Soul Cruiser by Michaela Cordes | 31. Mai 2024 | Travel
Sie wird gerne als schönste Yacht der Welt bezeichnet und feiert in diesem Jahr ihr 25. Jubiläum. GG durfte an Bord der Europa von Halifax in Kanada bis nach New York City die US-Ostküste entlang mitreisen. Warum klein, aber fein manchmal mehr ist oder wie Hapag-Lloyd die Liebe für besondere Kreuzfahrten entfacht.
s ist ein Gänsehaut-Moment, und als habe Petrus unsere Pläne erahnt, glitzert der Atlantik mit der Gischt der Wellen und dem sonnigen Himmel um die Wette. Von meinem Liegestuhl aus erblicke ich schon einen Kellner, der ein Tablett voller Champagnergläser über das Deck der Europa balanciert. Ich rücke meine Sonnenbrille zurecht, decke mich mit der gereichten Wolldecke zu und fokussiere meinen Blick über die Reling auf unsere Endstation: Am dunstigen Horizont kann ich die immer größer werdenden Umrisse der New Yorker Skyline erkennen, auf die wir jetzt zusteuern. Mit dem Schiff nach New York! Das stand auf meiner persönlichen Bucketlist bis zu diesem Moment ganz weit oben.
Als echte Hamburgerin bin ich am Wasser und auf Booten groß geworden. Zu meinen schönsten Kindheitserinnerungen gehören Abenteuer auf dem Meer: in Ölzeug, im Dauerregen, segelnd auf der Ostsee. Aber auf einem Kreuzfahrtschiff mitfahren? Der Begeisterung für diese immer beliebter werdende Art des Reisens konnte ich bisher nicht viel abgewinnen. Die Vorstellung, mit über 6.000 Passagieren in einem dieser schwimmenden Wolkenkratzer unterwegs zu sein, die einem mit Amüsement und Entertainment in Endlosschleife drohen, eine Art Club Med auf dem Wasser. Nein danke – bei dem Gedanken wurde ich bisher zum Snob. Aber nach einer Woche an Bord der kleinen und feinen Europa, die mit ihren 200 Metern nur 20 Meter länger ist als die Azzam (mit 180 Metern die derzeit größte Privatyacht der Welt), bin ich bekehrt. Und habe eine fast liebevolle Beziehung zu diesem Schiff entwickelt, das mich in den letzten Tagen in schönster Manier bis an die Pforten Manhattans transportiert hat. In diesem Jahr feiert das Flaggschiff der Hamburger Reederei Hapag-Lloyd seinen 25. Geburtstag. Einmal die Ostküste der USA entlang stand auf unserem Programm.
Gestartet sind wir in der kanadischen Stadt Halifax. Über das schöne Portland, Maine, nach Boston mit einem Ausflug an die Universität Harvard bis Provincetown, Massachusetts, wo ich nach einer spektakulären Whale-Watching-Tour gleich noch ein weiteres Ziel von meiner Bucketlist streichen konnte. Auch diesen unvergesslichen Ausflug habe ich dem exzellenten Team des Reisebüros an Bord zu verdanken, das für seine Gäste mit außergewöhnlichen Exkursionen vom Helikopterflug bis zur privaten Limousine alles organisiert.
Auf der Fahrt mit dem kleinen Aussichtsboot in die planktonreichen Gewässer der Gegend haben wir hautnah unzählige Buckelwale am Stellwagen Bank National Marine Sanctuary aus dem Wasser springen sehen. Zu dieser Jahreszeit (von April bis Oktober) fressen sich die Meeresriesen hier täglich mit bis zu einer Tonne Fisch pro Wal satt, um sich für ihre lange Reise und die Paarung in den West Indies fit zu machen. Nach jedem Ausflug, von dem ich wieder an Bord zurückkehre, fühlt es sich ein bisschen mehr an, als würde ich „nach Hause“ kommen, was an der besonderen Herzlichkeit liegt, die man auf der Europa aufrichtig lebt. Mitverantwortlich für diesen einzigartigen Ton ist auch Gabi Haupt, die Produktmanagerin der Europa, die jeden der 285 Mitarbeiter mit Namen grüßt. Für viele gilt sie als das Herz des Schiffes und ist mit ihrem Team auch für das Erstellen der individuellen Reisen verantwortlich.
Da es viele Stammgäste gibt, die immer wiederkommen (die meisten buchen zwei bis drei Wochen), sind neue Ziele und Strecken eine Herausforderung. Aufgrund der komplizierten Bedingungen, dass Hafenslots reserviert und Ausflüge an Land vorbereitet werden müssen, beginnt die Planung oft schon drei Jahre vor der eigentlichen Abreise. Innerhalb der letzten 20 Jahre hat sich das Publikum und damit auch die Europa stark gewandelt. Galt sie kurz nach ihrer Fertigstellung 1999 noch als traditionelles Schiff mit täglichen Galadinners an Zehner-Tischen mit herausgeputzten Damen, findet man heute im traditionellen „Europa“-Restaurant keine großen Tafeln mehr,
sondern viele kleine Tische. Smoking und Abendkleid sind passé, bei den Herren ist nur noch ein Sakko Pflicht. Dass es heute an Bord wesentlich lockerer, aber nicht weniger elegant zugeht, zeigt auch die Tatsache, dass die Hälfte des bordeigenen Friseursalons einem Kids Club gewichen ist.
