His Big Picture by Christian Aust | 28. November 2024 | Personalities
Die Megaserie „Yellowstone“ katapultierte ihn und das Western-Genrein die Herzen von Millionen Fans. Mit seinem vierteiligen Country-Epos „Horizon“ erfüllt sich Kevin Costner auch einen persönlichenTraum. GG traf die Hollywood-Ikone zum Exklusiv-Interview.
Kevin Costner hat eine leichte Erkältung und schenkt sich Pfefferminztee ein. Wir sitzen im Konferenzraum im ersten Stock des Berliner Hotels „Waldorf Astoria“. Er trägt ein graues Hemd, von innen blau, die Ärmel hochgekrempelt, und eine Brille, mit dunklem, breitem Rand im 50er-Jahre-Ray-Ban-Stil. Sein kräftiger Händedruck fühlt sich an, als könnte Costner selbst auf einer Farm anpacken oder Pferde satteln. Es ist nicht das erste Mal, dass wir uns begegnen: Vor ein paar Jahren lud man mich zu einem Interview auf seine Ranch in Aspen, Colorado, ein. Ein 65 Hektar großes Anwesen mit Haupt- und mehreren Nebenhäusern im rustikalen Craftsman Style. Mein Besuch damals fühlte sich in keinem Moment wie ein Pressetermin an. Man behandelte mich wie einen geschätzten Gast. Zu unserem Gespräch kam der Schauspieler, Filmproduzent und Regisseur ohne die üblichen Assistentinnen und Assistenten (die jetzt dabeisitzen und ihn ständig auffordern, das Interview kurz zu halten) auf einem Quad mit zwei Labradoren auf dem Rücksitz, die auch später nicht von seiner Seite wichen. Anschließend lud er mich ein, mich auf seinem privaten Anwesen in Ruhe umzusehen, sämtliche Türen standen offen. In der Küche des Haupthauses bereitete seine damalige Ehefrau Christine eine kleine Mahlzeit zu. Auf dem Esstisch stand eine Babyschale, in der das gemeinsame Kind schlief.
Auch heute wirkt Costner tiefenentspannt und freundlich trotz des großen Rummels um seine Person an diesem Tag. Authentisch und bodenständig, ohne die Distanziertheit, die manche Prominente im Laufe ihrer Karriere entwickeln können. Im Gespräch gibt er sich so nahbar, dass ich zeitweise vergesse, dass ich gerade einen Star interviewe.
Mit seinem opulenten Western „Horizon“ – dem ersten Teil einer vierteiligen Saga – liegt Kevin Costner voll im Country-Trend. Wie kein zeitgenössischer Hollywood-Schauspieler steht er für das derzeitige Western-Revival; die TV-Serie „Yellowstone“, in der er den Patriarchen John Dutton spielt, hat ihm eine ganz neue Generation von Fans beschert. Die fünf Staffeln der Erfolgsserie erzielten mit bis zu zwölf Millionen Zuschauern pro Folge Rekordzahlen in den USA. Das Western-Genre steckt dem heute 69-Jährigen im Blut. Nicht nur seine Ranch in Aspen sieht Duttons Familiensitz in „Yellowstone“ ähnlich. Er ist auch noch Frontmann seiner eigenen Country-Band Kevin Costner & Modern West. Nichts scheint dem Vater von sieben Kindern aus zwei Ehen gerade wichtiger zu sein als die Verfilmung und Vermarktung seines Western-Epos. Fast 40 Jahre lang verfolgte er mit „Horizon“ die Vision eines monumentalen Westerns. Sämtliche Filmstudios wiesen ihn auch diesmal mehrfach ab.
Doch statt seinen Traum zu begraben, investierte Costner zwischen 38 und 50 Millionen Dollar (Schätzungen variieren) seines eigenen Vermögens, um die Geschichte als Mehrteiler in die Kinos zu bringen. Für die Finanzierung hat er sogar sein Anwesen in Santa Barbara beliehen. Wagt man im Gespräch einzuwerfen, dies sei doch ein recht waghalsiges Vorgehen, erntet man diesen Blick eines kompromisslosen Abenteurers mit immer noch sehr blauen Augen, der sagt: Willst du etwa die Liebe der Vernunft opfern? Ich fühle mich sofort wie ein kleinlicher, deutscher Bedenkenträger.
GG: Das Thema Country erlebt gerade ein Comeback – sogar Beyoncé hat ein Country- Album aufgenommen. Wie erklären Sie sich dieses Phänomen?
