich bekannt sein und dann möchten Sie sicher, dass ich öffentlich sage, dass ich meinen Abschluss an Ihrer Uni gemacht habe.“

Sein Plan geht auf. Mit dem Diplom in der Tasche macht er sich drei Monate auf Weltreise – von Europa, nach Südostasien, Australien über Südamerika zurück nach New York. „Die Reise war ein Geschenk meiner Eltern zum bestandenen Studium. Ich tat damals alles, um bloß noch nicht zurück in die USA zu gehen, denn das hätte bedeutet, dass ich die Galerie meiner Eltern übernehmen würde. Und so weit war ich damals noch nicht.“

Die Zeit an der Uni in Irland hat ihn verändert. „Ich habe damals richtig gespürt: Aus dem introvertierten jungen Mann war ein Abenteurer geworden, der neue Herausforderungen suchte.“ Als Maximilian von seiner ausgedehnten Reise zurückkehrt, helfen ihm Freunde seiner Eltern mit der Vermittlung eines dreimonatigen Praktikums bei einer Eisenfabrik in der Kleinstadt Lüdinghausen im Münsterland. „Ich musste jeden Tag um vier Uhr morgens aufstehen und den Boden fegen. Ein paar Wochen später durfte ich aber schon – aufgrund meiner disziplinierten Arbeitsmoral – mit dem Meister arbeiten, der die aufwendigeren, interessanten Projekte betreute.“

Da sein Englisch absolut fließend ist, darf er kurz vor dem Ende des Praktikums mit einem Kollegen zu einem wichtigen Geschäfstermin zum Apple Headquarter nach Cupertino in Kalifornien. „Ich weiß noch, wie unfassbar ich das fand. Ich war gerade mal 20 und bekam das Vertrauen meines Chefs, einen der größten Aufträge an Land zu ziehen – das Interior- Design für alle europaweiten Apple-Geschäfte.“ Während des Praktikums verliebt sich Maximilian Eicke in das Material Metall. Zurück in den USA kauft er sich von den 3.000 Euro, die er als Dank für das unbezahlte Praktikum erhalten hatte, sein erstes Schweißgerät. Er lacht: „Was darauf folgte, war eine totale Obsession mit Metallarbeiten. Man muss wissen, ich bin kein sehr geduldiger Mensch. Für mich muss es schnell gehen, daher habe ich mich gleich in das Material verliebt. Mit Holz verhält sich das zum Beispiel ganz anders, man muss so viele Schritte beachten: es bearbeiten, kleben, zwölf Stunden warten. Mit Eisen zu arbeiten, geht sehr viel schneller.“

In den darauffolgenden Monaten fertigt Maximilian zurück in den Hamptons zehn Prototypen aus Metall, tagsüber hilft er in der Galerie seiner Eltern. „Eines Tages kam ein Bekannter vorbei, schaute sich meine Prototypen an und schlug vor, sie auszustellen.“

Auch andere Kunden sind interessiert, und so macht er sich auf die Suche nach einem US- Produzenten, der seine Möbel bauen kann. „Aber meine Euphorie wurde schnell gedämpft. Als die Hersteller mir erklärten, welches Budget ich bräuchte, um meine Möbel bei ihnen zu produzieren, wurde mir schnell klar, dass ich nicht über die notwendigen Finanzen verfügte.“

Etwas frustriert plant der junge Designer nach dem Sommergeschäft in den Hamptons über den Herbst 2010 wieder auf Backpacking- Tour zu gehen und reist nach Südostasien – mit dem Vorhaben, dort nach günstigeren Produktionsmöglichkeiten zu schauen. „Eigentlich war ich schon fast auf dem Rückflug in die USA, als ich das Angebot bekam, eine Bekannte auf Bali zu besuchen, die sich mit Fabriken und der Herstellung von Möbeln vor Ort gut auskannte.“

Zwei Wochen lang zieht er bei der Freundin seiner Eltern ein und besucht mehrere Fabriken. „Man sagt auf Bali: Entweder die Insel heißt dich willkommen oder sie spuckt dich aus. Das war damals mein erster Besuch auf Bali, und ich hatte gleich das Gefühl, das geht in die richtige Richtung. Damals gab es noch an jedem dritten Tag einen Stromausfall, abends lief man mit einer Taschenlampe im Dunkeln nach Hause. Aber ich habe gleich die- se Anziehung gespürt – es war faszinierend!“

Von seinem Meeting mit der ersten Fabrik kehrt Maximilian gleich mit abgeschlossenem Vertrag zurück: Er bestellt einen Container mit insgesamt 100 kleineren Möbeln zu einem Bruchteil des Preises, der in New York verlangt wurde. „Aber mein zweites Meeting war noch unglaublicher!“ Als er dem Chef der zweiten Fabrik, Chris Ball, seine Entwürfe zeigt, möchte der nur die ganz außergewöhnlichen Designs sehen. Und steigt ins Geschäft mit ein. „Das hat natürlich mein Selbstbewusstsein als Designer enorm gestärkt, dass er so an mich glaubte. Ich war ganz ehrlich und sagte ihm, dass mir das Budget fehle, meine aufwendigsten Designs bauen zu lassen. Aber das kümmerte ihn nicht, er sagte: ,Mach dir keine Sorgen, ich zahle das, und wenn du die Teile verkauft hast, gibst du mir das Geld zurück.‘“

Nur vier Monate später bietet Maximilian Eicke alle seine auf Bali gefertigten Teile in einer kleinen Ecke der Galerie an, die seine Eltern ihm in Sag Harbor zur Verfügung stellen. „Wir waren innerhalb kürzester Zeit ausverkauft.“ Mit dem Erlös fährt er im Winter zurück nach Bali und ordert die doppelte Menge.