Um den veränderten Ansprüchen der jüngeren Passagiere gerecht zu werden, entschied man sich 2019 zu einer aufwendigen Renovierung. In einer Rekordzeit von nur 14 Tagen bauten 800 Handwerker und 60 Fremdfirmen bei Blohm & Voss in Hamburg außerdem ein 700-m2-Spa und einen Fitnessraum auf das Schiff. Seitdem gehören innovative Fitnesskurse, Ernährungsworkshops in Zusammenarbeit mit der Medizinerin und Autorin Dr. Anne Fleck sowie Vorträge namhafter Experten zum Thema Gesundheit und Entspannung zum Programm. Die maximal 350 Passagiere finden in 200 Veranda-Suiten Platz. Auch das kulinarische Angebot hat ein Update erhalten. Das italienische Restaurant „Venezia“ wurde um ein paar Quadratmeter erweitert.
Am Heck des Schiffes ist die sehr beliebte – vor allem Sylt-Reisenden bekannte – „Sansibar“ entstanden. Inspiriert von einer Gastreise des Drei-Sterne-Kochs Kevin Fehling, der nachts gern seine Matratze an Deck mitnahm, um unter freiem Himmel zu schlafen, entstand das neue Gourmet-Restaurant „The Globe“. Ein weiterer Haute-Cuisine-Tempel ist die neue Kaviar-Bar „Pearls“ (alle Restaurantbesuche sind im Preis inbegriffen, man muss nur reservieren). Hier bereitet uns Chefkoch Michael Hoffmann ein extravagantes Sechs-Gänge-Kaviar-Menü zu, das uns staunen lässt, wie vielfältig sich die deliziösen Fischeier variieren lassen.
Dennoch scheint das Captain’s Dinner nach wie vor ein beliebtes Highlight zu sein, und wir beobachten, wie sich die Gäste für den Abend doch schicker zurechtgemacht haben. Kapitän Jörg Peter Berendsen kommt ursprünglich aus Lübeck, er hat 15 Jahre auf Hochseeseglern wie der Sea Cloud und der Alexander von Humboldt II gearbeitet. Bei unserem Besuch auf der Brücke schwärmt er, dass er seit Juni 2022 an Bord ist und die MS Europa als den Olymp der Kreuzfahrtschiffe betrachtet: „Ich empfinde es als echte Aufgabe, diese schöne Tradition zu pflegen. Dafür war ich bereit, auf die Segel zu verzichten.“
Kurz bevor wir New York erreichen, hat er sich mit der Crew für seine Gäste eine ganz besondere Überraschung ausgedacht: Nach dem Dinner werden wir an Deck gebeten und erleben in den folgenden Stunden ein seltenes Spektakel. Mitten in der dunklen Nacht begegnen wir auf dem ruhigen Atlantik dem ebenfalls hell erleuchteten Schwesternschiff Europa 2. Das Ereignis wird mit viel Beifall und lautem Schiffshorn-Getute gefeiert. Zeitgleich findet mithilfe eines Beibootes der reibungslose Austausch der „Wanderer“-Skulptur statt, die auf hoher See von der Europa auf die Europa 2 wechselt und von dort auf allen anderen weiteren Hapag-Lloyd-Schiffen mitfahren soll.
Ja, die Emotionen reisen mit auf dieser besonderen Kreuzfahrt und erfahren ihren Höhepunkt, als wir schließlich in New York City ankommen, an der Freiheitsstatue vorbeicruisen und Frank Sinatras berühmtes „New York, New York“ aus sämtlichen Lautsprechern schallt. Für den Leser mag es – wie man auf Amerikanisch gerne sagt – „cheesy“ klingen, aber der Moment, als ich wahrnehme, dass sich auf einmal sämtliche Gäste auf den Decks verteilt haben und wir alle mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht und einem Glas Champagner in der Hand am Freedom Tower, dem West Side Highway mit glasklarem Blick über New Jersey und Manhattan vorbeiziehen, ist unvergesslich! Übrigens transportiert dieses Schiff in seinem Bauch nicht nur 14 Tonnen frische Lebensmittel, sieben Tonnen Fisch und Hummer und 60 Kilo Kaviar, sondern auch 12.000 Flaschen Wein – und Champagner. Ein paar Stunden später liegen wir am Pier 90 und können direkt von Bord nach Midtown Manhattan spazieren. Abends nehme ich einen letzten Drink in der „Sansibar“ und unterhalte mich mit einer Dame, die eindeutig als Stammkundin durchgeht. Sie hat über 30 Reisen auf diesem Schiff hinter sich und schwärmt: „Ich liebe die Europa – sie ist einfach ein Seelenschiff!“