Ich habe keine Ahnung. Die Menschen weltweit sind offensichtlich wieder auf den Geschmack gekommen, diese Art von Musik zu hören. Ich war nie besonders gut darin, Trends vorherzusehen. Und deshalb war es auch nicht meine Sache, Trends zu folgen. Ich weiß es natürlich zu schätzen, wenn Country gerade wieder angesagt ist. Aber ich will nicht Teil einer Mode sein. Das ist es nicht, was mich antreibt.
Was motiviert Sie?
Ins Kino zu gehen, ist für mich eine ganz private Angelegenheit. Mich treibt beim Filmemachen immer der Wunsch an, etwas Persönliches zu teilen. Wenn ein Film gut gemacht ist, erweitert er im besten Sinne des Wortes unseren Horizont. So eine Geschichte wollte ich erzählen. Am Ende sind vier Filme daraus geworden, aber so viel Zeit brauchte ich eben.
Es ist nicht das erste Mal, dass Sie Ihre Karriere und Ihr Vermögen für ein Projekt riskieren, das für Sie eine Herzensangelegenheit geworden ist.
Das kann man wohl sagen. So viel wie mit „Horizon“ habe ich allerdings noch nie riskiert. Ja, ich habe mein eigenes Geld investiert. Und zwar wesentlich mehr, als überall zu lesen ist. Ich habe jeden Trick, den ich kenne, angewandt, um diesen Film zu machen. Für „Der mit dem Wolf tanzt“ hatte ich 106 Drehtage, für „Horizon“ nur 56. Und das ist der größere Film. Natürlich hätte ich gerne mein Geld zurück. Aber sollte mir morgen etwas zustoßen, wüssten meine Kinder ganz genau, wer ich war. Diese Filme sind das beste Beispiel dafür. Denn ich habe immer alles für meine Ideen gegeben.
Seit Beginn seiner Schauspielkarriere, die begann, nachdem Richard Burton dem damals jungen Mann geraten hatte, sich ganz auf die Schauspielerei zu konzentrieren, hält Kevin Costner an seinen Visionen fest: Er ist ein Träumer und ein Kämpfer. Widerstand treibt ihn zu Höchstleistungen an. Schon sein bisher erfolgreichstes Werk „Der mit dem Wolf tanzt“ – in dem er die Regie, Produktion und Hauptrolle übernahm – wurde von verschiedenen Filmstudios abgelehnt. Am Ende konnte Costner sich über insgesamt 55 Auszeichnungen freuen – darunter sieben Oscars und drei Golden Globes – und ein weltweites Einspielergebnis von 400 Millionen Dollar. Allein in Deutschland war der Western damals mit beinahe sieben Millionen Zuschauerinnen und Zuschauern der meistgesehene Film des Jahres 1991.
Warum „spielen“ Sie immer wieder mit so hohem Einsatz?
Schwer zu sagen. Ich verliere nicht gerne. Ich möchte am Ende auch nicht wie ein Trottel dastehen. Aber ich glaube so sehr an diese Filme. Und ich bin überzeugt, sie werden ein Leben nach dem Startwochenende und einigen schlechten Kritiken haben. Obwohl sich das mit den schlechten Kritiken auch relativiert. Das „New York Magazine“ findet plötzlich, es sei einer der besten Filme des Jahres.
Miese Kritiken gleiten also nicht an Ihnen ab?
Ich weiß, ich sollte mir die Kritiken nicht so zu Herzen nehmen; doch es tut schon weh, wenn so etwas erscheint. Aber wenn ich dann so eine kleine Hymne lese, fühle ich mich einfach verdammt gut. Und ich glaube immer noch an das Kino. Du sitzt im Saal, das Licht geht aus, und du weißt nicht, was passiert. Wenn ich einen Weltraum-Film sehe, möchte ich da so hineingezogen werden, mich so sehr damit identifizieren, dass ich wirklich das Gefühl habe, im All zu sein. Das Gleiche gilt für einen Western. Das ist doch das Aufregende am Kino, wenn es authentisch und emotional wirkt. Wir werden zu Zeitwanderern und können andere Welten und unterschiedliche Zeitalter erleben. Das ist die große Chance, die uns ein Film bietet.
Gehen Sie heute mit Druck anders um als vor 30 Jahren?
Es ist nicht einfacher für mich geworden. Es bleibt immer ein Kampf. Vor zehn Jahren habe ich einen kleinen Film über Rassismus gemacht. Er heißt „Black or White“. Kein Studio wollte ihn finanzieren, aber er war mir so wichtig, ich habe mein Geld investiert. Finanziell war das eine Form von Selbstmord. Ich weiß auch nicht, warum ich das immer wieder mache.
Sie können einfach nicht anders?