Fünf Jahre später übernimmt er mit seinen auf Bali gefertigten Möbeln die gesamte Galerie. „Wir kombinieren seitdem meine Designs mit der Kunst meiner Eltern.“

Mit jeder Kollektion wird der damals erst 24 Jahre junge Designer mutiger und wagt sich auch an ungewöhnliche Materialien heran. 2012 plant er schließlich seinen ersten Coup, der seinen Namen erstmals in die „New York Times“ bringt. In Deutschland lässt er einen zusammenfaltbaren Tisch aus Kohlenstoff, Kevlar und Titan anfertigen und stellt ihn in der Galerie Jonathan Burden in Manhattan aus. Preis für das Einzelstück: 68.000 US Dollar! Sein Name wird plötzlich in der Designszene bekannt, und berühmte Persönlichkeiten (deren Namen er nicht preisgeben möchte) werden zu seinen loyalen Kunden. „Der Artikel in der ,New York Times‘ damals hat meine Karriere auf ein anderes Level gebracht.“

Seitdem teilt der heute 33-jährige Designer seine Arbeiten in zwei Kategorien auf: erstens Skulpturen, Arbeiten, die mehr in Richtung Kunst gehen und einen entsprechend hohen Preis haben, und zweitens kommerzielles Design wie etwa sein Beach Chair, der in Kürze gelauncht wird, also Produkte, die ein breiteres Publikum ansprechen. Wie auch seine mittlerweile berühmten „Ghost“-Gläser. 2015 beschließt Maximilian Eicke nach einem besonders stressigen Jahr, ganz nach Bali zu ziehen, und beginnt sich dort nach einem Grundstück umzuschauen, auf dem er sein Traumhaus bauen möchte. Ein Jahr später trifft er auf Bali auch seine heutige Ehefrau Irina, die als Model und Stylistin arbeitet und die ihren Mann heute auch als Creative Director unterstützt.

Mittlerweile hat Maximilian Eicke nicht nur für sich, sondern auch für seine Eltern ein Haus auf Bali gebaut. Ein weiteres für seine Schwester ist geplant. Aber auch in den Hamptons besitzt Eicke ein kleines Haus, das er nutzt, wenn er für den Sommer seine Galerie aufschließt. Aber Bali wird immer mehr zum Zuhause der ganzen Familie. „Auf der Insel kann ich das umsetzen, was immer mein Traum war. Es war von Anfang an meine Idee, es so zu machen wie Frank Lloyd Wright lange vor mir: ein Haus zu entwerfen, zu dem auch die gesamte Einrichtung entsprechend designt wurde. Von den passenden Möbeln bis zum Besteck und der Glasware.“

Dass Max ID NY nun ausgerechnet mit den Gläsern viral geht, hat Maximilian Eicke überrascht. Nachdem seine Frau Irina mit ihm zusammen 2018 das Glas-Projekt umsetzte und sie die Ware zunächst einmal nur in der Gallerie in den Hamptons verkauften, entwickelte Maximilian während des Lockdowns, den beide auf Bali verbrachten, auf Rat seiner Frau einen eigenen Onlineshop. Anschließend kam Irina auf eine ungewöhnliche PR-Idee: Statt die Gläser an die Möbelbranche zu schicken, suchten sie zusammen die coolsten Modefirmen und Persönlichkeiten heraus, die sie selber gerne mochten, und schickten eine limitierte Edition seiner Gläser (in Dunkelgrün) in aufwendiger Verpackung mit einem größeren PR-Paket an 120 gute Kontakte aus der Modebranche.

Irina erinnert sich: „Wir wollten die Menschen überraschen mit einem schönen Accessoire für ihr Zuhause.“ Nur sechs Wochen später explodierten die Verkäufe im eigenen Onlineshop. Anfragen von Mode-Plattformen wie Moda Operandi oder Fwrd folgten, die mit Eicke kooperieren wollten und heute ihre eigenen Limited Editions (in den Farben Weiß und Grün) der „Ghost“-Gläser anbieten. Influencer wie Jen Ceballos (@endlesslylove- club) oder Elsa Hosk (@hoskelsa, acht Millionen Follower) teilen seine Produkte auf Social Media. Der Durchbruch in den USA ist geschafft. Was sind die nächsten Ziele? Maximilian Eicke sagt: „Als Nächstes möchte ich nach Europa und international noch bekannter werden.“

IssueGG Magazine 02/23
City/Country-
PhotographyTommaso Riva und Lisa Scappin