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Cool wie Chemena by Katharina Pfannkuch | 29. August 2024 | Personalities

Sie könnte die nächste Mode-Ikone aus Deutschland werden. Chemena Kamali begeistert mit ihrer Debütkollektion für dasPariser Traditionshaus Chloé. Die Designerin zeigt auch, wie aus einem Traum erst ein Ziel und dann größter Erfolg werden kann.

Beinahe klingt es, als hätte sich Chemena Kamali in den Show-Notizen zu ihrer ersten Kollektion für Chloé selbst beschrieben: Sie wolle die Präsenz der „Chloé-Frau“ wieder spüren, hieß es dort, „ihre natürliche Schönheit, ihre Ausstrahlung und ihre instinktive Energie“, die etwas „Wiedererkennbares und Erfrischendes“ an sich habe.

Als die Designerin im Februar nach ihrem umjubelten Debüt über den Laufsteg lief, in karamellfarbener Bluse, Jeans und Sneakers, spontan ihren Sohn umarmte und ausgelassen Küsse ins hochkarätige Publikum warf (in der ersten Reihe saßen etwa Jerry Hall und Sienna Miller), da war sie spürbar, die Präsenz der Chloé-Frau, wiederkennbar und erfrischend zugleich, selbstbewusst und sanft, sinnlich, aber nicht angestrengt sexy, entspannt und ambitioniert.

Reichlich Ambitionen hat auch die 1981 in Düsseldorf geborene Chemena Kamali, die in Dortmund aufwuchs und erst in Trier, dann in London an der Central Saint Martins University of the Arts Modedesign studierte, wo sie 2007 ihren Abschluss machte. Vor allem eines scheint sie angetrieben zu haben: für Chloé zu arbeiten. Das 1952 in Paris eröffnete Modehaus, das heute zu Richemont gehört, dessen Gründerin Gaby Aghion als Erfinderin des Prêt-à-porter-Prinzips gilt, steht seit jeher für Mode, die ihre Trägerinnen nicht einengt, sondern sie mit alltagstauglicher Leichtigkeit umhüllt.

Hier – und nur hier – wollte Kamali ein zum Studium gehörendes Praktikum absolvieren, sagte sie im Januar der „Vogue“: Statt wie ihre Kommilitonen viele Bewerbungen an alle großen Modehäuser zu schicken, nahm sie den Zug nach Paris, zum Hauptsitz von Chloé, und wartete dort so lange, bis ihr das Kunststück gelang, ihre Bewerbungsmappe zeigen zu dürfen. Kamali setzte alles auf eine Karte oder besser gesagt: auf eine Mappe. Mit Erfolg. Sie bekam ihr Praktikum.

Dieser fast filmreife Karriereauftakt sollte sich tatsächlich nur als Auftakt erweisen. Kamali wurde bei Chloé Juniordesignerin, 2012 kam sie als Designdirektorin zurück. Auch bei Strenesse und Alberta Ferretti machte sie Station, sechs Jahre war sie bei Saint Laurent. Die Liebe zu Chloé aber blieb. Das bemerkten auch andere: „Oh, nein, das ist zu feminin, zu weich. Behalte das für Chloé!“, habe in ihrer Zeit bei Saint Laurent der dortige Kreativchef Anthony Vaccarello manche ihrer Vorschläge kommentiert, so Kamali zu „Vogue“.

Im Herbst 2023 wurde sie Chloé-Kreativchefin. In der offiziellen Ankündigung ihres neuen Postens bekennt sie dann auch: „Mein Herz schlug immer für Chloé. Seit ich vor über 20 Jahren durch die Tür getreten bin.“ Eine so lange währende, auch Pausen überdauernde Liebe ist eine Ausnahme in der Modewelt, in der Designerposten in immer kürzeren Abständen neu besetzt werden – nach wie vor meist mit männlichem Personal.

Nachdem im Herbst Sarah Burton bei Alexander McQueen und kürzlich Virginie Viard bei Chanel abtraten, wird der Kreis prominenter Designerinnen wie Miuccia Prada, Donatella Versace oder auch Maria Grazia Chiuri wieder kleiner. Wie passend, dass Chemena Kamali sich gerade jetzt anschickt, ihren Namen auch jenseits von Fachkreisen bekannt zu machen. Passend ist auch, dass das Unternehmen Chloé bekannt ist für weibliches Spitzenpersonal. Mit Laurent Malecaze ist seit letztem Jahr zwar erneut ein Mann Präsident und CEO, den kreativen Part aber verantworteten in der 72-jährigen Firmengeschichte oft Frauen. Unter anderem Stella McCartney, Phoebe Philo, Claire Waight Keller und zuletzt Gabriela Hearst. Aus pragmatischer Sicht durchaus sinnvoll, können doch Frauen das, was sie für andere Frauen entwerfen, leichter einem Alltagstest unterziehen als Männer.

Das dürfte im Sinne der Firmengründerin Gaby Aghion sein: Als andere Couturiers noch auf Silhouetten wie jene des „New Look“ von Dior setzten, ließ Aghion die Chloé-Frau schon in bequemen und doch anmutigen Designs die Welt erobern. Die erste Prêt-à-porter-Schau der Marke 1956 fand nicht in einem elitären Pariser Salon, sondern im legendären „Café de Flore“ statt, einem Treffpunkt der Bohème, der Freigeister, Künstler und Intellektuellen. Hier war auch Karl Lagerfeld oft zu Gast, einer der wenigen Männer, die für Chloé entwarfen. In seinen zwei Amtszeiten – von 1964 bis 1984 und von 1992 bis 1997 – prägte er Designs, die auch Kamali bis heute begeistern, vor allem jene aus den späten 70er-Jahren.

Reminiszenzen an diese Zeit sind in ihrer Debütkollektion nicht zu übersehen: fließende Stoffe, transparente Spitze, schwingende Rüschen, weiches Leder, Jeans zu Clogs, dazu Accessoires wie große Sonnenbrillen und Stirnbänder, ein goldener Gürtel mit geschwungenem Chloé-Schriftzug und eine Neuauflage der von Phoebe Philo in den frühen 2000er-Jahren kreierten Bracelet Bag. Ein bisschen Boho-Ästhetik, viel Chloé oder, mit den Worten der Designerin, „Wiederverwurzelung“ und „Neuanfang“ zugleich. Das alles wirkt wie ein sanfter, verspielter, bewusst unvollkommener und doch alltagstauglicher Gegenschlag zur Sachlichkeit des Minimalismus, zur Unterkühltheit der Digitalisierung und auch zur Unübersichtlichkeit einer krisengeschüttelten Welt.

Kamalis nahbarer und zugleich stolzer Auftritt nach der Show setzte ihrer Premiere die passende, eben nicht glitzernd-überladene, sondern zart schimmernde Krone auf. Hier ist eine Sympathieträgerin angetreten, eine Mutter, eine, die man sich als Freundin wünscht, deren Geschmack und Kleiderschrank stilistischen Halt versprechen, ähnlich, wie es schon bei Phoebe Philo war. In Kamalis Fall wäre die Auswahl im Schrank besonders groß: Sie besitzt eine über 600 Teile umfassende Blusensammlung. Das passt – wie so vieles in dieser Erfolgsgeschichte, denn Blusen gehören zur modischen DNA der Marke. Die Begeisterung des Publikums und das mediale Echo lassen keinen Zweifel: Die Präsenz dieser Chloé-Frau ist spürbar.

IssueGG Magazine 04/24
City/CountryParis, France
PhotographyJulien de rosa/ Getty images
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