Wissen Sie, ich besitze mehr, als ich jemals für möglich gehalten habe. Ich stamme aus einer sehr konservativen Familie. Das Filmgeschäft war da eine völlig fremde Welt und keine realistische Option. Und ich habe mehr erreicht, als ich mir vorstellen konnte. Ja, mir gehören einige sehr schöne Dinge. Aber so schön sind sie dann auch wieder nicht, dass ich mich daran klammern muss, damit mein Leben Sinn hat. Sagen wir es so: Diese Dinge sind mir nicht wichtiger, als eine Geschichte zu erzählen, die ich gerne im Kino gesehen hätte. Meine Strategie und mein Credo sind nicht besonders kompliziert. Mach Filme, die du gerne sehen würdest.
Warum ziehen Sie Western eigentlich so magisch an? Waren Sie in einem Ihrer früheren Leben ein Cowboy?
(lacht) Ganz ehrlich? Die meisten Cowboyfilme mag ich gar nicht besonders. Das ging mir schon als Kind so. Aber dann gab es einen Western, der mir die Augen geöffnet hat: „Das war der Wilde Westen“. Denn dieser Film war authentisch. Sie hatten alles vor Ort gedreht und nicht auf dem Studiogelände.
In einigen Szenen fühlte sich die Geschichte für mich richtig echt an. Die meisten Western sind zu simpel gestrickt. Und alles wirkt falsch, die Kostüme, die Kulissen, die Geschichte oder die Rollen der Frauen. Die Indigenen sehen seltsam verkleidet aus. Viele Western finde ich misslungen.
Was gefällt Ihnen an den Geschichten nicht?
Viele laufen nach dem immer gleichen Muster ab. In den ersten fünf Minuten tötet jemand die gesamte Familie des Protagonisten, und für den Rest des Films geht es dann nur noch um Rache. Verstehen Sie mich nicht falsch. Rache kann in Filmen auch ihren Reiz haben. Ich war selbst schon einmal in so einer Geschichte zu sehen, der Miniserie „Hatfields & McCoys“. Aber in den meisten Western wird der Westen zu simpel dargestellt. In Wirklichkeit war diese Welt sehr komplex. Das waren Menschen, die in ein ihnen völlig fremdes Land kamen und dort leben mussten. Dieses Land mussten sie sich mit verschiedenen Gruppen von Menschen teilen, die sie dort nicht wollten. Und dann zog der Westen viele Verbrecher an, weil sie festgestellt hatten, dass dort keine Gesetze gelten. Wir machen unsere Western zu simpel und erweisen dieser Zeit in unserer Geschichte einen Bärendienst. Außerdem sehen wir in Western oft nur männliche Charaktere in den wichtigen Rollen. Ich mag weibliche Charaktere, und in „Horizon“ sehen Sie viele Frauen in Schlüsselrollen. Das mag ein Stil sein, der nicht allen gefällt. Aber ich sehe in Western gerne starke Frauen.
Wie könnte man Ihren Filmgeschmack auf einen Nenner bringen?
Erzähl die Geschichte so nuanciert und mit so viel Humanität wie möglich. Wenn es Raum für Humor gibt, finde ihn. Wenn es tragisch wird, ergreife die Gelegenheit, um das Publikum emotional zu binden. Wenn es brutal wird, lass es übel aussehen. Und wenn Menschen sterben, solltest du etwas fühlen.
Das Filmemachen hat sich in den vergangenen Jahren sehr verändert. Macht es Ihnen noch so viel Spaß wie früher?
Sie haben jetzt all diese tollen Werkzeuge, Computereffekte und so etwas.
Aber ich arbeite als Regisseur nicht mit Spezialeffekten. Ich bringe meine Schauspielerinnen und Schauspieler an die tatsächlichen Locations, dahin, wo alles passiert ist. Und ich hoffe, das Publikum hat dadurch einen Mehrwert. Ich stelle auch fest, dass heute immer mehr Leute etwas zu sagen haben. Es werden viele Gemeinschaftsentscheidungen getroffen. Jeder will seinen Senf dazugeben. So etwas gibt es bei mir nicht. Als Regisseur habe ich immer das Recht auf den Final Cut. Das ist seit „Der mit dem Wolf tanzt“ so. Aber so oft habe ich eigentlich gar nicht Regie geführt. Ich bin fest überzeugt, es gibt bessere Regisseure als mich.
War es früher einfacher, große Filme zu finanzieren?
Meiner Erfahrung nach nicht. Keines der großen Studios wollte „Der mit dem Wolf tanzt“ machen. Sie haben mich gleich mehrfach abgewiesen. Auch deswegen, weil ich keine Erfahrung hatte. Für mich war Filme-machen immer ein Kampf. Obwohl ich auf eine schöne Karriere zurückblicken kann, in der ich die unterschiedlichsten Rollen spielen durfte. Aber wenn es um etwas geht, das mir am Herzen liegt, wird es immer schwierig. Ich schaue dann auf den schillernden Teil meiner Karriere und frage mich: Liebe ich diese Art von Erfolg, oder liebe ich meinen Traum? Und ich habe mich immer wieder für den Traum entschieden.
Aber ganz ehrlich, ein bisschen lieben Sie diesen Kampf doch auch, oder?
Nein, ich mag den Kampf nicht. Aber ich bin bereit zu kämpfen, um mich nicht zu verlieren und zu vergessen, wer ich bin. Das würde ich nämlich sonst. Ich mag möglichst wenig Drama in meinem Leben. Auf meinen Filmsets soll es ruhig zugehen. Ich hasse es, Leute zu feuern. Wobei ich keine Angst vor einer ordentlichen Auseinandersetzung habe. Dabei vertraue ich immer auf meinen Geschmack. Ich bin fest davon überzeugt, dass „Horizon“ ein guter Film geworden ist, der seine Berechtigung hat. Wird er ein großer Erfolg? Ich habe keine Ahnung. Aber ich weiß, ich habe gute Arbeit abgeliefert. Und das ist es, was am Ende für mich zählt – egal, wie mühevoll der Weg dahin war.
Sind Sie auch deswegen ein glücklicher Mensch?
Ich habe meinen Weg im Leben gefunden. Obwohl ich mich nicht für besonders clever halte. In der Schule war ich nie wirklich gut. Aber ich habe trotzdem meinen gelben Ziegelsteinweg entdeckt wie in „Der Zauberer von Oz“. Ich versuche jetzt seit beinahe 40 Jahren, diese Geschichte auf die Leinwand zu bringen. Die Idee zu „Horizon“ hatte ich noch vor „Der mit dem Wolf tanzt“. Dass der Film jetzt tatsächlich im Kino zu sehen ist, bedeutet mir alles, und es macht mich glücklich. Ich habe mich in dieses Projekt verliebt. Und ich entliebe mich nicht so schnell. So ein Typ bin ich nicht. Wenn ich etwas sehe, das mir gefällt, ändere ich meine Meinung nicht so schnell.
Warum haben Sie sich in die Geschichte verliebt?
Ich habe mich erst einmal in die Hauptfigur verliebt und wollte sie unbedingt spielen. Und ich habe mich so sehr verliebt, dass ich sogar meinen Sohn Hayes nach ihr benannt habe. Er ist übrigens auch in einer kleinen Rolle im Film zu sehen. Und dann war da diese faszinierende Geschichte. Es geht um die Gründung einer Stadt, die „Horizon“ heißt. Und hier spielt sich vieles von dem ab, das die Siedlerinnen und Siedler damals erlebt haben. Ganz wichtig war mir auch, dass das Land, auf dem diese Stadt steht, eigentlich den amerikanischen Ureinwohnern gehört. Die vergessen wir nämlich bis heute, auch in unserer Populärkultur. Der Film gleicht einem Buch, einer Geschichte, die ich für das Publikum geschrieben habe. Und so ein Film gehört ins Kino, nicht auf eine Streamingplattform. Allein die galoppierenden Pferde auf der großen Leinwand, so etwas habe ich schon ewig nicht mehr im Kino gesehen. Ist das nicht wunderbar?
Feiert jetzt auch der Western sein Comeback?
Ich glaube wirklich nicht an Trends. Es ist immer die richtige Zeit für einen tollen Science-Fiction-Film, einen herausragenden Western oder eine gute Liebesgeschichte. Man muss sich nur einfach trauen, großartige Geschichten fürs Kino zu produzieren. Und damit ein Film großartig wird, musst du ihn sorgfältig vorbereiten. Er muss authentisch und voll feiner Abstufungen sein. Und du solltest dabei immer an das Zielpublikum denken. Wenn du einen Gemischtwarenladen willst, der alle zufriedenstellen soll und jeden Trend bedient, dann funktioniert das nicht. Ich glaube auch nicht daran, Filme zu testen. Das Studio führt meinen Film einem Testpublikum vor, um anschließend zu fragen, welche Szenen ihm am wenigsten gefallen haben. Natürlich heben dann einige Leute ihre Hand. Das ist deren Bestätigung, um mich zu Änderungen zu drängen. Aber das ist ja eine Suggestivfrage. Denn natürlich gefallen den Zuschauerinnen und Zuschauern einige Szenen besser als andere. Deswegen werde ich meinen Film nicht ändern.